
Belohlavek, Jiri dirigiert - Werke von Suk und Britten
Memento mori
Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Zwei von der Todesthematik geprägte Werke wurden vom BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Jiří Bělohlávek in einer packenden Aufnahme vereint.
Es gibt wohl nur wenige Komponisten, der dem Thema Tod keinen musikalischen Tribut gezollt hat. Auch Josef Suk und Benjamin Britten, zwei große Komponisten des 20. Jahrhunderts, finden sich in dieser Reihe wieder und haben ihren ganz eigenen Weg gefunden. Die Gattungsfrage ist daher bei beiden auch das erste, über das man stolpert.
Als sinfonisches Requiem ließe sich Josef Suks Zweite Sinfonie in c-Moll op. 27 mit dem Titel 'Asrael' wohl am ehesten beschreiben. Denn auch wenn die Form des fünfsätzigen Werkes der Sinfonie (trotz Abweichungen) am nächsten steht – Titel und Anlass der Komposition lassen es zu einem Requiem werden. Sogar zu einem doppelten, denn gleich zwei Schicksalsschläge hatte der tschechische Komponist kurz hintereinander zu verkraften: zuerst den Tod seines Schwiegervaters Antonin Dvořák im Jahr 1904, der den ursprünglichen Anlass zur Komposition gab, und kurze Zeit später den Tod seiner Frau Otilka, Dvořáks Tochter. Der Titel bezieht sich auf den Namen des islamischen Todesengel Azrael und gibt dem Werk so seine thematische Richtung.
Bělohlávek fängt zusammen mit den Musikern des BBC Orchestra die ganze Wucht des Werkes, das in seiner musikalischen Sprache mitunter an Gustav Mahler erinnert, in eindrucksvoller Weise ein. Die emotionale Spannbreite, die das Werk fordert, wird ausgeschöpft und der große musikalische Bogen bis hin zum versöhnlichen C-Dur am Schluss gezogen. Dabei reizt der Dirigent die dem Werk innewohnende Tragik bis zum Äußersten aus. Besonders der zarte fünften Satz 'Adagio e maestoso' droht dadurch allerdings an einigen Stellen fast auseinanderzubrechen. Das Ganze wirkt daher im Ergebnis – auch an den lauten Stellen – manchmal etwas überladen. Mitreißend und ergreifend ist diese Aufnahme aber dennoch, zumal sich Bělohlávek als großer Kenner der tschechischen Musiksprache erweist.
Der Sinfonie an die Seite gestellt wird die 'Sinfonia da Requiem' op. 20 von Benjamin Britten, die zwischen 1939 und 1940 entstand. In Hinsicht auf die Gattungsbezeichnung stellt auch sie eher einen Alleingänger in der Musikgeschichte dar. Der Bezug zum Requiem erklärt sich hier zunächst nur durch die Titel der einzelnen Sätze: 'Lacrymosa' (Totenklage), 'Dies irae' (Jüngstes Gericht), 'Requiem aeterna' (Ewige Ruhe). Britten schrieb die 'Sinfonia' ursprünglich für die japanische Regierung anlässlich des 2600. Gründungsjubiläums des Japanischen Reiches. Der nahe Bezug zur christlichen-liturgischen Tradition schreckte diese jedoch ab, sodass sie das Werk ablehnten und Britten es schließlich seinen Eltern widmete.
Wenn auch wesentlich kürzer als Suks 'Asrael'-Sinfonie ist Brittens 'Sinfonia' nicht weniger eindrucksvoll, und diese durchdachte Aufnahme ebenso. Der erste Satz ist ruhig gehalten, aber stetig nach vorne drängend und gleichwohl zielgerichtet auf den nahtlos übergehenden und rasanten zweiten, den Totentanz. Hier können sich die Musiker schließlich beweisen, vor allem in den Bläsersoli wie dem virtuosen Trompetenpart, bei dem jeder Ton sitzt. Der musikalisch ausgewogen gestaltete dritte Satz bringt schließlich den verdienten Trost. Insgesamt kann die Aufnahme der 'Sinfonia' damit als die homogenere gelten, das britische Werk liegt dem Dirigenten mindestens genauso gut.
Die Zusammenstellung der beiden Werke auf einer Doppel-CD ist sehr passend. Da es sich bei der Aufnahme um Mitschnitte handelt, sind Publikums- und Blättergeräusche zwischen den Sätzen nicht gänzlich eliminiert. Den Musikgenuss schmälert dieser Umstand allerdings nur minimal.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Belohlavek, Jiri dirigiert: Werke von Suk und Britten |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Supraphon 2 25.06.2012 |
Medium:
EAN: |
CD
099925409524 |
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Supraphon Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt. Mehr Info... |
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