> > > Widor, Charles-Marie: Orgelsinfonien op. 42 & 69
Sonntag, 1. Oktober 2023

Widor, Charles-Marie - Orgelsinfonien op. 42 & 69

Verschiedener Klang


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Nicht unbedingt eine neue Referenzeinspielung der Werke für Orgel und Orchester von Widor, aber dennoch eine wertvolle Ergänzung des Tonträgermarkts.

Nachdem er seine erste Sinfonie für Orgel und Orchester op. 42bis aus mehreren Orgelwerken zusammengestellt hatte, schuf Charles-Marie Widor mit der Sinfonie e-Moll op. 69 (seiner dritten gezählten Orchestersinfonie) sein erstes genuines Werk für Orgel und Orchester vor (dem noch ein weiteres, die 'Sinfonia sacra' op. 81 folgen sollte). Nachdem 2009 Opus 42bis und Opus 81 in einer ersten Folge von Widors Orgelsinfonien durch die Interpreten der vorliegenden SACD vorgelegt worden waren, folgt hier nun das dritte und letzte Werk der Reihe, ergänzt um die große Sinfonie a-Moll für Orgel allein op. 42 Nr. 3. Man kann sich fragen, ob die Kopplung mit einem reinen Orgelwerk nicht die Aufmerksamkeit von der Orchestersinfonie ablenkt; doch ebenso bedenklich mag die Kopplung der ersten SACD wirken, die eben nicht zwei originäre Sinfonien für Orgel und Orchester koppelt, sondern ein eindeutig aus einem Orgelsolowerk hervorgegangenes Werk und ein genuines Werk für Orgel und Orchester. Nun, für eine Umkopplung ist es nun zu spät.

Opus 69, 1894 in Genf uraufgeführt, besteht aus zwei Teilen, die – vergröbert ausgedrückt – in die traditionellen Sinfoniesätze unterteilt sind (die 'Sinfonia Sacra' ist da freier gearbeitet). Der erste Satz 'Introduktion – Allegro' beginnt quasi aus dem Nichts, aus einigen Pizzicati. Hieraus entwickelt sich ein komplexes Gebilde, das nicht einfachen Lehrbuchregeln folgt, sondern feine Nebenwege integriert, aus der sich im Laufe der Zeit zu einem genuinen langsamen Satz ausweiten. Ein kraftvolles Scherzo mit differenzierten Trioeinwürfen endet in einem detailfreudigen, triumphalen Finale – das Vorbild von Camille Saint-Saëns‘ 'Orgelsinfonie' c-Moll op. 78 von 1886 ist offenkundig.

Der substanzielle Orchesterpart ist bei den Bamberger Symphonikern naturgemäß in besten Händen. Die Nebenstimmen sind ebenso sorgsam ausgearbeitet wie die Blechbläserparts, bei anderen Orchestern nicht selten ‚Problemkinder‘. Die fein schattierte Gestaltung des Hornsolos zwischen erstem und zweitem Satz ist eine wahre Wonne, das klangliche Gegen- und Zusammenspiel zwischen Orchester und Orgel funktioniert bestens. Christian Schmitt, vielfacher Preisträger und Stipendiat der Deutschen Stiftung Musikleben (die beide SACDs ermöglichte) integriert sich bestens, der schwedische Dirigent Stefan Solyom und er haben sich offenkundig sorgfältig abgestimmt, so dass, auch wenn die Musik in manchen Stellen nicht so tiefgründig klingt wie andere Sinfonien von Widor für Orgel allein, auf jeden Fall großer Effekt erzielt wird.

Die drei Orchestersinfonien wurden zeitnah im September und Oktober 2008 in der Konzerthalle Bamberg eingespielt, die eine große viermanualige, von Edgar Krapp disponierte Jann-Orgel in ihrem Joseph-Keilberth-Saal aufbieten kann (die Disposition findet sich in der ersten der beiden vorliegenden SACD-Folgen). Die Bamberger Symphoniker kennen ihren Konzertsaal natürlich bestens, und so überrascht es nicht, dass die klangliche Balance zwischen Orgel und Orchester ausgezeichnet geraten ist. Die manchmal auf CDs problematische Weite, die eine Orgel benötigt, wird durch den SACD-Klang quasi mit aufgeboten, auch wenn in der CD-Version die Raumgröße vielleicht etwas zu weiträumig klingt und nicht in jedem Wohnzimmer angemessen wirken mag; vor allem leidet hierunter die Prägnanz des Orchesterklanges, der immer wieder nicht so präzise übermittelt wird, wie dies in der SACD-Version der Fall ist.

In einer ganz anderen Welt sind wir, wenn Schmitt alleine an der berühmten Cavaillé-Coll-Orgel der Abteikirche St. Ouen in Rouen die sechssätzige Orgelsinfonie a-Moll op. 42 Nr. 3 darbietet. Hier klingt er nicht nur deutlich gelöster und freier als in der Orchestersinfonie, das Instrument erzeugt naturgemäß einen weitaus ‚französischeren‘ Klang als dies der Bamberger Jann-Orgel möglich ist. Auch klingt hier der SACD- wie der Stereo-CD-Klang weitaus überzeugender. So bleibt der Gesamteindruck ein zwiespältiger: Einer hervorragenden Orgel-Solointerpretation steht eine klanglich nicht ganz natürliche, vor allem auch nicht ganz idiomatisch geratene Orchester-Orgel-Einspielung gegenüber, die leider nicht das Zeug hat, eine neue Referenzeinspielung zu werden.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Widor, Charles-Marie: Orgelsinfonien op. 42 & 69

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
cpo
1
20.06.2012
Medium:
EAN:

SACD
761203767823


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Widor, Charles-Marie
 - Sinfonie Nr. 3 op. 69 für Orgel und Orchester - Introduction - Allegro - Andante
 - Sinfonie Nr. 3 op. 69 für Orgel und Orchester - Scherzo - Final
 - Sinfonie Nr. 3 op. 42 für Orgel solo - Moderato
 - Sinfonie Nr. 3 op. 42 für Orgel solo - Andante - Allegretto
 - Sinfonie Nr. 3 op. 42 für Orgel solo - Allegro ma non troppo
 - Sinfonie Nr. 3 op. 42 für Orgel solo - Lento
 - Sinfonie Nr. 3 op. 42 für Orgel solo - Finale


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Dirigent(en):Solyom, Stefan
Orchester/Ensemble:Bamberger Sinfoniker
Interpret(en):Schmitt, Christian
Solyom, Stefan


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cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


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