
Halvorsen, Johan - Orchesterwerke Vol. 3
Freude an der Musik
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Altmeister Neeme Järvi widmet sich Raritäten des Norwegers Johan Halvorsen. Aus den Werken kann auch er keine Meisterwerke machen. Aber das Ergebnis ist ansprechend und kurzweilig.
Johan Halvorsen (1864–1935) ist in Deutschland nahezu ausschließlich bekannt als Komponist brillanter Violinliteratur. Natürlich tut man dem norwegischen Komponisten damit völlig unrecht – Halvorsen war ein profilierter Komponist in nahezu allen musikalischen Gattungen, nicht zuletzt auch der Orchestermusik. Der anscheinend nimmermüde Neeme Järvi, mittlerweile immerhin ein Mittsiebziger und imstande, auf mehr als 440 (!) von ihm geleitete CD-Produktionen zurückzublicken, setzt sich auch hier mit hoher Professionalität für die ansonsten eher unbekannte Musik ein. Wenn man es mit Järvi-Einspielungen zu tun hat, handelt es sich nahezu immer um gute, nicht selten aber auch herausragende Produktionen; die Frage für den Rezensenten war also auch diesmal vornehmlich jene: Referenzeinspielung oder ‚nur‘ eine Reverenz auf den Komponisten?
Halvorsen, Zeitgenosse u.a. von Grieg und Delius, ist kein Komponist, der das Rad neu erfindet; seine Musik ist melodienreich, wurzelt harmonisch in der Tradition der ‚akademischen‘ Schule seiner Zeit und offenbart nur gelegentlich Momente hoher Originalität. Die Dritte Sinfonie C-Dur entstand 1928, für die vorliegende Einspielung erstellte Jørn Fossheim eine Neuedition. Momente des Werks gemahnen an Wagner, Dvorák, Elgar oder Berlioz, doch gibt es gleichermaßen Referenzen auf andere, zeitgenössische Komponisten (nicht nur Grieg und Svendsen); immer wieder verlässt Halvorsen die von ihm selbst vorgegebenen Geleise und erweist sich (etwa durch freche Blechbläsereinwürfe) ganz als Komponist auf der Höhe seiner Zeit, vergleichbar etwa mit Respighi oder Rachmaninoff. Der zentrale langsame Satz ist voller Poesie, verzichtet jedoch auch nicht auf die pathetische Geste. Das Finale lässt sich als Summation der norwegischen Orchestermusik der spätromantischen Ära ansehen – voller Impuls und technischer Professionalität.
Eine musikalisch insgesamt hochwertigere Komposition ist die (als CD-Premiere vorgelegte) ‚symphonische Impression‘ 'Sorte Svaner' (Schwarze Schwäne) von 1921. Die Komposition verzichtet auf eine unnötige große Geste und lässt sich durch ihre etwas überraschende Besetzung mit Klavier als weitaus moderner bezeichnen als manch andere Komposition Halvorsens. Charmante Unterhaltungsmusik im ‚Nationalton‘ für einen extrovertierten Virtuosen bietet der Hochzeitsmarsch op. 32 Nr. 1 (1912) für Violine und Orchester (Solistin Marianne Thorsen). Zwar auch auf norwegischem Volksgut fußend, aber musikalisch wertvoller ist 'Rabnabryllaup uti Kraakjalund' (Rabenhochzeit im Krähental), eine zurückhaltende Streichertranskription einer Volksmelodie, gerade in der zurückhaltenden Behandlung voller introvertierter, starker Stimmung. Die fünfsätzige ‚dramatische Suite‘ aus der Schauspielmusik 'Fossegrimen' op. 21 (1904-5) setzt diese ‚nationalistische‘ Tradition fort (hier hat die Hardangerfiedel zentrale musikalische Funktion, ist aber nicht affirmativ allzu plakativ im Vordergrund gehalten; Solistin Ragnhild Hemsing). Die Musik ist für den Anlass mehr als gut geeignet, erinnert gelegentlich an Frederick Delius, bleibt aber insgesamt weitaus stärker handwerklich sorgsam ausgearbeitete, selbst in der zentralen 'Danse visionaire' nicht genialisch inspirierte Gebrauchsmusik. Charmanter Schlusspunkt der CD ist 'Bergensiana, Rokokovariationen über eine alte Melodie aus Bergen' (1921) – auch dies eher anspruchslose, für konservatives Konzertpublikum jederzeit geeignete Kost, die etwa durch Xylophon- und Mandolineneinsatz einen durchaus ungewöhnlichen Touch in die Rokokovariationen einbringt.
Järvi holt das Möglichste aus der vorwiegend eklektischen Musik und bietet sie voller Frische und Charme dar. Natürlich kann er keine Wunder bewirken, doch haben er wie die Bergener Musiker (die ansonsten gelegentlich etwas oberflächlich brillant musizieren) hörbar Freude an der Musik. Die Bläser wie die Streicher bieten in jedem Moment ungeminderten Genuss (hervorzuheben die Konzertmeisterin Melinda Mandozzi), bestens eingefangen durch der Musik auf optimale Weise ‚dienende‘ Aufnahmetechnik (Ralph Couzens). Das Booklet lässt keinerlei Wünsche offen – nur das allzu plakative Foto von Ragnhild Hemsing auf der Rückseite des Booklets lässt sich als Minuspunkt werten.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Halvorsen, Johan: Orchesterwerke Vol. 3 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 15.04.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
095115166420 |
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Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
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