
Kreutzer Quartet - Quartet Choreography
Ein Lob auf die Audiovisualität
Label/Verlag: Metier Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das Kreutzer Quartet legt eine interpretatorisch brillante DVD mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts vor, die zudem besonderen Wert auf die visuelle Ebene legt.
‚Music should also be seen.’ Dieser Ausspruch von Igor Strawinsky steht als Motto über der bei Métier Records erschienenen DVD ‚Quartet Choreography‘, die sich gleich in mehrfacher Hinsicht als empfehlenswerte Produktion erweist. Tatsächlich geht es zunächst einmal um das Problem der Audiovisualität, das hier auf ganz besondere Weise ins Zentrum rückt. Die heutige Kontextualisierung von Musik im Rahmen technischer Medien darf nicht darüber hinweg täuschen, dass Musik generell in vielfacher Weise als intermediale Kunst aufgefasst werden kann, und zwar in dem Sinne, dass neben der auditiven Ebene auch das visuelle Elemente eine zentrale Rolle spielt. Sobald man nämlich Musik nicht nur als akustische Reizstruktur – und damit losgelöst von den Bedingungen ihrer Produktion –, sondern im Zusammenhang mit ihrer Entstehung und Wirkung betrachtet, lässt sich auch die essenzielle Bedeutung nichtakustischer Medien erkennen.
Mit der Produktion – entstanden im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Audiovisualität und in den beiden Bildformaten NTSC und PAL vorliegend – weisen die Musiker des Kreutzer Quartet (Peter Sheppard Skærved und Mihailo Trandafilovski, Violine; Morgan Goff, Viola; Neil Heyde, Violoncello) auf diese Verbindung hin und verdeutlichen ohne jegliche Showeffekte zugleich, wie durch eine durchdachte Bildregie die musikalische Wirkung gesteigert werden kann oder einem Musikstück eine weitere Ausdrucksebene zuwächst. Es ist ein Anliegen der exzellenten Kameraarbeit von Colin Still, Ray Andrew und Charles Taillard, die natürlichen körperlichen Aktionen, und die daraus resultierenden Spannungsverläufe, die zu bestimmten musikalischen Ausdruckswerten führen, herauszuarbeiten. Tatsächlich belegt dieses gelungene Konzept, wie wichtig die Bewegungen von Instrumentalisten für die Wahrnehmung von Musik sind, wie stark also letzten Ende zwei an den Körper gebundene Ebenen – die Tonerzeugung selbst und das damit verknüpfte Agieren – miteinander wechselwirken.
Die Interpretationen der vier eingespielten Streichquartette sind großartig und rundum überzeugend, zumal die Spannung des Musizierens durch das Bild adäquat unterstützt wird: Igor Strawinskys aufgrund ihrer Schwierigkeit im Konzert selten zu hörende 'Trois pièces pour quatuor à cordes' (1914) werden hier mit traumwandlerischer Sicherheit zu einem Vorläufer avantgardistischen Komponierens geformt, dem durch den Blick auf die Dramaturgie des Musizierens eine besondere Qualität zuwächst. Witold Lutosławskis bedeutendes Streichquartett von 1964, in dem die einzelnen Musiker isoliert voneinander agieren und nur an einzelnen Referenzpunkten zusammenfinden, gewinnt gleichfalls durch eine klangfarblich genaue Zeichnung. Auch hier wird die Modernität nach außen gekehrt, wozu vor allem die von den Ensemblemitgliedern durch ihre Körperhaltungen aufgebaute Spannung beiträgt.
Gerade bei der Abfilmung der Wiedergabe von György Ligetis Streichquartett Nr. 2 (1968) wird deutlich, wie stark die Musik zum Teil über die von den Musikern ausgehenden Bewegungsimpulse wirkt. Momente wie die rhythmisch komplexen Überlagerungen des Pizzicato-Satzes, die mit Spannung aufgeladenen Pausen und die komplett ohne Schnitte erfolgende visuelle Wiedergabe fesseln auf ganz besondere Weise. Als letztes und jüngstes Werk erklingt schließlich Michael Finnissys komplexes Streichquartett Nr. 2 (2006/07), dessen disparate Texturen die Musiker vor ganz besondere Aufgaben stellt, so dass hier der Aspekt der Virtuosität ins Blickfeld tritt. All dies macht den Zuschauer letzten Endes darauf aufmerksam, wie stark sich das Sehen auf das Hören auswirkt – und das ist gut so.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Kreutzer Quartet: Quartet Choreography |
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Label: Anzahl Medien: |
Metier Records 1 |
Medium:
EAN: |
DVD
809730010194 |
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Metier Records 1992 gegruendet, hat METIER schnell einen Namen fuer eine augezeichnete moderne Repertoire- und Produktionsqualitaet erworben. Metier ist mittlerweile einer der wichtigsten Namen der heutigen klassischen Musik ? durch die Zusammenarbeit mit Tonkünstlern aus Grossbritannien, aber auch international mit grossen Komponisten der Welt wie Roberto Gerhard, Charles Ives, George Crumb, Walter Zimmermann, Georg Rochberg, unter anderen. Metier stellt eine breite Auswahl von musikalischen Stilen und Ideen der ganzen heutigen Komposition vor und schliesst eine grosse Zahl von wichtigen Weltpremieren, insbesondere der Komponisten, welche von den multinationalen Firmen vernachlaessigt werden, mit ein. Metier legt keinen grossen Wert auf schwaermerisches Werbematerial, Prominenten-Empfehlungen und falsche Versprechungen, die die moderne Reklame charakterisieren, sondern einfach auf kuenstlerische Qualitaet. Metier ist daher ein unentbehrlicher Name fuer serioese Sammler. Die Firma stellt in ihrer ?Re-appraisal? (Neubewertung) Serie auch Musik der Vergangenheit dar ? zum Beispiel Bach und Beethoven, aber mit neuen Herangehensweisen von hochrangigen Künstlern, deren Erfahrung und Innovationsgeist neue, faszinierende Interpretationen hervorbringen. METIER hat 12 ?CD of the Year? und ?Critic?s Choice? Preise gewonnen und wurde 2007 ein Teil der Divine Art Gruppe. Eine neue Serie von wichtigen modernen Werken ist im Werden, abermals von sehr positiver Kritik begleitet. Mehr Info... |
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