> > > Halvorsen, Johan: Orchesterwerke Vol. 3
Sonntag, 1. Oktober 2023

Halvorsen, Johan - Orchesterwerke Vol. 3

Freude an der Musik


Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Der Altmeister Neeme Järvi widmet sich Raritäten des Norwegers Johan Halvorsen. Aus den Werken kann auch er keine Meisterwerke machen. Aber das Ergebnis ist ansprechend und kurzweilig.

Johan Halvorsen (1864–1935) ist in Deutschland nahezu ausschließlich bekannt als Komponist brillanter Violinliteratur. Natürlich tut man dem norwegischen Komponisten damit völlig unrecht – Halvorsen war ein profilierter Komponist in nahezu allen musikalischen Gattungen, nicht zuletzt auch der Orchestermusik. Der anscheinend nimmermüde Neeme Järvi, mittlerweile immerhin ein Mittsiebziger und imstande, auf mehr als 440 (!) von ihm geleitete CD-Produktionen zurückzublicken, setzt sich auch hier mit hoher Professionalität für die ansonsten eher unbekannte Musik ein. Wenn man es mit Järvi-Einspielungen zu tun hat, handelt es sich nahezu immer um gute, nicht selten aber auch herausragende Produktionen; die Frage für den Rezensenten war also auch diesmal vornehmlich jene: Referenzeinspielung oder ‚nur‘ eine Reverenz auf den Komponisten?

Halvorsen, Zeitgenosse u.a. von Grieg und Delius, ist kein Komponist, der das Rad neu erfindet; seine Musik ist melodienreich, wurzelt harmonisch in der Tradition der ‚akademischen‘ Schule seiner Zeit und offenbart nur gelegentlich Momente hoher Originalität. Die Dritte Sinfonie C-Dur entstand 1928, für die vorliegende Einspielung erstellte Jørn Fossheim eine Neuedition. Momente des Werks gemahnen an Wagner, Dvorák, Elgar oder Berlioz, doch gibt es gleichermaßen Referenzen auf andere, zeitgenössische Komponisten (nicht nur Grieg und Svendsen); immer wieder verlässt Halvorsen die von ihm selbst vorgegebenen Geleise und erweist sich (etwa durch freche Blechbläsereinwürfe) ganz als Komponist auf der Höhe seiner Zeit, vergleichbar etwa mit Respighi oder Rachmaninoff. Der zentrale langsame Satz ist voller Poesie, verzichtet jedoch auch nicht auf die pathetische Geste. Das Finale lässt sich als Summation der norwegischen Orchestermusik der spätromantischen Ära ansehen – voller Impuls und technischer Professionalität.

Eine musikalisch insgesamt hochwertigere Komposition ist die (als CD-Premiere vorgelegte) ‚symphonische Impression‘ 'Sorte Svaner' (Schwarze Schwäne) von 1921. Die Komposition verzichtet auf eine unnötige große Geste und lässt sich durch ihre etwas überraschende Besetzung mit Klavier als weitaus moderner bezeichnen als manch andere Komposition Halvorsens. Charmante Unterhaltungsmusik im ‚Nationalton‘ für einen extrovertierten Virtuosen bietet der Hochzeitsmarsch op. 32 Nr. 1 (1912) für Violine und Orchester (Solistin Marianne Thorsen). Zwar auch auf norwegischem Volksgut fußend, aber musikalisch wertvoller ist 'Rabnabryllaup uti Kraakjalund' (Rabenhochzeit im Krähental), eine zurückhaltende Streichertranskription einer Volksmelodie, gerade in der zurückhaltenden Behandlung voller introvertierter, starker Stimmung. Die fünfsätzige ‚dramatische Suite‘ aus der Schauspielmusik 'Fossegrimen' op. 21 (1904-5) setzt diese ‚nationalistische‘ Tradition fort (hier hat die Hardangerfiedel zentrale musikalische Funktion, ist aber nicht affirmativ allzu plakativ im Vordergrund gehalten; Solistin Ragnhild Hemsing). Die Musik ist für den Anlass mehr als gut geeignet, erinnert gelegentlich an Frederick Delius, bleibt aber insgesamt weitaus stärker handwerklich sorgsam ausgearbeitete, selbst in der zentralen 'Danse visionaire' nicht genialisch inspirierte Gebrauchsmusik. Charmanter Schlusspunkt der CD ist 'Bergensiana, Rokokovariationen über eine alte Melodie aus Bergen' (1921) – auch dies eher anspruchslose, für konservatives Konzertpublikum jederzeit geeignete Kost, die etwa durch Xylophon- und Mandolineneinsatz einen durchaus ungewöhnlichen Touch in die Rokokovariationen einbringt.

Järvi holt das Möglichste aus der vorwiegend eklektischen Musik und bietet sie voller Frische und Charme dar. Natürlich kann er keine Wunder bewirken, doch haben er wie die Bergener Musiker (die ansonsten gelegentlich etwas oberflächlich brillant musizieren) hörbar Freude an der Musik. Die Bläser wie die Streicher bieten in jedem Moment ungeminderten Genuss (hervorzuheben die Konzertmeisterin Melinda Mandozzi), bestens eingefangen durch der Musik auf optimale Weise ‚dienende‘ Aufnahmetechnik (Ralph Couzens). Das Booklet lässt keinerlei Wünsche offen – nur das allzu plakative Foto von Ragnhild Hemsing auf der Rückseite des Booklets lässt sich als Minuspunkt werten.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Halvorsen, Johan: Orchesterwerke Vol. 3

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Chandos
1
15.04.2011
Medium:
EAN:

CD
095115166420


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Chandos

Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
The company has championed rare and neglected repertoire, filling in many gaps in the record catalogues. Initially focussing on British composers (Alwyn, Bax, Bliss, Dyso, Moeran, Rubbra, Walton etc), it subsequently embraced a much wider field. Chandos' diverse catalogue contains over 2000 titles, from early music to contemporary, with composers from around the world. The company's aim is to present an exciting and varied selection of superbly recorded music to as many people as possible.
The following artists are strongly associated with, or exclusive to, the label: Richard Hickox, Matthias Bamert, I Fagiolini, Neeme Järvi, Louis Lortie, Jean-Efflam Bavouzet, Rumon Gamba, James Ehnes, Sir Charles Mackerras, David Parry, Valeri Polyansky, The Purcell Quartet, Gennady Rozhdestvensky, Howard Shelley, Simon Standage, Yan Pascal Tortelier, Vernon Handley, the BBC Philharmonic, BBC National Orchestra of Wales, the City of London Sinfonia and Collegium Muscium 90.
Chandos is universally acclaimed for the excellence of its sound quality and has always been at the forefront of technical innovation. In 1978, Chandos was one of the first to record in 16bit/44.1kHz PCM digital, as well as being one of the first to edit a digital recording completely in the digital domain (Holst: the Planet ? SNO/Gibson). In 1983, Chandos was one of the first to produce and release Compact Discs into the marketplace ? a revolution in the recorded music industry.
Today, Chandos has kept up with technology by recording mostly in 24bit/96kHz PCM but now also in DSD for producing ?surround sound? SACDs. Chandos releases at least five new recordings a month, together with imaginative re-issues of back-catlogue material.
The company has received countless awards, including several Gramophone Awards, notably the 2001 ?Record of the Year? for Richard Hickox?s recording of the original version of Vaughan Williams? A London Symphony; ?Best Choral Recording of 2003? for its recording of an undiscovered mass by Hummel and the ?Best Orchestral Recording? of 2004 for its set of Bax Symphonies. Other highlights include the American Grammy for Britten?s opera Peter Grimes, and most recently (2008), two further Grammy Awards, one for Hansel and Gretel and the other for Grechaninov?s Passion Week. Jean-Efflam Bavouzet?s debut on Chandos was also awarded Record of the Year by Monde de la Musique this year.
Chandos remains an independent, family run company which produces and markets its recordings from its office in Colchester, England, and is distributed worldwide.


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