> > > Strauss, Richard: Eine Alpensinfonie
Samstag, 23. September 2023

Strauss, Richard - Eine Alpensinfonie

Lebhaft und organisch


Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Andris Nelsons begreift die 'Alpensinfonie' von Richard Strauss als sinfonisches Werk mit dramatischer Zugkraft und bindet das Illustrative geschickt in den großen Bogen ein. Diese Einspielung gehört zu den besten Aufnahmen der 'Alpensinfonie'.

In Andris Nelsons‘ Strauss-Reihe aus Birmingham entstanden im Januar/Februar und November 2010 Mitschnitte der 'Alpensinfonie' und des 'Tanzes der Sieben Schleier' aus 'Salome' – wichtige Kompositionen ohne Frage, doch hier in einer doch recht merkwürdigen Kopplung. Es ist immer so schade festzustellen, wenn sich Dirigenten nicht mit den Kompositionen just neben dem Mainstream befassen. Bei Strauss gibt es bis heute Stiefkinder der Orchestermusik, während andere Werke unangemessene Bevorzugung erfahren (allen voran die 'Burleske' und das Violinkonzert). Während die 'Alpensinfonie' op. 64 früher als ganz besonderer Höhepunkt des Musiklebens galt, ist er im Tonträgerhandel für jedes Orchester, das etwas auf sich hält, nahezu Pflicht.

Dass Nelsons‘ Livemitschnitt eine beachtliche Leistung ist, die etwa den klassischen Studioproduktionen unter Janowski, Kempe oder Karajan an dramatischer Kraft und differenziertem Klangreichtum in nichts nachsteht, sie vielmehr ohne Schwierigkeiten übertrifft, überrascht mit Blick auf frühere Publikationen aus der Reihe nicht wirklich. Nelsons hat eine gute Hand für die Architektur der Werke, ein Gespür für Strauss‘sches Timing, eine Sorgfalt in der Einstudierung, die auch die Zwischenstimmen klar zum Vorschein kommen lässt, ohne den zwangsläufigen Puls, das ‚momentum‘ der Komposition einen Moment lang nachzulassen. Strauss‘ Melos leuchtet warm, sein Gefühl für Portamento ist gerade recht. Dass die Gesamtdauer der Interpretation dennoch mit 51‘39 durchaus beachtlich ist, ist jedoch keineswegs zu spüren – immer wirkt Nelsons‘ Interpretation lebhaft und organisch, die programmatischen Aspekte sind (außer im Booklettext) keinen Moment primär äußerlich-illustrativ. Schon Richard Specht hat die strukturellen Aspekte der Partitur hervorgehoben, die unter Nelsons Händen mit großem Verständnis herausgearbeitet werden. Nelsons betont das Zerklüftete, die harmonische Avanciertheit gewisser Partien der Partitur, so dass die konsonanten Momente umso entspannender wirken. Zwar gibt es Einspielungen, die das Stimmengeflecht noch klarer herausarbeiten, dann jedoch zumeist zu Lasten der dramatischen Zugkraft, doch gehört Nelsons mit den Musikern aus Birmingham insgesamt zu den zehn besten Einspielungen des Werkes.

Von der Besetzung her naheliegend, vom Konzept her eher konzeptionslos ist die Kopplung mit dem 'Tanz der sieben Schleier' aus 'Salome' op. 54. Das ist sensuelle Orchestrierung pur, bringt aber von der Tempovorgabe her auch eine Art orgiastischen Anteil mit. Nelsons hat keine Angst vor diesem Aspekt der Musik (übertreibt aber nicht, hält sich vielmehr immer wieder überraschend zurück), hebt nicht zuletzt auch durch Portamento die erotischen Bewegungen Salomes deutlich hervor; so gelingen ihm sensuelles Orchesterspiel und dramatische Wirkung gleich gut. Die Aufnahmetechnik, auch ohne SACD-Surroundsound, bringt den Klangreichtum des riesigen Orchesterkörpers auf schönste Weise zur Geltung. Man wünscht sich Skrjabin und Szymanowski von Andris Nelsons, vielleicht auch andere selten zu hörende Fin-de-siècle-Literatur.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Strauss, Richard: Eine Alpensinfonie

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
ORFEO
1
03.02.2011
Medium:
EAN:

CD
4011790833125


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ORFEO

Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
Der Musik der Moderne wird mit den gleichen Qualitätsstandards Beachtung geschenkt - in exemplarischen Neuaufnahmen wie in Mitschnitten bedeutender Uraufführungen. Wichtige Akzente setzen dabei die Serien Edition zeitgenössisches Lied, die bis in die unmittelbare Gegenwart vorstößt, und Musica Rediviva mit Werken verbotener oder zu Unrecht vergessener Komponisten.
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