
Strauss, Richard - Capriccio
Brillantes Opernproblem
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Richard Strauss' letzte Oper 'Capriccio' überzeugt in der Inszenierung von Robert Carsen. Renée Fleming führt als Gräfin eine hochkarätige Besetzung an.
Noch jede namhafte Strauss-Interpretin hat die Partie der Gräfin gesungen. Auch die allseits gefeierte Sopranistin Renée Fleming, die 2004 im Palais Garnier der Opéra national de Paris in der Hauptrolle von Richard Straussʼ letzter Oper 'Capriccio' brillierte. Und sie wird ja zu recht gefeiert: Die Amerikanerin ist jederzeit souverän, ihre Darbietung glamourös und warmherzig zugleich. Über ihren vielgelobten Sopran ist hier nichts hinzuzufügen; erwähnt seien aber doch die hohe Legatokultur, die Klangschönheit.
Hochkarätig
Die Inszenierung von Robert Carsen ist hochkarätig besetzt und überzeugt gesanglich und darstellerisch bis in die Nebenrollen (etwa mit Robert Tear bei seinem kurzen Auftritt als Souffleur). Rainer Trost ist ein lauterer Flamand; allerdings klingt sein Tenor manchmal angestrengt in der Höhe. Bariton Gerald Finley gibt den Dichter Olivier kraftvoll und sensibel. Franz Hawlata formuliert als pragmatischer Theaterdirektor La Roche ein Plädoyer für ein Theater der Bewahrung und Erneuerung: ‚Voll Pietät hüte ich das Alte, harre geduldig des fruchtbaren Neuen, erwarte die genialischen Werke unserer Zeit!‘ Dietrich Henschel gibt einen unaufdringlichen Grafen, Anne Sofie von Otter die Diva Clairon. Nicht minder überzeugend gerät das verschnörkelte Belcanto-Duett der beiden italienischen Sänger (Annamaria DellʼOste, Barry Banks). Die Ensembles sind sehr genau geführt (das Oktett!). Das von Ulf Schirmer geleitete Orchester der Nationaloper bietet üppigen Schmelzklang. Die verschwenderische Melodiosität der Straussʼschen Partitur, ihre gediegene Kulinarik breitet es sorgsam aus. Doch vielleicht liegt es im Wesen des flexiblen Konversationstons, dass er manchmal Kontur zu verlieren droht. Zitate klingen an und eine Neoklassik à la 'Ariadne auf Naxos'.
Selbstbespiegelung
Das von Strauss gemeinsam mit Clemens Krauss verfasste Libretto verhandelt die alte Streitfrage, ob in der Oper der Dichtung oder der Musik der Vorrang gebühre. Diese Selbstreflexivität und Diskursivität machen das Moderne von 'Capriccio' aus. Gleichwohl bleibt die Form geschlossen, bleiben desillusionierende Verfahren außen vor: Die Selbstbespiegelung der Gattung zeigt sich im symmetrischen Aufbau mit dem Höhepunkt im Zentrum des einaktigen Geschehens, vor allem aber ist sie zu Handlung geworden. Dichter und Komponist verkörpern jeweils ihre Kunst – als ‚verliebte Feinde, freundliche Gegner‘ –, die Gräfin erscheint als die Personifikation der Gattung Oper.
Kunst und Welt
Straussʼ letzte Oper ging im Herbst 1942 im Nationaltheater München über die Bühne. Robert Carsen verlegt das Geschehen in die Zeit der Uraufführung. Man merkte nichts davon, wäre da nicht ein SS-Soldat, der den Auftritt der umschwärmten Clairon begleitet. Dies berührt das Verhältnis von Kunst und Welt und legt eine Kritik am Komponisten nahe, der mitten im Krieg in die Kunst geflüchtet sei. Das kann man monieren, sollte aber nicht vergessen, dass Strauss 77 Jahre alt war, als er die Komposition beendete; ohnehin war er an Politik wenig interessiert, und wenn er sich doch einmal auf sie einließ, agierte er opportunistisch und naiv.
Probencharakter
Das Diskursive, den Probencharakter des Werks bringt schon das Bühnenbild von Michael Levine zum Ausdruck. Es zeigt eine Probenbühne und verbreitet noble Klassizität beim Theater auf dem Theater. Mehr noch wird der spezifische Charakter auf zauberhafte Weise von François Roussillons filmischer Einrichtung betont. Der raffinierte Schnitt suggeriert, dass das Opernhaus leer sei. Gräfin und Graf, La Roche, Olivier und Flamand folgen der Aufführung am Ende von den Logen aus. Die Fleming folgt ihrem Auftritt, dem Schlussmonolog der Gräfin, mit dem Opernglas.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Strauss, Richard: Capriccio |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 2 02.06.2011 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280732795 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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