
Strauss, Richard - Ariadne auf Naxos
Legendär
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese 'Ariadne' ist ein Muss für jeden Opernliebhaber - einer der ganz großen, legendären Abende der Wiener Staatsoper.
Es gab sie und es gibt sie noch, die magischen Opernabende, die eine künstlerische Höhe und Kraft der Ausstrahlung und Interpretation erreichen, die nicht im Vorfeld von den Medien gemacht ist. Abende, die aufgrund ihrer künstlerischen Substanz strahlen. Einer dieser Abende ist die legendäre Premiere von Richard Strauss’ 'Ariadne auf Naxos' am 20. November 1976 in der Wiener Staatsoper. Der österreichische Rundfunk war damals live dabei, und diesem Umstand verdankt sich der klanglich exzellent aufbereitete Mitschnitt dieser auch nach über 25 Jahren bemerkenswerten und atmosphärisch dichten Aufführung.
Am Pult: Strauss-Kenner Karl Böhm, der das süddeutsch-österreichische Idiom der Musiksprache als junger Dirigent noch vom Münchner Meister selbst lernte. Bereits 1944 hatte er am selben Ort die Festaufführung der 'Ariadne' zu Strauss’ 80. Geburtstag dirigiert (auch hiervon ist übrigens ein Mitschnitt überliefert, der auf diversen Labels erschienen ist). Böhms ungemein differenzierte Lesart dieser verspielten und unter seiner Leitung niemals distanziert oder schwülstig werdenden Musik hat Referenzcharakter. Hier bekommen die kleinsten Nebenstimmen Bedeutung, es atmet, pulsiert und pocht hitzig, leidenschaftlich, humorvoll überdreht und mit einer faszinierenden Gratwanderung zwischen Parlandostil, dem fast – aber eben nur fast – überdrehten Spiel der Commedia dell’arte und dem fast – aber eben nur fast – großen Pathos der Tragödie in den sich unwiderstehlich steigernden letzten 30 Minuten Oper. Die Wiener spielen dabei mit einer beseelten Wärme der Streicher und einer musikantischen Unbekümmertheit der Bläser, dass es eine wahre Freude ist.
Auf solchem Fundament lässt es sich trefflich agieren und singen. Walter Berry, der Mozart-erfahrene Kammersänger der Staatsoper, bietet als Musiklehrer seine gesamte sängerische Autorität auf und ist im Vorspiel ungewöhnlich präsent. Wie überhaupt die Personage des Vorspiels Kabinettstück an Kabinettstück reiht, auch, weil sie das rechte Komödienidiom trifft. Heinz Zedniks Tanzmeister und Barry McDaniel (Harlekin), Kurt Equiluz (Scaramuccio), Manfred Jungwirth (Truffaldin) und Gerhard Unger (Brighella) sind Sängerdarsteller, wie man sie selten findet. Hier gehen Singen und Darstellen eine Verbindung ein, die sich auch bei der bloßen akustischen Wiedergabe als mustergültig erweist. Deutlich merkt man, dass hier kein bunt zusammengewürfelte Sängerriege auf der Bühne steht, sondern eine Ensemble, das rollendeckend besetzt ist, eine klares Verständnis der Rollen mitbringt, geradezu schlafwandlerisch aufeinander reagiert und eine Tradition pflegt, die im Spielbetrieb der meisten heutigen Bühnen verloren gegangen ist. Die Quartette der Commedia-Truppe im Opernteil wird man kaum besser hören können.
Der Abend ist aber auch und vor allem bemerkenswert, weil er damals zwei jungen, noch wenig bekannten Sängerinnen ein Podium bot, das den Beginn zweier Weltkarrieren bedeuten sollte. Für beide war die Wiener Staatsoper die Wiege ihres Durchbruchs. Agnes Baltsa, die griechische Mezzosopranistin, debütierte an diesem Abend in der Rolle des Komponisten: emotional, mit knabenhafter Schwärmerei, mit groß aufblühender, farbiger Stimme. Und Edita Gruberova etablierte sich mit ihrem Zerbinetta-Debut für mindestens zwanzig Jahr als führende Vertreterin dieser Partie. Manche Raffinesse (manche mögen sagen: Künstlichkeit), die sie in späteren Jahren ihrer großen Szene 'Großmächtige Prinzessin' abgewinnen wird, mag hier noch fehlen, doch die frische Keckheit, die scheinbare Unbekümmertheit, die elegante Linienführung, das brillante Feuerwerk der Koloraturen, die Nonchalance ihrer Rolleninterpretation ist begeisternd und eines jener vokalen Ereignisse, das man nicht mehr vergisst, wenn man es einmal gehört hat. Die Ovationen für sie, so ist nachzulesen, müssen endlos gewesen sein.
Die Titelpartie ist mit Gundula Janowitz mit einer der international führenden Fachvertreterinnen der Zeit ideal besetzt. Die Steigerung von Klage und Sehnen hin zum Todes- und Liebesrausch ist mit der trunkenen Klangschönheit ihres in unzähligen Schattierungen strömenden, dabei stets hellen Soprans gestaltet. Ihre angenehm vibratoarme Stimme macht sie zu einer idealtypischen Rollenvertreterin, der man heute, da die Partie meist dramatischer besetzt wird, nur noch selten auf der Bühne begegnet. An ihrer Seite steht einer der besten Interpreten des Bacchus überhaupt: James King. Sein eleganter, zwischen lyrischer Emphase und kraftvoller Beständigkeit mühelos wechselnder Tenor ist von einer Leuchtkraft geprägt, die ihn gerade in seinen großen Strauss- und Wagner-Rollen zum exemplarischen Interpreten werden ließ. Die große Duett-Szene ist ein berauschendes Fest der Stimmen.
Diese 'Ariadne' gehört in jede Sammlung. Sie ist nahezu allen erhältlichen Studioproduktionen weit überlegen und hat zahlreiche Momente, die man sich anders nicht mehr vorstellen mag, wenn man sie hier einmal gehört hat.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Strauss, Richard: Ariadne auf Naxos |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORFEO 1 15.11.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790817224 |
![]() Cover vergössern |
ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag ORFEO:
-
Blicke über den Rand hinaus: Wer seinen Opernhorizont erweitern will oder endlich all diese wertvollen oder einfach besonderen Aufnahmen preiswert im Regal stehen haben möchte, der sollte hier unbedingt zugreifen. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Unerhört aufregend: Der 26-jährige Samuel Mariño lässt mit seinem außergewöhnlichen Sopran und Raritäten von Händel und Gluck die Ohren klingeln. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
-
Seelenmusik: Pavol Breslik gelingt mit Janáceks 'Tagebuch eines Verschollenen' ein rundum authentisches und eigenwilliges Album. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
Weitere CD-Besprechungen von Frank Fechter:
-
Frischer Furor mit Grenzen: Die engagierte Neueinspielung von Mozarts früher 'Betulia liberata' unter Michi Gaigg scheitert leider an einem jungen Sängerensemble mit gesangstechnischen Defiziten. Weiter...
(Frank Fechter, )
-
Felix Weingartners Lieder: Keine lohnende Entdeckung sind Felix Weingartners Lieder, die stilistisch mehr reagieren als innovativ zu sein. Die Interpretationen junger Sänger können darüber nicht hinweghelfen. Weiter...
(Frank Fechter, )
-
Weills Kinderpantomime: Kurt Weills wiederentdeckte Musik zu einer Kinderpantomime gewährt einen Blick auf seine frühen Jahre. Die gelungene Ersteinspielung klingt idiomatisch und macht neugierig auf eine Bühnenaufführung. Weiter...
(Frank Fechter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Späte Orgelromantik eines unbekannten Komponisten: Die vorliegende Aufnahme zeigt, dass Hans Fährmann (1860-1940) der Tonsprache der Spätromantik verhaftet blieb. Weiter...
(Diederich Lüken, )
-
Es muss nicht immer Elgar sein: Plädoyer für zwei mehr oder minder vergessene britische Komponisten. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Große Geigenkunst: Intelligent, sauber, mit Format gegeigt: Herwig Zack überzeugt auf ganzer Linie. Weiter...
(Manuel Stangorra, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich