
Liszt, Franz - Dante Sinfonie
Liszts 'Dante' im Originalklang
Label/Verlag: NCA - New Classical Adventure
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Liszt im Originalklang: Mit der 'Sinfonie nach Dantes Divina Commedia' gelingt Martin Haselböck und der Wiener Akademie eine innovative Sicht auf ein unterschätztes Werk.
Bis ins 20. Jahrhundert ist die sogenannte Originalklangbewegung mittlerweile vorgedrungen: Jos von Immerseel spielt mit Anima Eterna auf historischen Instrumenten Werke von Maurice Ravel, Philippe Herreweghe und das Orchestre des Champs-Elysées interpretieren Gustav Mahlers Vierte Sinfonie. Da ist es nicht verwunderlich, wenn nach Ludwig van Beethoven, Robert Schumann, Hector Berlioz und Anton Bruckner, um nur einige zu nennen, sich nun auch Franz Liszt zu widmen. (Jos van Immerseel hat vor einigen Jahren bereits einige Orchesterwerke von Franz Liszt bereits unter historisch informierter Maßgabe eingespielt.) Mit der Umsetzung des hip klingenden Projekts ‚The Sound of Weimar‘ wollen Martin Haselböck und das von ihm gegründete Orchester Wiener Akademie pünktlich zu den Jubiläen in den Jahren 2011 und 2012 sämtliche Orchesterwerke Liszts in der originalen Orchesterbesetzung der Uraufführungen spielen. Als erstes diskographisches Zeugnis dieses Unternehmens ist jüngst eine Einspielung mit der Richard Wagner gewidmeten 'Dante-Sinfonie' erschienen. Zusätzlich hat man die sinfonische Dichtung 'Evocation à la Chapelle Sixtine' aufgenommen.
Liszt als großartiger Instrumentator
Wer das Booklet aufschlägt, bemerkt rasch, dass Haselböck es ernst meint. So sind sämtliche verwendeten Instrumente samt ihres Herstellungsjahres angeführt und ‚einige der für die Aufnahme verwendeten Blasinstrumente wurden in von Liszt dirigierten Orchestern gespielt‘. Ebenso findet sich unter anderem eine Forderung von Liszt aus dem Jahr 1851 an den Weimarer Hof abgedruckt, die über seine Vorstellungen das Instrumentarium des Hoforchesters betreffend Auskunft gibt. Auch Quellenauszüge über Liszts zu Lebzeiten hoch umstrittene Art zu dirigieren fehlen nicht. Natürlich könnte man nun einwenden, dass alleine die Verwendung historischer Instrumente noch keine historisch informierte Interpretation garantiert. Lauscht man etwa Herreweghes Bruckner, wirken die hörbaren Unterschiede zu traditionellen Lesarten teils verschwindend gering. Glücklicherweise aber ist das hier nicht der Fall: Haselböcks Deutung klingt so andersartig, so entschlackt und transparent, dabei ungewöhnlich farbdunkel, dass man bisweilen meint, diese Komposition könne eigentlich nicht von Liszt stammen, weil sie gegen die Klischees, die man für gewöhnlich mit ihm verbindet, verstößt.
Akzentuierte eine pathetisierende wie monumentalisierende Deutung lange Zeit einzig das Pompöse in den Orchesterwerken – negativer Höhepunkt war bekanntlich der Einsatz von 'Les Préludes' in der ‚Deutschen Wochenschau‘ im ‚Dritten Reich‘ –, rückt diese Einspielung Liszt in die Nähe des mit ihm befreundeten musikalischen Revolutionärs und Instrumentators Berlioz. Wie zum Beispiel die solistische Bassklarinette im 'Inferno'-Kopfsatz Verwendung findet oder wie im abschließenden 'Magnificat' Harfen und Flöten mit dem Frauenchor zu einer ätherischen Klangwolke verschmelzen, weist auf die Instrumentation eines Claude Debussy voraus. Im turbulenten Kopfsatz mit seinen Höllenschilderungen gelingt es den Streichern zugleich ruppige Expressivität zu verstrahlen, ohne dabei den Wohlklang preisgeben zu müssen. Dank der Transparenz der Aufnahme gelangen ebenfalls die bereits auf die Moderne verweisenden harmonischen Untiefen zur Geltung, wie etwa die vermehrten Tritonus-Bildungen – Symbol für den Teufel in Dantes Hölle – oder die ausufernde Chromatik.
Liszt, der Moderne
So vollbringt Haselböck mit seiner Wiener Akademie die paradoxe Leistung, durch Rückgriff auf das Vergangene das Neue an Liszt herauszustellen. Der Hörer jedenfalls kann mit dieser Einspielung per ‚Horizontverschmelzung‘ ein bisschen nachfühlen, wie es Liszts Zeitgenossen beim Hören seiner innovativen Orchesterwerke möglicherweise ergangen sein wird. Die kommenden Teile von ‚The Sound of Weimar‘ werden mit Spannung erwartet!
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Liszt, Franz: Dante Sinfonie |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
NCA - New Classical Adventure 1 18.03.2011 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
885150602348 60234 |
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"Franz Liszts Orchesterwerke sind unter Musikkennern mindestens genauso beliebt wie seine Klavierkompositionen, die es zu Weltruhm geschafft haben. Der international renommierte österreichische Dirigent Martin Haselböck veröffentlicht zu Franz Liszts 200. Geburtstag diese CD mit zwei Orchesterwerken Liszts, gespielt auf Originalinstrumenten des 19. Jahrhunderts. Die beiden auf der CD enthaltenen Orchesterwerke Eine Sinfonie nach Dantes Divina Commedia und Evocation à la Chapelle Sixtine wurden vom Orchester Wiener Akademie und vom Konzertchor Chorus Sine Nomine grandios umgesetzt. Durch das aufwändige Produktionsverfahren und das Verwenden von Originalinstrumenten wurde ein äußerst authentisches Klangbild geschaffen, das den Hörer in das 19. Jahrhundert entführt und dem Anspruch der Kompositionen mehr als gerecht wird. Parallel zu dieser Veröffentlichung erklingen beim Orchesterprojekt „The Sound of Weimar“ unter ihrem Dirigenten Martin Haselböck im Zeitraum 2011 bis 2012 in sieben Konzerten alle Orchesterwerke Franz Liszts in der originalen Orchesterbesetzung der Uraufführungen in Weimar live im österreichischen Lisztzentrum Raiding." |
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NCA - New Classical Adventure 20 Jahre NCA Als im Jahre 1992 das Klassiklabel NCA ins Leben gerufen wurde, dachte niemand daran, dass man heute das 20-jährige Jubiläum feiern könnte. In zwei Jahrzehnten wurde ein Katalog geschaffen, der mehr als 150 Produktionen umfasst und zum Besten gehört, was die Klassik zu bieten hat. NCA steht für neue Interpretationen bekannter Werke, steht für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit Musik in den verschiedensten, vielleicht auch ungewohnten Besetzungen, steht für auserlesene, oft zu Unrecht selten oder bisher noch nie eingespielte Werke in allen Stilistiken der klassischen Musik, was insgesamt zum Markenzeichen des Labels wurde und ist damit die ideale Ergänzung für den Plattenschrank eines Klassikliebhabers werden.Dabei ist selbstverständlich Grundvoraussetzung eine hohe künstlerische und technische Qualität der Einspielungen. Bei NCA findet sich keine Trennung des Repertoires, sondern alle Einspielungen dienen gleichberechtigt dem einen Zweck, das Phänomen ?Musik? im Sinne eines Mosaiks ganzheitlich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) entstehen zu lassen. Viele Einspielungen aus sämtlichen Genres der klassischen Musik wurden von der Fachpresse hochgelobt und mit diversen Preisen ausgezeichnet. Viele berühmte und weltbekannte Künstler zeugen von der höchsten Qualität der Produktionen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Förderung junger und aufstrebender Künstler, um ihnen ein Sprungbrett in die weite Welt der Klassik zu bieten. Wenn Sie Lust auf klassische Abenteuer im besten Sinne des Wortes haben, dann sollten Sie sich NCA nicht entgehen lassen!
Klaus Feldmann Mehr Info... |
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