> > > Schumann, Robert: Sinfonie Nr. 1 "Frühlingssinfonie"
Dienstag, 26. September 2023

Schumann, Robert - Sinfonie Nr. 1 "Frühlingssinfonie"

Eine von vielen


Label/Verlag: Glor classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Hans Zenders Interpretation der "Frühlingssinfonie" von Robert Schumann ist gelungen, sticht aber keineswegs hervor.

Eines vorneweg: Es handelt sich hier nicht um noch eine weitere Gesamteinspielung aller Sinfonien Robert Schumanns, sondern um eine Zusammenstellung eher unterschiedlicher Werke; die Erste Sinfonie ist das bekannteste Stück von ihnen. Die ‚Frühlingssinfonie‘ genannte Erste Sinfonie op. 38 begeistert durch die bisweilen ekstatische Freude über den Frühling. Schumann selbst gab ihr vermutlich diesen Untertitel und legt dem Anfangsmotto die ersten Zeilen eines Gedichts von Adolf Böttger zugrunde. Der mitunter rauschhafte Charakter der Musik passt zu ihrer Entstehung binnen weniger Tage.

Hans Zender und die Musiker des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg verstehen es, den dramatischen Charakter der langsamen Einleitung, die sich erst behutsam ins Freudige wandelt, sehr spannungsreich zu gestalten. Der Ausbruch dann gelingt entsprechend effektvoll und geladen. Zender spannt große Bögen über und innerhalb der Entwicklungen der einzelnen Sätze und erzeugt große Klarheit und Transparenz im Orchesterklang. Gleichzeitig verliert er im Fokus auf den großen Zusammenhang nicht die Details aus dem Blick: Jede Note klingt kontrolliert, das Zusammenspiel der Instrumentengruppen ist angenehm ausbalanciert und farbenreich, die Streicher rücken ein bisschen prominent im Vordergrund. Das ist aber eher den etwas blassen Holzbläsern geschuldet als zu aufdringlichen Geigern. Tempi nimmt Zender recht gemäßigt, also schnelle Passagen nicht bis an die Grenzen zugespitzt, auch wenn das bisweilen wünschenswert wäre, langsame zerdehnt er nicht.

Der auf den ersten Blick positive Eindruck dieser Interpretation wird erst getrübt, wenn man beginnt, sie mit anderen zu vergleichen. Zender leistet solide Arbeit, keine Frage, aber viele andere namhafte Orchester und Dirigenten kamen ihm hier zuvor oder zogen nach. Besonders John Eliot Gardiner hat schon 1998 deutlich gemacht, dass besonders in den lebhaften Passagen noch Luft nach oben ist. In direkter Gegenüberstellung wirkt Zender geradezu brav. Das hat auch seinen Reiz und eine innere Geschlossenheit, aber die Wirkung ist eben eine ganz andere. Beim Scherzo hingegen kommt klangliche Fülle der Lesart Zenders durchaus zugute.

Der ebenfalls 1841 entstandene Dreiteiler 'Ouvertüre, Scherzo und Finale' op. 52 ist eine ‚verkappte‘ Sinfonie ohne langsamen Satz, die Schumann mit der Verkleinerungsform ‚Symphonette‘ zu bezeichnen geneigt war. Für deutsche Verhältnisse ist das Werk erstaunlich elegant und steht den ‚ausgewachsenen‘ Sinfonien in nichts nach. Der Dreisätzer war lange Zeit ein beliebtes und häufig aufgeführtes Werk und ist erst später zurückgedrängt worden. Zender bietet ähnlich hohe interpretatorische Qualität wie in der Ersten Sinfonie, die allerdings wieder nicht aus der Masse hervorstechen kann. Hier aber lässt er das Orchester über weite Passagen eher kammermusikalisch und grazil wirken.

Der große Höhepunkt dieser CD jedoch ist die Einspielung des 'Nachtliedes' op. 108 auf einen Text Friedrich Hebbels, ein durchkomponiertes Lied für Chor und Orchester aus dem Jahr 1849. Zu Unrecht ist dieses grandiose Werk heute fast unbekannt, hatte es Schumann doch besonders geschätzt. Bislang kann man Einspielungen des Werks an den Fingern einer Hand abzählen, nur auf Videostreaming-Portalen findet man eine etwas größere Vielfalt. Das 'Nachtlied' verdient einen bedeutenden Platz neben ähnlichen kleineren chorsinfonischen Werken Johannes Brahms’, dem es möglicherweise Pate gestanden haben könnte. Das SWR Vokalensemble Stuttgart ist ein eher kleiner Klangkörper und verleiht dem Stück dadurch eine gewisse Intimität, schafft aber auch, dessen große Steigerung wirkungsvoll umzusetzen. Zender legt hier besonderen Wert auf Transparenz; Motive und Themen sind jederzeit klar auszumachen. Besonders zu Beginn herrscht der Eindruck kammermusikalischer Durchsichtigkeit vor. Zur Mitte hin wird er bei der großen Steigerung von einem spannungsgeladenenn großen Orchesterklang abgelöst, der dann bis zum Ende im Ausklang noch erhalten bleibt.

Während Zenders Dirigat kein außerordentliches Niveau erreicht, ist der tolle Gesamtklang des Orchesters hervorzuheben. Das Orchester zeichnet sich durch einen vollen und warmen Gesamtklang aus; dennoch gerät keine Instrumentengruppe zu sehr in den Vordergrund oder verschwindet im Orchesterklang. Welchen Anteil daran auch die Tonmeister haben, lässt sich freilich im Nachhinein immer nur unter Vorbehalt vermuten. Jeder der Beteiligten hat hier gute Arbeit geleistet.

Die Texte des Booklets bieten interessante und überschaubare Entstehungshinweise zu den einzelnen Werke sowie Informationen zu den Interpreten in deutsch und englisch. Sicher könnte man darüber auch ein paar Worte mehr verlieren, aber das stört nicht weiter. Positiv fallen detaillierte Informationen zu den jeweiligen Aufnahmesitzungen auf, die man nur in den wenigsten Fällen so detailliert geliefert bekommt.

Diese CD ist also eine Bereicherung für viele Hörer, die das Risiko einer gewagten oder sogar extremen Interpretation (wie jene von Gardiner) scheuen und trotzdem solide Qualität erwarten. Interessant ist die Aufnahme vor allem wegen des 'Nachtlieds'.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Schumann, Robert: Sinfonie Nr. 1 "Frühlingssinfonie"

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Glor classics
1
11.03.2011
Medium:
EAN:

CD
4260191310371


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