
Bach, Johann Sebastian - Messe in h-Moll, BWV 232
Ein Spiel mit den Klangfarben?
Label/Verlag: Glor classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der vorliegenden Interpretation fehlt die überzeugende Darstellung eines wirklichen, tiefen Verständnisses nicht nur für die formale, klangliche Konzeption der h-Moll-Messe, sondern auch für die starke inhaltliche Aussagekraft der Musik.
Der ‚Reiz der Klangfarben, das Spiel zwischen menschlicher Stimme und instrumentaler Musizierform‘ motivierte Joshard Daus in besonderer Weise bei der Verwirklichung seiner künstlerischen Ideale im Rahmen verschiedener Chorprojekte – so lautet eine Formulierung in der Biografie Daus’ im Booklet der vorliegenden Aufnahme. Die Interpretation von Bachs h-Moll-Messe mit der EuropaChorAkademie und dem Stuttgarter Kammerorchester unter der Leitung von Joshard Daus konzentriert sich auffällig auf das rein klangliche Zusammenspiel von Chor, Solisten und Orchester. Keine Frage, die Musiker des Kammerorchesters beeindrucken durch ihr klanglich perfekt aufeinander abgestimmtes Spiel, was besonders in den verschiedenen Bläsergruppen hervorragend zur Geltung kommt. Auch der Chor bildet eine schöne musikalische Einheit mit einem großen Klangspektrum, das an keiner Stelle der monumentalen Messvertonung Bachs auseinanderzubrechen droht.
Die im Booklet zu lesende Werkbesprechung von Rainer Peters deckt eine erstaunliche Fülle an wissenschaftlichen Forschungsfragen rund um die Entstehung und Funktionsbestimmung(en) der h-Moll-Messe auf, ohne dabei aber zu sehr ins Detail zu gehen, wobei die zahlreichen Tippfehler im Text einen kleinen Schatten auf die Gesamtgestaltung des Booklets werfen. Peters weist an vielen Stellen und auf sehr überzeugende Art auf die intensive religiöse Aussagekraft von Bachs Werk hin. Dem dargestellten tiefen religiösen Gehalt wird die vorliegende Aufnahme insgesamt aber nur wenig gerecht. Bereits die erste Kyrie-Anrufung des knapp 12-minütigen Kyrie-Abschnitts enttäuscht aufgrund mangelnder Phrasierung und unpräziser Artikulation im Orchester. Das Christe eleison mit den beiden Solisten Trine Wilsberg Lund, Sopran, und Frederika Brillembourg, Alt, kann zwar in klanglicher Hinsicht für sich einnehmen; die Interpretation wirkt trotzdem nur wenig bezaubernd und ergreifend. Nach einem – in romantischer Manier – zu lange vorbereiteten Schluss-Ritardando folgt bei der wiederholten Kyrie-Anrufung ein sehr expressiver Chor, der ausnahmsweise nicht nur an der klanglichen Oberfläche bleibt, sondern, im Gegensatz zum Duett davor, auch aufgrund der besonderen, musikalischen Textausdeutung Bachs zu fesseln vermag. Besonders auffällig im Gloria-Abschnitt ist die Sopran-Arie Laudamus te, bei der die Solovioline in höchst virtuosem Spiel zu stark als eifrige Individualistin beschäftigt ist und dadurch kaum eine Einheit mit der feinsinnigen Stimme Wilsberg Lunds bilden kann. Die Interpretation erweckt an dieser Stelle einen Eindruck, der sich nahezu den ganzen weiteren Verlauf des Werks bestimmt: Unter der Leitung von Joshard Daus fehlt bei dieser Aufnahme das glaubwürdige, tiefe und damit überzeugende Verständnis für den hohen Ausdrucksgehalt von Bachs Musik. Dieser enttäuschende Eindruck wird durch folgende Booklet-Aussage bekräftigt: ‚Das Laudamus te ist eine triller- und fioriturendurchsetze Bravourarie, mit Sopran und Violine als Hauptdarstellern.‘
Es ist ernüchternd, wie oft alle vier Vokalsolisten (zu den Frauenstimmen kommen Carsten Süß, Tenor, und Raimund Nolte, Bassbariton) um den musikalischen Ausdruck kämpfen, welchen das Orchester aber nur selten weiterzutragen vermag. Bei nahezu jeder Arie tritt mindestens ein Instrument allzu brillant hervor anstatt in der Rolle eines Kommentators zu schlüpfen und auf die subtile Interpretation des Sängers einzugehen. Trotzdem kann der vorliegenden Einspielung ein gewisser Reiz nicht abgesprochen werden, weil gerade die chorischen Teile wiederum sehr bewegend gestaltet sind. Die rein klangliche Fokussierung Daus’ trifft insgesamt nur selten die Kernaussagen der Musik, die nach der Herausarbeitung größerer Tiefe verlangt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach, Johann Sebastian: Messe in h-Moll, BWV 232 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Glor classics 2 19.11.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
4260191310319 |
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