
Heinrich Schütz: Zwölf geistliche Gesänge - Gesamteinspielung (Carus), Vol. 4
Werke im Schatten
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Heinrich Schütz' 'Zwölf geistliche Gesänge' in einer absolut zutreffenden Deutung durch Hans-Christoph Rademann und seinen Dresdner Kammerchor.
Man kann mit dem Schütz-Kenner Otto Brodde die nun im vierten Teil der Gesamteinspielung des Werkes Heinrich Schütz’ durch Hans-Christoph Rademanns Dresdner Kammerchor zu Gehör gebrachten, im Jahr 1657 veröffentlichten 'Zwölf geistlichen Gesänge' als anderen Teil der 'Geistlichen Chormusik' bezeichnen: In deutlich schlichterer Affekthaltung als die wenige Jahre zuvor gedruckten Sätze bleibt Schütz gleichwohl der alten Satztechnik verpflichtet und erhebt für das motettische Prinzip vollen Geltungsanspruch – auch wenn er sich verschiedenen gottesdienstlichen Formen zuwendet, nachdem die 'Geistliche Chormusik' Motetten für das Kirchenjahr versammelt hatte. Nun gibt es also deutsche Sätze des Messordinariums, ein deutsches Magnificat für den Vespergottesdienst und Gesänge für die von Brodde so bezeichnete ‚Hauskirche’ – deren bekanntester wohl 'Aller Augen warten auf dich, Herre' SWV 429 sein dürfte. Schütz balanciert in diesen Kompositionen satztechnische Perfektion, textdeutende Gestik und eine sehr konzentrierte Klanghaltung gelungen aus. Vielleicht gerät die lineare Invention in den Soggetti etwas schlichter und weniger individuell als noch in der 'Geistlichen Chormusik'.
Interessant an dieser Sammlung ist auch, dass sie mit Christoph Kittel einen Schüler Schütz’ als Herausgeber hatte, dem mit vollem Einverständnis des Komponisten wohl auch an der langfristigen Absicherung des Nachruhms des zu dieser Zeit schon mehr als siebzig Jahre alten Schütz gelegen war. Dass der sächsische Meister noch eineinhalb Jahrzehnte leben und vor allem enorm fruchtbar – man denke nur an die Historien und Passionen – würde weiterarbeiten können, war im Jahr 1657 für den gesundheitlich bereits deutlich angeschlagenen Komponisten keineswegs abzusehen.
Kongenial in der Schlichtheit
Diese nicht unbedingt bewegungsreiche Musik verlangt nach einer klaren, nuancenreichen, sprachnahen Deutung – all dem wird der von Hans-Christoph Rademann geleitete Dresdner Kammerchor mehr als gerecht. In konzentrierten und zugleich sehr charakteristisch ausgeprägten Registern entfaltet sich ein schlanker Chorklang von durchsichtiger Linearität. Die 18 Sängerinnen und Sänger lassen sich sehr deutlich auf den über weite Strecken schlichten Duktus der Sätze ein. Belebt wird die Szenerie durch eine außerordentlich präzise und plastische Diktion, ohne dass dieser Aspekt störend in den Vordergrund rückte. In den freier fließenden Sätzen wie dem Psalm 111 'Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen' oder auch im satztechnisch variantenreicheren deutschen Magnificat zeigt sich der Chor agil und lebendig, ganz der Musik Schütz’ nachspürend. Doch kommen die interpretatorischen Qualitäten und Erfahrungen des Ensembles gerade in der formal eintönigen Litanei zum Tragen: Hier avanciert die intensive, überzeugende Arbeit mit dem Text zum entscheidenden Mittel der Deutung.
Rademann unterstreicht einmal mehr, wie klar ihm Schütz’ Musik ist – durch seine Wortorientierung und Sprachnähe. Hier folgt er einem natürlichen Duktus, nichts wird überbetont und doch größter Wert auf plastisch gezeichnete Figuren gelegt. Zudem wird die Sprache bei aller Kantabilität sinnfällig betont und ist nie auf die Endklänge hin orientiert.
Im durchaus ansprechenden Booklet weist Oliver Geisler auf etliche interessante Aspekte der angestrebten Nachwirkung dieser Sammlung ebenso wie auf den oft unterschätzten Rang dieser Kompositionen hin. Allerdings ist die Textbeigabe wiederum etwas zu knapp gehalten, hätte man gerade bei diesen diskographisch weniger präsenten Werken analytisch etwas stärker in die Tiefe gehen können. Das Klangbild ist dem interpretatorischen Ansatz in seiner plastischen Konzentration und klaren Durchhörbarkeit nah, der Raumanteil ist strikt kontrolliert.
Schon mit dieser vierten Folge der Gesamteinspielung ist klar, dass die Reihe gerade im üblicherweise eher randständigen Schütz-Repertoire Gewichtiges leisten wird und das Schütz-Bild einer hoffentlich breiteren Hörerschaft kompletter werden lässt. Rademann nötigt den eher schlicht gehaltenen Sätzen keinerlei Äußerlichkeiten auf, arbeitet aber das sprachdeutende und damit expressive Potenzial heraus, wo es sinnvoll ist. Respekt verdient, wie uneitel im Sinne der Werke interpretiert wird und wie engagiert sich der Chor und sein Leiter in diesem Projekt auch den ‚Nebenwerken’ widmen – die freilich, die Aufnahme unterstreicht das, einiges Gewicht haben.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Heinrich Schütz: Zwölf geistliche Gesänge: Gesamteinspielung (Carus), Vol. 4 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Carus 1 01.02.2012 060:01 2009 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4009350832398 8323900 |
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"Die Gesamtaufnahme der Werke von Heinrich Schütz mit dem Dresdner Kammerchor und Hans-Christoph Rademann bei Carus geht weiter voran und präsentiert in der vierten Folge die Zwölf Geistlichen Gesänge (SWV 420-431). Es handelt sich um die derzeit einzige erhältliche Einspielung des Zyklus, was sehr verwundert, da z.B. mit Aller Augen warten auf dich, Herre SWV 429 eines der populärsten Vokalwerke des Komponisten enthalten ist. Womöglich haben sich viele Interpreten von der recht untertriebenen Äußerung des Komponisten über die Stücke irreleiten lassen, der sie bescheiden als in seinen „Neben-Stunden auffgesetzet“ bezeichnet hat. Die 1657 erschienenen zwölf vierstimmigen motettischen Sätze weisen jedenfalls alle Qualitätsmerkmale seines reifen Stils auf, der den einfachen homophonen Satz ebenso effektvoll einzusetzen weiß wie anspruchsvolle Polyphonie. Sie sind damit so etwas wie ein Gegenstück zur 1648 erschienenen Geistlichen Chormusik, nur dass Schütz hier mehr auf den praktischen Gebrauch im Gottesdienst und auf die Ausbildung der Dresdner Kapellknaben achtete." |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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