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Freitag, 2. Juni 2023

Desprez, Josquin - Les Fantaisies de Josquin

Hic sunt leones


Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Mit einer Einspielung der Instrumentalwerke Josquin Desprezs führt das Ensemble Leones in eine vertraute Fremde.

Je weiter die Bewegung der Alten Musik sich nach vorne kämpft und nach und nach das 19. Jahrhundert erobert, umso mehr scheint es, es bräuchte bald einen neuen Begriff, der die chronologische Markierung des Alters weiter aufrecht erhalten könnte. Das Ensemble Leones hat hier bereits terminologisch reagiert und tritt als Ensemble für Frühe Musik auf. Das Ensemble unter der Leitung des Lautenisten Mark Lewon vereint instrumentale Fähigkeit mit wissenschaftlicher Entdeckerfreude. Und von Früher Musik zu reden ist mit Blick auf das Programm der Debut-CD des Ensembles, die nun beim Label Christophorus erschienen ist, durchaus angebracht. Neben einigen anonymen Stücken sind auf der CD Instrumentalwerke von Josquin Desprez versammelt, also Musik vom Ende des 15. Jahrhunderts, als in Früher Zeit auch die Literatur noch Wiegendrucke produzierte. Demgegenüber steht als Schlusspunkt eine neue Komposition von Arvo Pärt, 'Sei gelobt, du Baum', die hier zum ersten Mal aufgenommen worden ist. Dieser weite programmatische Bogen, der auf zwei extremen Polen des Repertoires ruht, berührt gleichsam jene weitgehend unbekannten und ungezähmten Areale der Landkarte, in die man früher eingetragen hätte, dass es dort Löwen gibt: Hic sunt leones.

Ruhige, raue Züge

Der Titel ‚Instrumentalmusik‘ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in vielen der aufgenommenen Werke auch gesungen wird; Varianten hängen hier nicht zuletzt damit zusammen, dass in dieser Frage die Überlieferung des frühesten 16. Jahrhunderts oft unsicher ist. Der Bariton Raitis Grigalis widmet sich der Klage- und Sehnsuchtslieder mit großer Ruhe. Seine warme und stets abgeklärte Stimme gibt den Stücken einen nachdenklichen, kontemplativen Charakter. Dieser Ausdruck und der Eindruck der Ferne wird noch durch den Hallraum des Aufnahmeortes, der Heilig Kreuz Kirche im schweizerischen Binningen, verstärkt. Wie oft bei guten Einspielungen aus dem Bereich der Historischen Aufführungspraxis erstaunt und begeistert auch hier die vertraute Fremdheit des Klangbildes. Die Instrumente können süß und gesanglich, aber auch rau und erdig klingen – und behalten in allen Metamorphosen doch die unzweideutige Ausstrahlung einer hohen und beherrschten Instrumentalkultur, die auch das Zusammenspiel des Ensembles prägt.

Und gerade was Klangbild und Realisierungsspielraum dieser Musik angeht, birgt die CD ein kleines, aber so wirkungsvolles wie selten genutztes didaktisches Moment: Sie bietet zwei Fassungen desselben Stückes. So steht 'Ile fantazies de Joskin', ein vom Titel an spannendes und rätselhaftes Werk, am Anfang und am Ende der Einspielung, einmal in einer Lauten- und einmal in einer Ensemblefassung. Dieses Alpha und dieses Omega umschließt eine gelungene Einspielung.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Tobias Roth Kritik von Tobias Roth,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Desprez, Josquin: Les Fantaisies de Josquin

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Christophorus
1
01.06.2011
Medium:
EAN:

CD
4010072773487


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Christophorus

Christophorus ist das älteste deutsche Plattenlabel mit dem Schwerpunkt "Geistliche Musik". Es wurde 1935 gegründet, um religiöse Inhalte mittels Schallplatten und Bücher auch während des Nazi-Regimes zu verbreiten. Heute - mehr als 75 Jahre später - stehen spirituelle Themen weiterhin im Mittelpunkt des Labels, mit besonderem Interesse für unbekannte Werke und historische Interpretation. Gregorianische Gesänge, geistliche Vokalmusik, Musik der christlichen Kirchen und die Gesänge aus Taizé sind im Katalog ebenso vertreten wie Musik des Mittelalters und der Renaissance. Mit diesem Repertoire gilt Christophorus heute als eines der wichtigsten unabhängigen Labels auf dem internationalen Klassikmarkt.


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