
Tölzer Knabenchor - Römische Mehrchörigkeit
Raumklang und Scheinpolyphonie
Label/Verlag: Spektral
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Obwohl die noch spürbar ausbaufähigen Sänger des Tölzer Knabenchores einige interpretatorische Schwächen hörbar werden lassen, beeindruckt vor allem die überraschende kompositorische Qualität von 16-stimmiger Benevolis Messe.
Ein 16-stimmiges 'Dixit Dominus' von einem Knabenchor singen zu lassen, ist auf den ersten Blick eine recht spannende Herausforderung, zumal die insgesamt vier Chöre – gemäß dem Anspruch einer historischen Aufführungspraxis – räumlich voneinander getrennt positioniert werden. Umso erstaunlicher ist, dass die Chöre in Giuseppe Ottavio Pitonis Komposition nicht nur in sich weitestgehend homophon gesetzt sind, sondern darüber hinaus ein insgesamt erstaunlich geschlossener Grundklang intendiert ist. Der Autor Booklets vorliegender Einspielung verwendet in diesem Zusammenhang in einem exzellenten Einführungstext den Begriff der ‚Scheinpolyphonie‘ – ein Ausdruck, der hier vollkommen angemessen zur Anwendung gebracht wird. Der Eindruck einer vor allem klanglich konzipierten Komposition und einer weniger die Horizontale betonenden Komposition wird durch die stellenweise uneinheitliche Interpretation gerade in Hinblick auf die textliche Deklamation des Tölzer Knabenchores verstärkt. Die sparsam gesetzten, aber überraschenden harmonischen Gänge rücken so vielfach in den Hintergrund. Dies hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Gesamtklang, der durch die teils nicht in sich geschlossenen Oberstimmen manchmal leider aufgebrochen wird.
Von weitaus überzeugenderer Wirkung ist die Interpretation von Orazio Benevolis 'Missa Tira Corda'. Trotz der ebenfalls vierchörigen Aufteilung ist hier ein entscheidend dichterer Zusammenklang gegeben, welcher vor allem im 'Kyrie' eine ergreifende Wirkung erzielt. Die Konzeption des 'Gloria' verlangt aber weitaus mehr Präzision in den Einzelstimmen. Die vielfach zögerlichen Stimmeinsätze sorgen für eine uneinheitliche Gesamtwirkung; die Deklamation des Textes zeigt bei den häufig zu hellen, zu offenen Vokalen wie a und o besonders in den Oberstimmen einige Schwächen auf. Das 'Credo' dagegen beeindruckt vor allem aufgrund seiner rhythmischen Disposition und der geforderten interpretatorischen Flexibilität. Die Chöre erfassen hier sehr gut die Betonungsschemata des schwingenden 3/2-Taktes; auch die interessanten, unerwarteten melodischen Wendungen werden von den Sängern bestmöglich vermittelt. Der erfreuliche Eindruck der Komposition setzt sich im 'Sanctus' und 'Agnus Dei' fort, obwohl die interpretatorische Qualität der Sänger gerade hier noch deutlich ausbaufähig ist. Hervorzuheben ist aber letztendlich, dass mit Benevolis Messe eine Ersteinspielung vorliegt, deren Intentionen laut CD-Cover ‚Originalklang‘ und die Aufführungspraxis mehrchöriger Aufstellung des 17. Jahrhunderts in Rom sind. Diesem Anspruch wird Gerhard Schmidt-Gaden mit seinen Tölzer Knaben insgesamt doch über weite Strecken gerecht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Tölzer Knabenchor: Römische Mehrchörigkeit |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Spektral 1 01.09.2011 |
Medium:
EAN: |
SACD
4260130380892 |
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