
Haydn, Joseph - Arien
Dramatisch eingefärbt
Label/Verlag: Atma classique
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit Haydn-Arien gibt die kanadische Koloraturspezialistin Jane Archibald ihr überfälliges Solo-Debüt auf ATMA Classique - trotz kleiner Schwächen ein gelungener Einstand.
Als eines der wenigen international beachteten Klassik-Labels in Kanada ist ATMA Classique regelmäßig bemüht, arrivierten einheimischen Solisten mithilfe gut produzierter, künstlerisch durchdachter Projekte Starthilfe auf dem Plattenmarkt zu geben. Auch die Sopranistin Jane Archibald hat nun die Chance bekommen, ihr Debüt-Album aufzunehmen – endlich, wie man hinzufügen möchte angesichts der Tatsache, dass sie in den letzten Jahren zu Europas Zerbinetta Nr. 1 avanciert ist und mehrfach durch kurzfristige Einspringen (zuletzt als Ophélie an der Met) auf sich aufmerksam gemacht hat.
Das Programm mit Arien aus Haydns 'Il mondo della luna', 'L’isola disabitata' und 'Orlando Paladino' – und besonders der effektvolle Auftakt mit 'Al tuo seno fortunato' aus 'L’anima del filosofo' – provoziert einen Vergleich mit der ersten Solo-CD von Simona Saturová, die im Haydn-Jahr 2010 für Furore gesorgt hat. Dieser geht, wenn auch nur knapp, zu Archibalds Ungunsten aus. Selbstredend verfügt die Sängerin über das technische Rüstzeug, um die anspruchsvollen Stücke ohne hörbare Anstrengung zu meistern: Ihre Läufe perlen schnell und exakt, die Mittellage ist substanzvoll und die gut registrierte Höhe besitzt Durchschlagskraft, was verständlich macht, warum Archibald ihr Repertoire vermehrt in Richtung Konstanze und Lucia verlagert. Derart dramatisch eingefärbt, gelingen Aufschwünge in die dreigestrichene Lage elektrisierend, zeigen aber auch eine gewisse Scharfkantigkeit des Tons. Auch der für einen Koloratursopran so essentielle Oberton-Glanz leidet etwas unter dieser Attacke, wovon die generell zu flach geratenen Staccati am deutlichsten zeugen.
Was in der Gegenüberstellung mit Saturová (und anderen Fachkolleginnen) besonders negativ auffällt, ist ein ausgeprägtes, manchmal geradezu flatterndes Vibrato, das die Intonation zwar nicht beeinträchtigt, doch zuweilen verschleiert. Die Triller auf der anderen Seite schlagen kaum an und lassen sich gerade bei ausgehaltenen Tönen schlecht von der Grundschwingung der Stimme unterscheiden. Abmildern kann Archibald diese Unebenheiten durch sicheren sprachlichen Zugriff und eine italienische Diktion, die nur hin und wieder ihre anglophone Provenienz verrät. Das Modellieren von Phrasen jenseits kluger Einteilung und dynamischer Differenzierung allerdings, das Herstellen individuellen Raffinements, bleibt sie noch schuldig.
Am bedauerlichsten ist, dass für das Album kein engagierter spielender Klangkörper verpflichtet werden konnte. Obwohl mit sinfonischem Aplomb und technisch solide musiziert wird, fehlt es dem Orchestre Symphonique Bienne unter Leitung von Thomas Rösner an musikalischem Fluss, farblichen Abstufungen und klanglicher Flexibilität, was unter anderem an den trockenen, jeglichem Seria-Pathos entbehrenden Kadenz-Akkorden festzumachen ist. Für Archibald ist es dennoch ein gelungener CD-Einstand, der neugierig macht auf ihre weitere vokale und künstlerische Entwicklung.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Haydn, Joseph: Arien |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Atma classique 1 05.04.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
722056266420 |
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Atma classique Das Label ATMA - Seele oder Lebensgeist auf Sanskrit - wurde 1995 gegründet und bietet inzwischen mehr als 200 Aufnahmen von mittelalterlicher bis zu zeitgenössischer Musik mit einem besonderen Schwerpunkt im Barock. Für ihre Aufnahmen umgibt sich Johanne Goyette, Direktorin und zugleich Toningenieurin der Firma, gerne mit wagemutigen Künstlern, um in ihrem Studio Unerhörtes (und Ungehörtes) zu schaffen.
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