> > > Reger, Max: Eine romantische Suite für Orchester op. 125
Freitag, 2. Juni 2023

Reger, Max - Eine romantische Suite für Orchester op. 125

Vielfarbig


Label/Verlag: Glor classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Hans Zender hat sich einigen Orchesterwerken Max Regers schon einmal gewidmet. Nun liegt eine abermalige, respektable Auseinandersetzung vor.

Zurzeit gibt es wenige regelmäßige ‚Überzeugungstäter‘ in Sachen Regers Orchestermusik, obschon dieser Schaffensbereich attraktiv und für alle Seiten dankbar ist. Hans Zender ist ein solcher Überzeugungstäter, und seine regelmäßige Tätigkeit für den Rundfunk hat es ihm ermöglicht, immer wieder Studioproduktionen einzuspielen. 1997 legte cpo eine Einspielung der 'Romantischen Suite' op. 125 vor (gekoppelt mit 'Die Nonnen' op. 112 für Chor und Orchester), eine Einspielung aus Saarbrücken vom Januar 1982. Nun kommt – abermals mit mehrjähriger Verzögerung – eine vollständige Reger-Orchester-CD unter Zender auf den Markt, entstanden 2000–2006. Wir erleben hier einen formal lichter angelegten Reger: nicht die komplexen Texturen der Sinfonietta op. 90, nicht die komplexe Struktur des Symphonischen Prologs zu einer Tragödie op. 108. Zender widmet sich abermals der 'Romantischen Suite'. Daneben sind die 'Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin' op. 128 und die 'Ballett-Suite' op. 130 zu hören. Seit Veröffentlichung des jüngst mit dem Deutschen Musikeditionspreis ausgezeichneten Reger-Werk-Verzeichnisses ist die Genese fast aller Reger-Werke mit Leichtigkeit nachschlagbar (bei nur wenigen hat die Quellenlage Lücken hinterlassen), so dass man im (anonymen) Booklettext auf den dort gegebenen Informationen aufbauen kann.

Eine Besonderheit der 'Romantischen Suite' ist zum einen die Programmgebundenheit nach Gedichten Joseph von Eichendorffs, zum anderen der teilweise geradezu impressionistische Klangeindruck, der eher untypisch für Regers Orchestermusik ist. Zu Beginn des 'Notturno' überschriebenen ersten Satzes (der im finalen dritten Satz nochmals aufgegriffen wird) sind gar nicht so entfernte Anklänge an Debussy deutlich zu hören. Leider setzt Hans Zender längst nicht alle von Regers äußerst differenzierten dynamischen Anweisungen um (gerade die heiklen Abstufungen zwischen dreifachem Piano, Pianissimo und Piano überzeugen nicht immer gänzlich) – das ist schade, hatte doch Willem van Otterloo bereits 1956 gezeigt, dass die Umsetzung dieser Angaben nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist. Auch was Regers Tempi angeht, steht Zender eher auf der etwas zurückhaltenderen Seite, sowohl bei der 'Romantischen Suite' als auch bei der 'Böcklin-Suite' gehören seine Interpretationen jeweils in das Drittel der langsamsten Einspielungen. Nun ist natürlich Geschwindigkeit an sich kein Qualitätskriterium, doch sind Metronomangaben doch wohl dazu gedacht, um eine Richtschnur zu haben, die über die Aufführungsanweisung hinausgehend den musikalischen Puls genauer auf den Punkt bringt.

Die sogenannte 'Böcklin-Suite' gehört neben den 'Mozart-Variationen' zu Regers beliebtesten Orchesterwerken, gerade auch wegen ihrer programmatischen Implikationen. Die evozierten Stimmungen sind ganz verschiedenartig, darunter (früher auch oft separat im Konzert gegeben) 'Der geigende Eremit' sowie 'Die Toteninsel', neben jener Rachmaninoffs die bekannteste ‚Vertonung‘ des Gemäldes (wobei gar nicht gesagt ist, dass Rachmaninoff und Reger dasselbe Bild kannten, denn insgesamt schuf Böcklin zwischen 1880 und 1886 nicht weniger als fünf Versionen des Gemäldes). Leider bleiben manche Kontraste der Komposition (etwa der ppp-Schluss des ‚geigenden Eremiten‘ gegen den ff-Beginn des Scherzos 'Im Spiel der Wellen') unerforscht, auch wenn Orchester und Dirigent sonst aller vielfältiger Farben und Farbschattierungen mit Leichtigkeit Herr werden.

Die 'Ballett-Suite' ist (zusammen mit der 'Lustspielouvertüre' op. 120) vielleicht Regers heiterstes Orchesterwerk. Kurz und prägnant, geradezu knackig, strich Reger noch in der Korrekturphase einen ganzen Satz. Merkwürdigerweise hat bislang kein einziger Dirigent auf Tonträger Regers flotte Tempoangaben umgesetzt. Dennoch ist mit etwas mehr als 17 Minuten Zender der bislang schnellste Interpret des Werkes. Und dennoch fehlt es mir noch gelegentlich an ‚Schmiss‘, gleich im eröffnenden Marsch etwa. Auch hier stimmen nicht immer dynamisch alle Proportionen. Im zweiten Satz 'Colombine' etwa ist für die Celli eindeutig mf vorgeschrieben, aber man hört nur die (mp bezeichneten) Oboen. Auch im dritten Satz 'Harlekin' (mit herrlichem Vivace-Tempo) oder im Larghetto 'Pierrot und Pierrette', selbst in der scheinbar so simpel-selig daherkommenden 'Valse d‘amour' sind Haupt- und Nebenstimmen nicht ganz Regers Vorgaben entsprechend voneinander differenziert – dies ein typisches Problem der ‚Übermöblierung‘, die Reger laut Wolfgang Rihm betreibt. Doch wenn solche Differenzierung in der Musik des späteren 20. Jahrhunderts möglich ist, wieso dann nicht auch bei Reger? Ein superflottes Presto-Finale fegt alle Zweifel beiseite und lässt resümieren: Man hat Spaß mit der CD, auch wenn es noch immer nicht ganz Reger ist. Die Aufnahmequalität gewährleistet beste Durchhörbarkeit, auch wenn, wie gesagt, manchmal das ‚falsche‘ Instrument besser zu hören ist als andere.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Reger, Max: Eine romantische Suite für Orchester op. 125

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Glor classics
1
01.04.2011
Medium:
EAN:

CD
4260191310364


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