
Prokofieff, Sergej - Iwan der Schreckliche
Dienende Muse
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sergej Prokofjews Musik zu 'Iwan der Schreckliche' wird hier unter Wert verkauft, nicht zuletzt, weil die Ballettdarstellung zu wenig Dramatik bietet.
Es gibt kaum etwas Undankbareres als die sogenannte dienende Muse – Kunst, die sich in den Dienst einer anderen Kunst stellt und so quasi unsichtbar wird oder zumindest bewusst in den Hintergrund tritt. Schauspielmusiken, Filmmusik, Musik zu ‚lebenden Bildern‘, Festmusiken, selbst Ballettmusik zählt in gewisser Weise hierzu, und besonders bedauerlich ist es, wenn jene Kunst, der die andere dient, außer Mode kommt – so wird der eigentliche Zweck dieser Musik quasi obsolet und die Musik selbst entweder in kürzester Zeit vergessen oder sozusagen heimatlos.
Viele Filmmusik ist mittlerweile vergessen, einfach weil die Filme heute nicht mehr zirkulieren, selbst wenn sie seinerzeit als epochal galten. Sergej Prokofjew schuf 1942-5 die umfangreiche Partitur zu dem zweiteiligen Film von Sergej Eisenstein ‚Ivan Groznij‘ (Iwan der Schreckliche) und versah sie sogar mit der Opuszahl 116. 1961 wurde die Partitur von Abram Stasevitsch als Oratorium eingerichtet, 1990 legte Christopher Palmer eine Konzertfassung vor und 1973 entstand Michail Tschoulakis Ballettpartitur, die seit ihrer Moskauer Premiere 1975 große Erfolge feierte und bereits im Oktober 1976 in Paris für Furore sorgte.
2005 wurde die vorliegende, 2003 mitgeschnittene Produktion (mit viel Szenenapplaus) auf DVD erstmals vorgelegt, die nun vorliegende Neuausgabe bei Arthaus Musik wurde 2011, wie leider bei dem Label üblich, in keinster Weise in besserer Ausstattung veröffentlicht. Das genaue Aufnahmedatum wird nicht mitgeteilt, es gibt keinerlei Bonusmaterial, der Booklettext ist dürftig.
Die opulente Produktion (achtzehn Szenen, über achtzig Tänzer) konzentriert die Haupthandlung auf die traditionelle Dreiecksbeziehung Ivan–Kurbsky (Führer der Bojaren)–Anastasia, und schon von der ersten Szene an ist offenkundig, dass die Bildgewalt des Filmes durch die Choreografie Yuri Grigorovichs nicht angemessen ersetzt wird. Zu vieles, was in Prokofjews Musik offensichtlich bildlich-deskriptiv, teilweise offenkundig Eisensteins genialer expressiver Bildregie untergeordnet gemeint ist, kann im Ballett keinen angemessenen Widerpart finden (oder die Choreografie hat einfach die Frische der Uraufführung verloren); anderswo überzeugt seine Choreografie einfach deutlich weniger als etwa Kenneth MacMillans 'Romeo und Julia'-Choreografie. Nicolas Le Riche gestaltet den Iwan tänzerisch brillant, aber darstellerisch eher künstlich, mit großen Augen, aber ohne eine Miene zu verziehen. Tänzerisch einen überzeugenden Charakter zu formen, gelingt ihm nur sehr bedingt. Auch Eleonora Abbagnato als Anastasia kreiert eine eher konventionelle Figur, wenn auch wunderbar im Pas de deux in Bild 3 oder in ihrem Solo in Bild 6. Herausragend dagegen Karl Paquettes Leistung als Kurbsky, der die Zerrissenheit des Bojarenfürsten, seinen vielschichtigen Charakter kongenial umsetzt. Neben ihm wirkt auch das Corps de ballet teilweise zu wenig charaktervoll, zu wenig in sich selbst dynamisch, zu wenig spannungslos.
Musikalisch ist das Orchester der Pariser Oper gutes Mittelmaß, doch hörbar der Brillanz von Prokofjews Partitur nicht voll gewachsen. Vello Pähn ist kaum mehr als ein zuverlässiger Erfüllungsgehilfe, der die Musik im nicht besten Sinne der Choreografie unterordnet – nämlich in dem Sinne, als die Musik tatsächlich nicht die choreografische Handlung rundum überzeugend trägt; teilweise liegt dies sicher an der Choreografie selbst, teilweise aber auch an der nicht wirklich mit Herzblut geleiteten musikalischen Seite der Produktion. Thomas Grimms Bildregie kann naturgemäß auch keine Wunder wirken. Letztendlich bleibt das Ganze viel zu konventionell für Prokofjews Musik, die in Eisensteins Film eine passendere Rolle spielte als in diesem Ballett.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Prokofieff, Sergej: Iwan der Schreckliche |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 11.04.2011 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280724790 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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