
Schönberg, Arnold - Pelleas und Melisande op. 5
Lichtdurchflutet
Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Jukka-Pekka Sarastes lichtdurchfluteter Zugriff auf die dichten Klangtexturen von Schönbergs sinfonischer Dichtung 'Pelleas und Melisande' gelingt vollauf überzeugend.
Jukka-Pekka Sarastes Zusammenarbeit mit dem WDR-Sinfonieorchester schlägt sich diskographisch vornehmlich in Werken des frühen 20. Jahrhunderts nieder. So hat die Profil Edition in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk neben einer Strawinsky-Einspielung nun auch eine Schönberg-Platte vorgelegt. Saraste führt zwei ausladende Werke zusammen, die Schönbergs grundlegende stilistische Entwicklungen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zeigen.
Die sinfonische Dichtung 'Pelleas und Melisande' op. 5, basierend auf Maurice Maeterlincks Drama, entstand 1902. Die Tondichtungen von Richard Strauss übten eine große Anziehungskraft auf den jungen Schönberg aus, der sich im Vorfeld an einigen sujetgebundenen Werken probierte, einiges aber wieder zur Seite legte. Der 'Pelleas und Melisande'-Stoff wurde ihm von Strauss nahegelegt. Schönberg schuf mit der rund vierzigminütigen sinfonischen Dichtung ein opulentes Werk, das Gustav Mahler als ‚enorm kompliziert‘ bezeichnete. Er verbindet darin eine spätromantische, Wagners 'Tristan' weiterführende chromatische Harmonik mit einer intrikaten Polyphonie, die Regers 'Sinfonietta' Konkurrenz macht und kleidet das Ganze in den reich schattierten Klang eines riesig besetzten Orchesters. Dieses Stück ist in vielerlei Hinsicht überbordend (Kritiker sagen: überladen), die kontrapunktische Arbeit mit den personenbezogenen Leitmotiven äußerst komplex, der orchestrale Satz höchst reichhaltig: Es gilt, thementragende Stimmen hörbar zu machen, dabei aber die vielfach differenzierten Begleitstimmen nicht in den Hintergrund zu drängen, vor allem jedoch die für die Stimmungsmalerei wesentlichen Anteile zu pflegen sowie die jugendstilhaften Ornamente nicht zu kurz kommen zu lassen. Kurz: Dem Dirigenten kommen vielfältige Aufgaben kunstvollen Disponierens zu.
Jukka-Pekka Saraste löst sie mit handwerklicher Meisterschaft und mit stringent verfolgtem interpretatorischem Konzept. Während Dirigenten wie Christian Thielemann das Opake, Rauschhafte und Sumpfige dieser Partitur betonen, geht es Saraste um eine Auflichtung der dicken Klangtexturen. Schon der Beginn wirkt, als werde musikalisch gesprochen: Die Musik bekommt bei Saraste einen fast redenden Gestus. Das Faszinierende an diesem Zugang ist, wie erhellt die Partitur dadurch wirkt, weil dort, wo Themen abgeschlossen werden (und Schönberg nicht ohne Grund oft ‚diminuendo‘ notiert), durch dynamisches Abfedern filigrane Nahtstellen entstehen, um der nächsten bedeutungstragenden Einheit Raum zu geben. Jukka-Pekka Saraste hält das Orchester dazu an, nicht lauter zu spielen als nötig ist; er spart sich die dynamischen Gipfelpunkte für die wirklichen Höhepunkte des vierzigminütigen Verlaufs auf.
Ein weiteres Charakteristikum dieser Aufnahme ist die erstaunliche Präsenz und Farbigkeit der Holzbläser. Ohne die Bedeutung des vielfach geteilten Streicherappartes zu schmälern können die Holzbläser vor allem deshalb in herausragender Weise zur Geltung kommen, weil der Orchesterklang wunderbar durchlässig gestaffelt wird. Lyrische Bewegungen im Holz oder kantige Motive im Blech lassen den Orchestersatz hinreichend deutlich wirken und tragen zu expressiver Konturierung bei. Sarastes Ansatz führt aber zuweilen – vor allem in den Passagen, deren Bewegungsgrad in schnellem Wechsel alterniert – dazu, dass der musikalische Fluss etwas stockt und gleichsam aneckt. So subtil viele Espressivo-Einsätze solistischer Stimmen beleuchtet werden, so ist doch der gesamte Verlauf nicht ganz so traumwandlerisch fluide gehandhabt, wie man das etwa bei Michael Gielen hören kann.
Das zweite Werk ist das Monodram 'Erwartung', von Schönberg 1909 komponiert. Der expressionistische Text von Marie Pappenheim regte Schönberg zu einem atonalen, in mehrerer Hinsicht grenzen- und regelsprengenden Werk für Sopran und Orchester an, das 1924 erstaufgeführt wurde. Jeanne-Michele Charbonnet zeigt sich als hinreichend fiebrig im Ausdruck, um die zahlreichen Wendungen, Abbrüche, Fragen, Eindrücke zusammen mit dem Orchester lebendigen Ausdruck zu verleihen. Die Wechsel zwischen hochdramatischer Emphase und Sprachnähe gelingen ihr vollauf überzeugend.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Schönberg, Arnold: Pelleas und Melisande op. 5 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Profil - Edition Günter Hänssler 1 04.06.2012 |
Medium:
EAN: |
CD
881488120219 |
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