> > > Werke von Praulins, Börtz, Rasmussen u.a.: Die Nachtigall
Sonntag, 24. September 2023

Werke von Praulins, Börtz, Rasmussen u.a. - Die Nachtigall

Amsel, Lerche und Nachtigall


Label/Verlag: Our Recordings
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Ungewöhnliche Besetzung: Blockflöte und Vokalensemble. Vier Kompositionen zeitgenössischer "nordischer" Komponisten demonstrieren das enorme Potenzial dieser interessanten Kombination. Hervorragend interpretiert und aufgenommen.

Die dänische Blockflötistin Michala Petri ist nicht nur eine technisch versierte Interpretin, sondern – und das unterscheidet sie von so manchem Virtuosen – stets neugierig und bereit, unbekannte Wege zu beschreiten und Neues zu entdecken. Bisweilen wirkt sie überhaupt erst anregend. Davon gibt die aktuelle Platte, die wieder beim Label OUR Recordings als klangtechnisch perfekt gestaltete SACD erschienen ist, beredtes Zeugnis ab, denn gäbe es Michala Petri nicht, gäbe es nicht nur diese Aufnahme nicht, sondern wohl auch nicht die eingespielten Werke. ‚Normal’ ist hier nichts; allein die Besetzung kündet von Außergewöhnlichem: Blockflöte und Vokalensemble. Dass viele Blasinstrumente, insbesondere aber die Blockflöte, der menschlichen Stimme nahe stehen, ist bekannt. Unproblematisch ist die Kombination jedoch nicht, und meist wird das Instrument zum bloßen Beiwerk degradiert. Von diesen Schwierigkeiten zeugen auch die vier zeitgenössischen Kompositionen, die es hier zu entdecken gilt.

Vom Einzelwerk zum Projekt

Den Ausgangspunkt für das ganze Projekt bildet Daniel Börtz (geb. 1939) mit 'Nemesis divina', das 2006 komponiert und ein Jahr später mit Michala Petri uraufgeführt wurde. Der schwedische Komponist hat in seinem Werk Teile aus dem gleichnamigen Text des Naturforschers Carl von Linné vertont, der um theologische Fragen kreist. Die ungewöhnliche Besetzung regte nun zu weiteren Kompositionen verschiedenen Zuschnitts an. Der Lette Ugis Praulins (geb. 1957) hat 2010 eine neunteilige Vertonung von Hans Christian Andersens Märchen von der Nachtigall, das bereits Igor Strawinsky in Musik gebracht hat, vorgelegt. Von Sunleif Rasmussen (geb. 1961), einem Komponisten von den Fär-Inseln, stammt das 2011 komponierte 'I' auf schwierige, philosophisch durchdrungene Verse von Inger Christensen, deren Zahlenspiele Ausgangspunkt des kompositorischen Materials wurden. Es erleichtert das Verständnis nicht, dass die Verse Christensens selbst ein Reflex auf ‚Eine Amsel dreizehnmal gesehen‘ von Wallace Stevens darstellen. Ebenfalls 2011 schrieb der dänische Komponist Peter Bruun seine '2 scenes with skylark' auf Gedichte von Gerard Manley Hopkins. Es sind also Texte verschiedensten Inhalts und Stils, die als Ausgangspunkt zur Komposition dienten. Es fällt jedoch auf, dass in drei von vier Fällen ein Vogel eine wesentliche Rolle spielt; das ist sicher kein Zufall, bietet sich die Blockflöte doch perfekt an, die Vogelstimmen zu imitieren, von denen im Text die Rede ist. Da sind wir bei der eingangs erwähnten Problematik, denn in allen vier Stücken spielt die Blockflöte eine untergeordnete Rolle. Gesungen werden alle Texte übrigens in englisch, und auch das großzügig gestaltete und reich bebilderte Booklet bietet lediglich englischsprachige Einführungstexte.

Musikalisches Märchen

Dass vier verschiedene Komponisten zu vier verschiedenen Themen eine je eigene Musik schreiben, liegt auf der Hand. Hauptwerk der Platte ist Praulins 'Nachtigall' mit ca. 25 Minuten Dauer. Das Stück hat eine in dieser zwingenden Form unerwartet unmittelbare Wirkung und ist der beste Beweis für das Potenzial, das in dieser Besetzung liegt. Der Komponist verlangt insbesondere dem Chor einiges ab; das Stück lebt vom blitzschnellen Wechsel verschiedener Stimmungen und Stile, um dennoch einen ungemein geschlossenen und ‚stimmigen’ Eindruck zu hinterlassen. Das mit hervorragenden Stimmen ausgestattete Danish National Vocal Ensemble meistert diese Partitur unter der Leitung von Stephen Layton mit Bravour. Während Andersens Märchen im Fernen Osten spielt, gibt es im vertonten Text keine Hinweise auf Nationalitäten, und in der Musik fehlt zum Glück das für Komponisten früherer Generationen zweifelsohne unvermeidliche Lokalkolorit. Praulins fängt die märchenhafte Atmosphäre auf ‚universell’ klingende Weise perfekt ein: die Stimmung des ‚es war einmal’ wird durch Versatzstücke wie z. B. Kadenzformeln alter Vokalpolyphonie evoziert. Die Tonsprache der anderen Werke ist dem jeweils schwierigeren Sujet angemessen; diese Werke entfalten zwar keine so unmittelbare Wirkung, sind gegebenenfalls aber – im Detail betrachtet und analysiert – substanzieller.

Hervorragende Leistung aller Beteiligten

Die Leistung des dänischen Vokalensembles wurde bereits gewürdigt. Es verdient Anerkennung, in welch treffender Weise dieser Chor zwischen verschiedenen Stimmungen und Gesangstechniken changieren kann, wie unmittelbar sich der Klang vom homogenen Chorklang wandeln kann zu einem aufgefächerten Panorama, in dem jede Einzelstimme klar vernehmbar ist. Michala Petri, der – wie bereits angedeutet – unterm Strich weniger Aufgaben zufallen, als man von einem reinen Soloprogramm erwarten würde, meistert selbige mit der von ihr bekannten Bravour. Vieles in dieser Musik entfaltet angesichts der süß-traurigen, wunderschön gesungenen Vogelstimmen erst seine volle Wirkung.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Werke von Praulins, Börtz, Rasmussen u.a.: Die Nachtigall

Label:
Anzahl Medien:
Our Recordings
1
Medium:
EAN:

SACD
747313160563


Cover vergössern

Our Recordings

After 30 years, and more than 70 international releases with companies like Philips/Polygram, RCA/BMG, and EMI, the Danish classical artists, recorder player Michala Petri and guitarist/lute player Lars Hannibal decided in late 2006 to launch their own recording label, OUR Recordings!

As the name suggests, their releases will be recordings where either Michala Petri or Lars Hannibal or both are involved. The idea is to have the full artistic and creative freedom and responsibility to record what they feel is necessary and consistent with their desire to explore new challenges. The label releases on average, three new albums every year.

To date, OUR Recordings has released 28 critically acclaimed recordings, and has earned international recognition, including the ECHO KLASSIK Award (Germany), four Grammy Nominations (US) a Gramophone Award nomination (UK), Diapason D´OR de l´année (France) and Danish Music Award nominations.

Several ambitious cycles have already captivated collectors and critics alike, including the "East Meets West" series and Michala Petri's ongoing campaign to expand her instrument's modern concerto literature with Recorder Concertos from different countries.

OUR Recordings enjoys global distribution with NAXOS.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Our Recordings:

  • Zur Kritik... Unbekannte Blockflöte: Die Blockflötistin Michala Petri erweist sich als Meisterin unbekannten zeitgenössischen Repertoires. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Verstörend schön: Das dänische Label OUR Recordings hat Axel Borup-Jørgensen eine Box gewidmet. Weiter...
    (Miquel Cabruja, )
  • Zur Kritik... Anverwandelt: Eine tolle Kammermusikformation hat sich da zusammengefunden: Petri, Perl und Esfahani musizieren intensiv, schlüssig und inspiriert. Diese Drei haben ihren Bach verstanden. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
blättern

Alle Kritiken von Our Recordings...

Weitere CD-Besprechungen von Christian Vitalis:

  • Zur Kritik... Bretonische Legende auf der Opernbühne: Ordentliche Aufnahme aus Liège der heute recht unbekannten Oper 'Le Roi d'Ys' von Édouard Lalo. Zwar nicht Referenzklasse-Niveau, angesichts der geringen Auswahl aber dennoch empfehlenswert, sofern man sich für die Oper interessiert. Weiter...
    (Christian Vitalis, )
  • Zur Kritik... Homogener als erwartet: Eine Gegenüberstellung von Orgelwerken finnischer Komponisten und solchen von J. S. Bach und Buxtehude bietet Kari Vuola mit dieser Platte. Faktisch fallen die im Titel versprochenen Kontraste geringer aus als erwartet. Weiter...
    (Christian Vitalis, )
  • Zur Kritik... Stille und Einkehr: Es sind hier drei Konzertstücke zu hören, deren Entdeckung eine lohnende Bereicherung ist. Der Japaner Toshio Hosokawa versteht sich auf Musik an der Grenze zur Stille. Gelungene Interpretationen aus Luxemburg. Weiter...
    (Christian Vitalis, )
blättern

Alle Kritiken von Christian Vitalis...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (4400 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Ignaz Joseph Pleyel: String Quartet Ben 342 in D major - Allegro molto

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich