
Graziani, Carlo - Sonaten für Cello
Sonaten aus dem Halbschatten
Label/Verlag: Arcana
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Unterhaltsame Violoncello-Sonaten aus der Feder Carlo Grazianis: Facettenreich gedeutet von Gaetano Nasillo.
Das, was über den italienischen Komponisten Carlo Graziani wirklich bekannt ist, reicht kaum über den Status des Dürftigen hinaus: Irgendwann in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in Asti geboren, spätestens Anfang der 1760er Jahre als Cellist in Paris tätig, ab 1763 dann für einige Zeit in London anzutreffen, erst wieder 1770 in Frankfurt am Main nachweisbar, direkt danach bis 1773 als Lehrer des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm II. aktiv, im Anschluss daran mit einer jährlichen Pension von 600 Talern im Umfeld des royalen Gönners verbleibend, schließlich 1787 gestorben.
Also muss Graziani durch seine Musik zu uns sprechen: Auf der aktuell vorliegenden, beim italienischen Label Arcana erschienenen Platte sind das sechs Sonaten für Violoncello und Bassbegleitung, ergänzt um ein charakteristisches Capriccio für solistisches Cello. Graziani schreibt galante Musik, die sich schon denkbar deutlich von barocker Strukturliebe und imitierender Satztechnik entfernt hat – und doch zugleich noch nicht vollends in der klassischen Formenwelt angekommen ist. Den Klangeindruck dominiert eine leichte melodische Invention, die sehr gefällig harmonisiert und entfaltet wird. Dabei steht aber nicht konsequente motivische Arbeit im Vordergrund – Graziani durchstreift seine üppig sprudelnden musikalischen Gedanken eher, als dass er sie erzwingt oder sich an ihnen abarbeitet. Die technischen Herausforderungen für den Solisten sind meist überschaubar, das Capriccio und einzelne rasche Sätze bilden hier Ausnahmen. Im Mittelpunkt stehen ansonsten eine leichte Zugänglichkeit und der sichere musikalische Affekt. Vor allem die langsamen Sätze sind von intensiv gebauten Linien geprägt, die Grazianis sichere Hand in diesem Metier zeigen. Daneben ist seine Satzkunst aber durchaus nicht frei von Formeln und manch floskelhafter Wendung, die freilich die Kompositionen nicht dominieren.
Dezent & souverän
Gaetano Nasillo hat sich zuletzt mit einer gelungenen Einspielung später Sonaten von Antonio Caldara sehr positiv hervorgetan. Nasillo ist ein dezenter Gestalter, dessen Spiel nie auf vordergründige Affekte abzielt. Er nimmt Grazianis eher abseits virtuoser Künstlerschaft angesiedelten Kompositionen ernst und gewinnt ihnen etliche Nuancen ab. Im unbegleiteten Capriccio ist er zudem mit einigen technischen Finessen vernehmlich. Nasillo ist ein stilistischer Souverän, der sich in ruhevollen wie in bewegten Sätzen gleichermaßen kundig zu bewegen versteht.
Sein Ungarini-Cello hat dabei einen nasalen, eher schmalen Klang, der gleichwohl harmonisch ausgebaut ist. Der Ton ist weich und von verhaltener Plastizität. Diese solistische Disposition wird auch bei der technischen Realisierung treffend eingefangen: Das entstehende Bild ist erwärmt, zugleich schön gestaffelt und mit einem angemessenen Raumanteil versehen.
Den solistischen Part begleiten Luca Guglielmi und Sara Bennici diskret, aktiv gestaltend und vernehmlich an den stimmungsvollen Klangbildern beteiligt. Oft verschmilzt dieser edle Begleitbass mit der Sphäre des Soloinstruments auf charmante Weise. Im Zusammenspiel mit Nasillo finden sie zu mäßigen Tempi, vor allem die Adagios werden ansprechend empfunden und gedeutet – insgesamt ergibt sich ein zwingendes Tableau.
Sicher: Diese Platte holt Carlo Graziani nicht in die erste Reihe der Komponisten des 18. Jahrhunderts. Aber sie zeigt das Werk eines Künstlers, der mit dem musikalischen Material souverän umzugehen verstand und der in der Lage war, publikumsorientierte und affektsichere Werke zu schaffen. Nasillo und seine Begleiter lassen sich auf diese Musik ein und gewinnen ihr durch nuancenreiches Spiel etliche Farben ab.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Graziani, Carlo: Sonaten für Cello |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Arcana 1 01.04.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
8033891690458 |
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