
Pellay, Paul - Thesaurus of Violinistic Fiendishness
Voller geigerischer Gemeinheiten
Label/Verlag: Metier Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Geiger Peter Sheppard Skærved nimmt den Zuhörer mit auf eine Reise durch Paul Pellays Capricenzkylus 'Thesaurus of Violinstic Fiendishness'.
Als 'Thesaurus of Violinstic Fiendishness', zu Deutsch ‚Kompendium geigerischer Gemeinheiten‘, bezeichnete der Komponist Alessandro Pellay (1933-2010) seinen ausgedehnten, zwischen 2002 und 2004 entstandenen und insgesamt sieben Bücher umfassenden Zyklus von Solostücken für Violine. Die ebenso heterogene wie schwierige Werkreihe, die sich entweder – wie in Book I, II, III und VII – aus einzelnen, kaum jemals länger als drei Minuten dauernden Charakterstücken zusammensetzt oder – wie in Book IV bis VI – jeweils größere, poetisch motivierte Zusammenhänge als eine Gesamtheit aus unterschiedlichen Facetten ausbildet, steht deutlich in der Tradition des virtuosen Capriccios: aufgefasst als ‚Laune‘, ‚besonderer Einfall‘ oder ‚Eigensinn‘ und damit eine allgemeine Einstellung gegenüber dem Außergewöhnlichen ausdrückend.
Da gibt es Stücke mit illustrativem Charakter, etwa 'Riding the Comet’s Tail' (Book I), einer Hommage an den 1997 am Nachthimmel sichtbaren Kometen Hale-Bopp, die sich – durchbrochen von einzelnen Flageoletts – in raschen Bewegungen, Doppelgriffen und Akkorden ergeht. Oder es gibt, Titel wie 'Consolazione per Condoleezza' (Book I), eine Anspielung an die ehemalige US-Außenministerin 'with her strange mix of the eloquenly articulate and the frigidly inscrutable' enthaltend, wie 'Skullbone Skerzo' (Book III) oder der als endgültiger Schlusspunkt voller eruptiver Energie gesetzte 'Cosmic Buckaroo' (Book VII). Am einfachsten ist es allerdings, wenn man sich die Musik zunächst einmal ohne Kenntnisnahme der Titel anhört und sich von den Teils extrem schwierigen Anforderungen an den Geiger beeindrucken lässt. Und da kommt man schon ins Staunen: Was nämlich der Geiger Peter Sheppard Skærved hier leistet, ist beachtlich und beeindruckend, scheint ihm doch kein technischer Kunstgriff zu schwer: Unter seinen Händen glitzern, schimmern und blitzen die Miniaturen.
Die Techniken gehen an die Grenze, verbinden Bekanntes mit erweiterten Fragestellungen für die Intonation und Griffproblemen für eine erweiterte Harmonik, und manchmal geht Pellay auch klanglich bis in die Regionen des Geräuschs, auch wenn solche Passagen eher selten sind. All dies strotzt nur so vor Schwierigkeiten, und natürlich macht es durchaus Freude, den virtuosen Verschlingen von Skærveds Vortrag zu folgen: dem wilden Akkordspiel, dem Verstimmen der Saiten, den Wendungen und Kniffen der Bogentechnik, den ungewöhnlich mit Zupfen und Trillern begleiteten Melodiebögen oder den perkussiven Aktionen. Auf die Dauer aber stellt sich hier dasselbe Problem ein, das man bei virtuoser Musik häufiger hat: der visuelle Eindruck, der die Mühe des Abarbeitens an den vorgegebenen Aufgabenstellungen und die körperliche Extremleistung bei ihrer Bewältigung zeigt, fehlt völlig.
Gerade dort etwa, wo Pellay Elemente wie Fußstapfen – so in 'Cannibal Planet (Saturno devorando a un hijo) ' aus Book II oder in dem wild auf den Saiten gezupften und auf dem Violinkorpus geschlagenen 'Marica trinfál de Diablo Tejano' aus Book VII – einbezieht, wird einfach überdeutlich, dass es sich bei Musik eben doch um eine audiovisuelle Angelegenheit handelt. Dies gilt umso mehr, als der Zyklus zwar frech sein möchte, sein bisweilen grotesk durch Virtuosität ausgedrückter Humor sich aber allein durchs Hören nicht mitteilt, sondern mitunter (um hier ein Bild zu gebrauchen) im Sand versickert. Auch wenn die Doppel-CD in ihrer Ganzheit ein nicht immer ganz einfaches, manchmal auch mühsames Hörerlebnis bietet und sich damit eher an den Liebhaber extremer Virtuosität richtet, gilt jedoch dem Label ein großes Lob, da es – nach den im vergangenen Jahr veröffentlichten und gleichfalls von Skærved eingespielten 'Caprice Variations' George Rochbergs – weiterhin ein solches Spezialrepertoire in seinem Katalog beherbergt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Pellay, Paul: Thesaurus of Violinistic Fiendishness |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Metier Records 2 27.01.2012 |
Medium:
EAN: |
CD
809730852725 |
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