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Sonntag, 24. September 2023

Rochberg, George - Caprice Variationen für Violine

Spiel mit Masken


Label/Verlag: Metier Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Der Geiger Peter Sheppard Skærved widmet sich zwei zentralen Violinwerken des Komponisten George Rochberg und kann durch technische Meisterschaft überzeugen.

Das Schaffen des amerikanischen Komponisten George Rochberg (1918-2005) ist paradigmatisch für eine eklektizistische Auffassung von Moderne, die sich unterschiedlicher Mittel bedient, um daraus Gebilde von höchster Expressivität zu formen, diese aber so miteinander verbindet, dass die stilistischen Brüche zumeist musikalisch kaschiert werden. Der britische Geiger Peter Sheppard Skærved hat nun bei Métier Records eine Doppel-CD mit zwei sehr unterschiedlichen Werken aus den Achtzigerjahren vorgelegt, die diesen Ansatz eindringlich vorführt. Den Beginn macht Rochbergs Violinsonate (1988), die Skærved gemeinsam mit dem Pianisten Aaron Schorr in einer Live-Aufnahme eingespielt hat. In spieltechnischer Hinsicht verlangt die Musik den Musikern alles ab, was sich beispielsweise an den in einer Live-Situation nicht zu verbergenden Schwankungen der Intonation abzeichnet.

Das eigentliche Problem liegt jedoch woanders: Es ist die unkontrollierte dahinsprudelnde Eloquenz der des Werkes, die gelegentlich den Eindruck erzeugt, dass sich die Musiker mit ihrem Spiel im Kreis bewegen. Diese Ziellosigkeit ist allerdings nicht den Interpreten anzulasten, sondern gehört zu den Charakteristika, die Rochbergs Musik auch in anderen Kompositionen aufweist. Statt auf ein Ziel hin zu laufen, ergeht sie sich stellenweise in lange ausgebreiteten emphatischen Wendungen, was vielen Passagen eine gewisse Eintönigkeit verleiht. Dieses Kennzeichen wird hier leider noch durch eine sehr unglückliche Aufnahmetechnik unterstrichen: Beide Instrumente sind zwar sehr präsent, doch ist der Klang nicht wirklich schön. Das Klavier klingt ein wenig hohl, während die Violine bisweilen extrem aufdringlich wirkt, weil jeder stärkere, die Intensität des Spiels unterstreichende Bogendruck Skærveds zu hören ist. Selbst den ruhigeren Stellen des Werkes fehlt es daher eindeutig an Atmosphäre.

Das eigentliche Zentrum der Veröffentlichung bilden jedoch die 'Caprice Variations' (1983), ein Zyklus von Capricen, in dem sich Rochberg immer wieder dezidiert auf Niccolò Paganinis 'Capricci' op. 1 bezieht. Allerdings geht Rochberg kaum jemals über traditionelle Techniken des Violinspiels hinaus, die allerdings bis ins Extrem getrieben werden: Die 'Caprice Variations' sind in erster Linie eine Relektüre der romantischen Virtuosität, ein Spiel mit den Masken der Vergangenheit, das sogar eine zitierende Wiedergabe von Originalpassagen Paganinis beinhaltet und nur gelegentlich – beispielsweise in Nr. 18, 19, 41, Nr. 42, 47, 48, 49 und 50 – zugunsten einer zeitgenössischen Sprache durchbrochen wird. Das an solchen Stellen erkennbare Nebeneinander von Ton für Ton nachempfundener Romantik und zeitgenössischen Ausdrucksformen hat zwar einen gewissen Reiz und lässt in der spielerischen Auseinandersetzung mit Musik der Vergangenheit einige schöne Ideen aufblitzen, macht aber auf die Dauer doch ratlos, weil sich Rochbergs ästhetische Zielrichtung nicht so recht erschließt.

Gelungen ist dies alles immerhin, weil Skærved den Zyklus und seine technischen Schwierigkeiten mit großer Raffinesse umsetzt und dabei auch viel Wert auf die Gestaltung von Kontrasten oder Zusammenhängen zwischen den einzelnen Stücken legt. Dass er sich darüber hinaus mit dieser Musik glänzend auskennt, belegen seine ausführlichen und lesenswerten Kommentare im englischsprachigen Booklet. Bleibt zu erwähnen, dass die Aufnahmequalität bei den 'Caprice Variations' deutlich besser ist als im Fall der Violinsonate, obgleich die etwas hallige Akustik manchmal für ein leicht verwaschenes Klangbild sorgt. Wer Freude an virtuoser Violinmusik hat und die Begegnung mit modernen Klängen nicht scheut, dürfte auf dieser Doppel-CD die eine oder andere spannende Entdeckung machen können. Dennoch gibt es überzeugendere Werke von Rochberg und sicher auch andere Veröffentlichungen, die eher dazu geeignet sind, sich mit dem eigenwilligen Schaffen des Komponisten vertraut zu machen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Rochberg, George: Caprice Variationen für Violine

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Metier Records
2
30.05.2011
Medium:
EAN:

CD
809730852121


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Metier Records

1992 gegruendet, hat METIER schnell einen Namen fuer eine augezeichnete moderne Repertoire- und Produktionsqualitaet erworben. Metier ist mittlerweile einer der wichtigsten Namen der heutigen klassischen Musik ? durch die Zusammenarbeit mit Tonkünstlern aus Grossbritannien, aber auch international mit grossen Komponisten der Welt wie Roberto Gerhard, Charles Ives, George Crumb, Walter Zimmermann, Georg Rochberg, unter anderen.

Metier stellt eine breite Auswahl von musikalischen Stilen und Ideen der ganzen heutigen Komposition vor und schliesst eine grosse Zahl von wichtigen Weltpremieren, insbesondere der Komponisten, welche von den multinationalen Firmen vernachlaessigt werden, mit ein. Metier legt keinen grossen Wert auf schwaermerisches Werbematerial, Prominenten-Empfehlungen und falsche Versprechungen, die die moderne Reklame charakterisieren, sondern einfach auf kuenstlerische Qualitaet. Metier ist daher ein unentbehrlicher Name fuer serioese Sammler.

Die Firma stellt in ihrer ?Re-appraisal? (Neubewertung) Serie auch Musik der Vergangenheit dar ? zum Beispiel Bach und Beethoven, aber mit neuen Herangehensweisen von hochrangigen Künstlern, deren Erfahrung und Innovationsgeist neue, faszinierende Interpretationen hervorbringen.

METIER hat 12 ?CD of the Year? und ?Critic?s Choice? Preise gewonnen und wurde 2007 ein Teil der Divine Art Gruppe. Eine neue Serie von wichtigen modernen Werken ist im Werden, abermals von sehr positiver Kritik begleitet.


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