
Strauss, Richard - Eine Alpensinfonie
Lebhaft und organisch
Label/Verlag: ORFEO
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Andris Nelsons begreift die 'Alpensinfonie' von Richard Strauss als sinfonisches Werk mit dramatischer Zugkraft und bindet das Illustrative geschickt in den großen Bogen ein. Diese Einspielung gehört zu den besten Aufnahmen der 'Alpensinfonie'.
In Andris Nelsons‘ Strauss-Reihe aus Birmingham entstanden im Januar/Februar und November 2010 Mitschnitte der 'Alpensinfonie' und des 'Tanzes der Sieben Schleier' aus 'Salome' – wichtige Kompositionen ohne Frage, doch hier in einer doch recht merkwürdigen Kopplung. Es ist immer so schade festzustellen, wenn sich Dirigenten nicht mit den Kompositionen just neben dem Mainstream befassen. Bei Strauss gibt es bis heute Stiefkinder der Orchestermusik, während andere Werke unangemessene Bevorzugung erfahren (allen voran die 'Burleske' und das Violinkonzert). Während die 'Alpensinfonie' op. 64 früher als ganz besonderer Höhepunkt des Musiklebens galt, ist er im Tonträgerhandel für jedes Orchester, das etwas auf sich hält, nahezu Pflicht.
Dass Nelsons‘ Livemitschnitt eine beachtliche Leistung ist, die etwa den klassischen Studioproduktionen unter Janowski, Kempe oder Karajan an dramatischer Kraft und differenziertem Klangreichtum in nichts nachsteht, sie vielmehr ohne Schwierigkeiten übertrifft, überrascht mit Blick auf frühere Publikationen aus der Reihe nicht wirklich. Nelsons hat eine gute Hand für die Architektur der Werke, ein Gespür für Strauss‘sches Timing, eine Sorgfalt in der Einstudierung, die auch die Zwischenstimmen klar zum Vorschein kommen lässt, ohne den zwangsläufigen Puls, das ‚momentum‘ der Komposition einen Moment lang nachzulassen. Strauss‘ Melos leuchtet warm, sein Gefühl für Portamento ist gerade recht. Dass die Gesamtdauer der Interpretation dennoch mit 51‘39 durchaus beachtlich ist, ist jedoch keineswegs zu spüren – immer wirkt Nelsons‘ Interpretation lebhaft und organisch, die programmatischen Aspekte sind (außer im Booklettext) keinen Moment primär äußerlich-illustrativ. Schon Richard Specht hat die strukturellen Aspekte der Partitur hervorgehoben, die unter Nelsons Händen mit großem Verständnis herausgearbeitet werden. Nelsons betont das Zerklüftete, die harmonische Avanciertheit gewisser Partien der Partitur, so dass die konsonanten Momente umso entspannender wirken. Zwar gibt es Einspielungen, die das Stimmengeflecht noch klarer herausarbeiten, dann jedoch zumeist zu Lasten der dramatischen Zugkraft, doch gehört Nelsons mit den Musikern aus Birmingham insgesamt zu den zehn besten Einspielungen des Werkes.
Von der Besetzung her naheliegend, vom Konzept her eher konzeptionslos ist die Kopplung mit dem 'Tanz der sieben Schleier' aus 'Salome' op. 54. Das ist sensuelle Orchestrierung pur, bringt aber von der Tempovorgabe her auch eine Art orgiastischen Anteil mit. Nelsons hat keine Angst vor diesem Aspekt der Musik (übertreibt aber nicht, hält sich vielmehr immer wieder überraschend zurück), hebt nicht zuletzt auch durch Portamento die erotischen Bewegungen Salomes deutlich hervor; so gelingen ihm sensuelles Orchesterspiel und dramatische Wirkung gleich gut. Die Aufnahmetechnik, auch ohne SACD-Surroundsound, bringt den Klangreichtum des riesigen Orchesterkörpers auf schönste Weise zur Geltung. Man wünscht sich Skrjabin und Szymanowski von Andris Nelsons, vielleicht auch andere selten zu hörende Fin-de-siècle-Literatur.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Strauss, Richard: Eine Alpensinfonie |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORFEO 1 03.02.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
4011790833125 |
![]() Cover vergössern |
ORFEO Erschienen die ersten Aufnahmen des 1979 in München gegründeten Labels noch in Lizenz bei RCA und EMI, produziert und vertreibt ORFEO seit 1982 unter eigenem Namen. Durch konsequente Repertoire- und Künstlerpolitik konnte sich das Label seit seinem aufsehenerregenden Auftritt am Anfang der Digital-Ära dauerhafte Präsenz auf dem Markt verschaffen. Nicht nur bekannte Werke, sondern auch weniger gängige Musikliteratur und interessante Raritäten - davon viele in Ersteinspielungen - wurden dem Publikum in herausragenden Interpretationen zugänglich gemacht. Dabei ist es unser Bestreben, auch mit Überraschungen Treue zu klassischer Qualität zu beweisen.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag ORFEO:
-
Hörgenuss französischer Cello-Konzerte: Daniel Müller-Schott und Alexandre Bloch am Pult des Deutschen Symphonie-Orchester Berlin bieten französische Meisterwerke höchst expressiv als Ganzes und mitreißend in jedem Detail. Weiter...
(Christiane Franke, )
-
Deutsche Violinsolosonaten der Goldenen Zwanziger: Baiba Skride erkundet die große Freiheit der Soloviolinmusik in der Nachfolge Regers. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Ein Kuss auf die Stirn: Eine liebevolle Wiederbelebung einer komischen Oper von Johann Strauss. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Komplexe Kunst: Verlässlich bringt das Orlando Consort wie hier mit Machaut ferne Musik ans Ohr der Gegenwart und lässt sie ebenso regelmäßig auf erstaunliche Weise bei aller Komplexität frisch, relevant und dringlich klingen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
"Mannheimer goût" mit enormem Eigenwert: David Castro-Balbi und das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter Kevin Griffiths überzeugen auf ganzer Linie mit Werken von Johann Stamitz. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Portrait

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich