> > > Petri, Michala spielt: Werke von Harvey, Arnold & Jacob
Sonntag, 24. September 2023

Petri, Michala spielt - Werke von Harvey, Arnold & Jacob

Recorder? Recorder!


Label/Verlag: Our Recordings
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Michala Petri widmet sich auf ihrer jüngsten Einspielungen einigen englischen Blockflötenkonzerten des 20. Jahrhunderts zum zweiten Mal. Das Ergebnis kann überzeugen, ist aber nicht in allen Belangen ihrer ersten Einspielung überlegen.

Es ist durchaus üblich, dass Interpreten auch auf Tonträger mehrmals auf dasselbe Werk zurückkommen. Im vorliegenden Fall allerdings ist dies eher überraschend, ist doch die Musik, um die es geht, beim besten Willen nicht zum gängigen Kanon des Repertoires zu zählen. ‚English Recorder Concertos‘ heißt der Titel der CD, und das lässt gleich mehrfach stutzen. Recorder – was ist das? Nun, wir haben es hier tatsächlich mit etwas derart Banalem wie der Blockflöte zu tun, die aber in England einen gänzlich anderen Stellenwert genießt als in anderen Ländern. Begründet ist dies in der großen Renaissance des Instruments, die Arnold Dolmetsch (1858-1940) in den Zwanzigerjahren zunächst mit Blick auf eine Wiederbelebung historischen Repertoires initiierte. Seinem Sohn (1911-1997) gelang es, Komponisten der Gegenwart dafür zu interessieren, neue Werke für das Instrument zu schreiben, und diese Tradition ist bis auf den heutigen Tag nicht mehr abgerissen.

Carl Dolmetsch war der Auftraggeber für Gordon Jacobs Suite für Blockflöte und Streicher (1957-8), ein siebensätziges Werk, das geschickt mit Traditionen spielt. Michala Petri hatte das Werk bereits 1982 für Philips eingespielt; die Aufnahme ist ebenso vergriffen wie jene (1995 bei RCA erschienene) des Blockflötenkonzerts, das Sir Malcolm Arnold 1988 für Petri komponierte. Nun bringt Petri beide Werke auf ihrem eigenen Label heraus, zusammen mit einer neuen Komposition, 'Concerto incantato' von Richard Harvey. Das 2009 entstandene, fünfsätzige Werk komponierte Harvey für das zehnjährige Jubiläum des City Chamber Orchestra of Hong Kong. Auch er betont traditionsbehaftete Linien, evoziert ländliche Landschaften, die es heute in England kaum mehr so gibt – das Booklet bezeichnet das Werk als ein ‚neues Konzert für die Harry Potter-Generation‘. Wäre dies korrekt, wie bald wäre das Werk im heutigen schnelllebigen Kulturwesen vergessen? Harvey ist ausgesprochen deskriptiv, mit extrem traditioneller Klangsprache, die gerne auch auf Filmmusik-Niveau arbeitet und Anleihen zu machen scheint bei Brittens 'Simple Symphony' oder Malcolm Arnold ebenso wie beim Musical Minimalism. Vielleicht am überzeugendsten ist der langsame Satz 'Natura Morte', mit schönen Effekten für die Solistin (aber auch einem unpassenden Panflöten-Vibrato gegen Ende des Satzes). Das City Chamber Orchestra of Hong Kong kann unter Leitung seines Chefdirigenten Jean Tourel in dieser Komposition seine Fähigkeiten bestens präsentieren, und man fragt sich, ob das Orchester (aber ohne die Solistin) nicht etwa ein durchaus respektables Orchester für Debussy und anderes wäre.

Arnolds Blockflötenkonzert (op. 133), obschon deutlich kürzer, ist sowohl interpretatorisch als auch für den Hörer anspruchsvoller: Allgemein wird anerkannt, wie gut Arnold für die jeweiligen Instrumente schreibt. Dieses Lob wird auch Gordon Jacob neidlos zuerkannt, allerdings gelegentlich mit der Einschränkung, das Ganze wirke schlussendlich zu kalkuliert, zu wenig im letzten Moment risikofreudig. Auch die Suite aus den Fünfzigerjahren ist im Grunde nicht wirklich anspruchsvoll, doch durchaus von einer Tiefe, die über das, was die Satzbezeichnungen vermuten ließen, weit hinaus geht. Wo Arnold auch extrovertiert sein konnte, ist Jacob verinnerlicht.

Die beiden Einspielungen des Arnold-Konzerts unterscheiden sich am stärksten im langsamen Satz, wo die neuere Lesart (wie häufig bei späteren Einspielungen) fast eine ganze Minute länger benötigt als die frühere. Insgesamt wirkt sie heute deutlich verinnerlichter, dadurch auch weniger virtuos als zuvor. Dem eigentlichen Wesen der Musik entspricht dies nur bedingt – Arnold ist dafür bekannt, dass seine Musik häufig gerade exuberant zu musizieren ist, gleichzeitig ohne einen Verlust an poetischer Tiefe. Im direkten Vergleich muss ich gestehen, dass mir die frühere Einspielung (die 2006 auch in der großen Decca-Box-Ausgabe der Arnold-Konzerte enthalten ist) stilistisch angemessener scheint. In der Suite (die in der neueren Einspielung stellenweiser kraftvoller genommen wird als in der früheren mit der Academy of St. Martin-in-the-Fields) spielt Petri eine etwas längere Version als 1982, die besonders die 'Burlesca alla rumba' betrifft. Hier wie dort klingt das bei Publikum wie Interpreten gleichermaßen beliebte Werk bestens, und so gibt es gleich bei welcher Wahl kein Vertun.

Nun ist Michala Petri nicht gerade bekannt als vorderste Förderin britischer Musik – wenn es um britische Blockflötenmusik geht, kommt man vielmehr nicht um John Turner herum, den viele der Branche nicht wenig kritisch beäugen, weil er weitgehend Autodidakt ist. Er scheint auch so klug gewesen zu sein, bislang nicht in Petris Repertoire ‚gewildert‘ zu haben, doch hat er zwei volle CDs mit britischen Blockflötenkonzerten des 20. Jahrhunderts vorgelegt (ASV 2002 bzw. Dutton 2005), zudem zahlreichen weiteren Produktionen mit britischer Kammermusik. Vergleicht man Turners Spiel mit dem Petris, so ist Turners Spiel vielleicht ‚ursprünglicher‘, weniger raffiniert als Petris, besonders die Piani betreffend, doch werfe der den ersten Stein, der nur einen Bruchteil jener Werke eingespielt hat, für die sich Turner eingesetzt hat.

Im Booklet spiegelt die aufnahmetechnisch tadellose Produktion vielleicht zu stark die Vorlieben der Interpretin (und Labelbesitzerin) – das Bookletdesign wirkt schon heute bei aller Hochglanzoptik ein wenig altbacken, so dass die (durchaus nicht schlechten) Texte leider ein wenig ins Hintertreffen geraten.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Petri, Michala spielt: Werke von Harvey, Arnold & Jacob

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Our Recordings
1
26.03.2012
Medium:
EAN:

SACD
747313160662


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Our Recordings

After 30 years, and more than 70 international releases with companies like Philips/Polygram, RCA/BMG, and EMI, the Danish classical artists, recorder player Michala Petri and guitarist/lute player Lars Hannibal decided in late 2006 to launch their own recording label, OUR Recordings!

As the name suggests, their releases will be recordings where either Michala Petri or Lars Hannibal or both are involved. The idea is to have the full artistic and creative freedom and responsibility to record what they feel is necessary and consistent with their desire to explore new challenges. The label releases on average, three new albums every year.

To date, OUR Recordings has released 28 critically acclaimed recordings, and has earned international recognition, including the ECHO KLASSIK Award (Germany), four Grammy Nominations (US) a Gramophone Award nomination (UK), Diapason D´OR de l´année (France) and Danish Music Award nominations.

Several ambitious cycles have already captivated collectors and critics alike, including the "East Meets West" series and Michala Petri's ongoing campaign to expand her instrument's modern concerto literature with Recorder Concertos from different countries.

OUR Recordings enjoys global distribution with NAXOS.


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