
Strawinsky, Igor - Der Feuervogel
Meister der Instrumentation
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Auch in seiner Einspielung von Strawinskys 'Feuervogel' knüpft Litton an ältere Interpretationstraditionen an. Das Spiel mit Klangfarben betont er nicht nur im Ballett, sondern auch den anschließenden Orchestrierungen von Werken anderer Komponisten.
Nachdem Andrew Litton in seiner Einspielung von Strawinskys 'Sacre du Printemps', die vor einiger Zeit bei BIS erschienen ist, an ältere Aufführungstraditionen anknüpfte und eine gewissermaßen ‚altmodische‘ – aber hochspannende – Perspektive einnahm, wirft er mit vorliegender Aufnahme einen faszinierenden Blick auf Strawinskys 'L’Oiseau de Feu' (Feuervogel). Auch diesmal scheint Littons Zugriff eher auf die Vergangenheit gerichtet: Der amerikanische Dirigent macht in seiner Interpretation eher deutlich, wie viel russische Tradition in Strawinskys 'Feuervogel' steckt, als eine auf die Zukunft gerichtete Perspektive einzunehmen – in diesem Falle also eine ‚französische‘. Nachdem Strawinsky unter der Obhut von Rimsky-Korsakow eine recht konventionelle Sinfonie zustande brachte, zeigte sich immer mehr, dass eine der größten Stärken des jungen Strawinsky in der Instrumentation, der Charakterisierung der Musik durch instrumentale Farben, lag. Diese Qualität, die sich durchaus auf das Erbe seines Lehrers stützen konnte, und auf Strawinskys Prägung in Russland verweist, aber gleichzeitig auf den zündenden Funken dieses jungen Komponisten, betont Litton in seiner Aufnahme – sowohl in seinem interpretatorischen Zugang als auch in der Programmzusammenstellung: An den 'Feuervogel', der hier seiner Gestalt als 1910 entstandenes Ballett, d. h. in Gänze zu hören ist, schließen sich einige Orchestrierungen von Einzelstücken anderer Komponisten (Tschaikowsky, Chopin, Sibelius) durch den jungen Strawinsky an. Man hört, mit welcher Sicherheit in der Erfindung von Klangfarben aus Instrumentenkombinationen Strawinsky die kompositorischen Verläufe und Stimmungen unterstreicht. Vor allem sein imaginativer Umgang mit den Bläsern ist bemerkenswert.
Dass Andrew Litton zusammen mit dem exzellenten Philharmonischen Orchester Bergen Strawinskys 'Feuervogel' vor dem Hintergrund der russischen Tradition interpretiert, zeigt sich zuvorderst im Umgang mit den Klangfarben und -schichtungen. Während Dirigenten, die der französischen Tradition zugerechnet werden dürfen, die mitunter opaken Klanggemische auseinander nehmen und so delikat wie luzide nebeneinander in ihrer Eigencouleur schimmern lassen, sorgt Litton für ein Ineinanderlaufen der Farben. In dem manchmal etwas dickflüssigen Klangfarben-Drink zeigen sich bunte Schlieren – Instrumentalfarben, die der Dirigent aus dem Orchesterapparat mit sicherer Hand stellenweise betont und wieder untertauchen lässt.
Dies geschieht stets in Korrespondenz zur musikalischen Substanz wie auch der dramatischen Stringenz: Littons Klangfarbenspiele sind sachdienlich und als Mittel der Spannungssteigerung eingesetzt. Ebenso spannend ist der minutiöse Umgang mit dynamischen Intensitäten, mehr noch aber der Sinn für den musikalischen Fluss. Schon in seiner 'Sacre'-Interpretation zeigte sich, dass Andrew Litton Strawinskys Musik in einen suggestiv gestalteten Fluss zu überführen versteht, wobei stets die Vorstellung der körperlich fließenden Tanzbewegung des Balletts evoziert wird. Momenten dramatischer Zuspitzungen eignet hier nicht der scharf geschnittene Klang, den man aus zahlreichen anderen jüngeren Aufnahmen kennt. Intensität schafft Litton eher aus konsequent aufgebauter Spannung, die sich dann mit klanglicher Wucht entlädt. Dass hier nicht Extreme geboten werden, mit denen Dirigenten der jüngeren Generation gerne Eindruck schinden, mag Littons Lesart etwas mild erscheinen lassen. Man darf dieser – auch klangtechnisch – glänzenden Einspielung aber attestieren, ungeheuren Schwung, Farbigkeit und Kraft zu erreichen, ohne auf äußerliche Effekte zurückzugreifen. Und das darf als großes Lob verstanden werden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strawinsky, Igor: Der Feuervogel |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
BIS Records 1 11.01.2012 |
Medium:
EAN: |
SACD
7318599918747 |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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