
Bach, Johann Sebastian - Motetten BWV 225-230
Motetten-Update
Label/Verlag: Phi
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Überirdisch schön, trotzdem manchmal fast zu glatt: Herreweghes Neuinterpretation der Bach-Motetten mit dem Collegium Vocale Gent.
Mit der ersten CD seines eigenen Labels Phi hat sich der belgische Dirigent Philippe Herreweghe unlängst an die Vierte Sinfonie von Gustav Mahler herangewagt. Auf der nun zweiten hauseigenen Veröffentlichung betritt der einspielungsfreudige Vertreter der historisch informierten Aufführungspraxis wieder vertrauteres Gebiet. Gemeinsam mit dem von ihm begründeten Collegium Vocale Gent widmet sich Herreweghe den Motetten Johann Sebastian Bachs BWV 225-230. Verstärkt wird das Vokalensemble durch ausgewählte Bach-Sänger, die man bereits unter anderem von Masaaki Suzukis Bach-Kantaten-Projekt her kennt. Darunter befinden sich die Sopranistin Dorothee Mields, der Tenor Hans Jörg Mammel oder der Bass Peter Kooij.
Motetten, die Zweite
Bach und Herreweghe plus das Collegium Vocale Gent bilden eine bekannte, oft gelobte Kombination. Und so stellt diese Einspielung der Bach-Motetten bereits die zweite Interpretation mit Herreweghe und dem Collegium Vocale Gent dar. Da die erste aber bereits ungefähr drei Jahrzehnte zurückliegt, lässt sich das verschmerzen, zumal wenn eine erstklassige Aufnahme wie hier vorliegt. Gleichwohl sollte beachtet werden, dass es – etwas zugespitzt – mittlerweile von beinahe jedem renommierten Vokalensemble eine Einspielung der Bach-Motetten gibt, in dem die Erkenntnisse der Bach-Forschung mitberücksichtigt werden. Dass Herreweghes aktuelle Lesart noch genauso bahnbrechend und konkurrenzlos wäre wie früher, behauptet dann auch niemand, auch er selbst nicht. Miteinbezug der Bach-Forschung sowie ein individueller Deutungsansatz sind die alte und zugleich neue Grundlage für seine Neuaufnahme. Bis auf BWV 230 'Lobet den Herrn, alle Heiden' werden die Singstimmen von Instrumenten weitgehend verdoppelt (d. h. colla parte geführt). Durch die sanfte instrumentale Unterstützung erfährt die Musik einen unaufdringlichen Zuwachs an Farbigkeit und Spannung. Die stimmliche Besetzung lässt Herreweghe je nach Motette von einfach bis dreifach variieren. Eine Entscheidung, die für Abwechslung sorgt, obendrein den verschiedenen Fakturen der Stücke gut gerecht wird und für die nötige Feinabstimmung mit der Akustik der Berliner Jesus-Christus-Kirche garantiert.
Homogenität
Klanglich erzeugt die zweite Interpretation einen überwiegend einheitlichen Eindruck von Weichheit und Geschmeidigkeit. Man merkt einfach, dass hier Sänger und Instrumentalisten am Werk sind, die sich auf diesen Repertoirebereich spezialisiert haben. Mit traumwandlerischer Leichtigkeit entfalten die Sänger als Solisten oder im Doppelchor Bachs komplexe Vokalpolyphonie, bewegen sich einzelne Stimmgruppen fließend je nach struktureller Verlaufsposition in den Vorder- oder Hintergrund, verschmelzen Koloraturen im einen Chor mit syllabischen Abschnitten im anderen zu einem wunderschönen Ganzen. Manchmal klingt das fast zu schön, zu unproblematisch, als würde Herreweghes ebenso überlegter wie sensibler Zugriff die harmonischen Schärfen eher abdämpfen als forcieren. Dann aber fügen sich einfach alle Einzelteile so reibungslos ineinander, dass es eigentlich gar nicht anders sein kann. Ob diese Motetten-Aufnahme einen neuen Meilenstein darstellt, wie die Werbung verheißt, dürfte aufgrund der starken Konkurrenz fraglich sein. Eine tolle Einspielung aber ist es zweifellos geworden.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach, Johann Sebastian: Motetten BWV 225-230 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Phi 1 01.06.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
5400439000025 |
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Phi Der griechische Buchstabe φ (PHI - die Übereinstimmung mit den Initialen von Philippe Herreweghe ist nicht ganz zufällig) versinnbildlicht die Ambitionen des Labels. Er ist das Symbol für den goldenen Schnitt, für die Perfektion, die man in den Staubfäden der Blumen findet, für griechische Tempel, Pyramiden, Kunstwerke der Renaissance oder für die Fibonacci-Zahlenfolge. Seit der frühesten Antike steht dieser Buchstabe im eigentlichen Sinne für Kontinuität beim Streben nach ästhetischer Perfektion. Mehr Info... |
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