
Rachmaninoff, Sergei - Klavierkonzert Nr.2 in c-Moll, op.18
Überzeugende Durchleuchtung
Label/Verlag: Challenge Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ein junger, preisgekrönter Pianist spielt Rachmaninows Zweites Klavierkonzert und Werke von Liszt. Die Aufnahme mit Nobuyuki Tsujii, Yutaka Sado und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin begeistert.
Eben erschien die Debüt-CD des Pianisten Nobuyuki Tsujii beim holländischen Label Challenge. Das zu hörende Programm bildet eine Auswahl von drei Klavierstücken Franz Liszts sowie das Zweite Klavierkonzert von Sergei Rachmaninow – alles Werke, die oft (ein-)gespielt wurden und werden: die einen, weil wir dieses Jahr Liszts 200. Geburtstags feiern und das andere, weil es sich seit seiner Uraufführung im Jahre 1901 großer Beliebtheit erfreut und so seinen festen Platz in den Programmen der großen Häuser gefunden hat. Es spielt der junge Pianist Nobuyuki Tsujii zusammen mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Yutaka Sado.
Klar und farbig
Die ersten, sich steigernden Akkorde des Klavieres erklingen ungewohnt zügig, doch gelingt dadurch ein fließend natürlicher Übergang in den Grundpuls dieses ersten Satzes. Bei der Themenvorstellung durch das Orchester fällt dessen dichtes Zusammenspiel positiv auf; dynamisch vielschichtig verweben sich die Stimmen. Das Tempo, mit 'Moderato' angegeben, wird schlüssig umgesetzt. Man nimmt sich hier das gewisse bisschen Mehr an Zeit, das dieser Satz braucht, um voll ausgespielt werden zu können. Virtuosität bedeutet ja nicht unbedingt, dass man schnell und viel spielen müsse. Es ist ein besonderes Erlebnis für die Zuhörer, wenn es ihnen – wie hier – möglich ist, die Schichten der Musik wahrzunehmen. Die rhythmische Prägnanz dieses ersten Satzes kann durch das gewählte Tempo Präsenz gewinnen; majestätisch schwer schreitende Teile stehen im Kontrast zu den lyrisch fließenden.
Im 'Adagio sostenuto' trägt Nobuyuki Tsujii am Klavier die glänzenden Solisten des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin von einer Phrase zur nächsten, mit feinem Gespür für die vielen Farbnuancen in den gebrochenen Akkorden. Das vertauschte Rollenspiel (später begleiten die Klarinetten auf ebenjene Weise das Klavier) geht ein wenig verloren, weil die Klarinetten klanglich ein wenig in den Hintergrund rücken. Die Stimme(n) des Klaviers, die wohl ebenso eng verstrickt sind wie die des Orchesters, durchdringt der Pianist in all ihren Ebenen, hebt hier und dort die eine oder andere hervor, um sie kurz darauf wieder im Klangteppich verschwinden zu lassen. Er zeigt dabei nicht zuletzt Vielfalt und Flexibilität im Anschlag. Den musikalischen ‚Vulkanausbruch‘ gegen Ende dieses zweiten Satzes halten die Interpreten mit sanften Zügeln, wodurch er beinahe schüchtern, aber umso ehrlicher wird.
In den dritten Satz stürzt sich der Pianist geradezu. Doch behält er die innere Ruhe, die es zur Kontrolle in derart flirrenden Tempi benötigt. Keine der rauschend virtuosen Passagen scheint den bei dieser Aufnahme kaum 20 Jahre alten Japaner in Schwierigkeiten zu bringen. Im Verlauf des 'Allegro scherzando' türmen sich Berge auf, ganze musikalische Landschaften. Stets besteht großer Zusammenhalt zwischen Orchester, Dirigent und Pianisten. Gemeinsam gelingt ihnen auch im Pianissimo eine leise brodelnde Spannung. Kurze Ruhepausen bringen die lyrischen Einwürfe. Die Soli des Klaviers wirken dabei frei, fast improvisiert. Und wenn das Thema zum letzten Mal erklingt, weit vorgetragen vom Orchester und gedrängt vom Klavier, dann spielen Nobuyuki Tsujii, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und Yutaka Sado, schlichtweg der Erdenschwere enthoben.
Musikalische Leckerbissen von Liszt
Das Ensemble von drei Klavierstücken Franz Liszts beginnt mit dem 'Liebestraum Nr. 3'. Nobuyuki Tsujii spielt hier nicht intim, eher groß und lyrisch, die Melodie in den Daumen deutlich hervorhebend. Im natürlichen Rubato des Pianisten ist der Puls nicht starr, drängt hier und zögert dort gelegentlich kaum merklich auf organische Weise. Jede Virtuosität entbehrt hier der bloßen Effekthascherei und findet im Verlauf ihre Funktion im Stück. Es folgt der 'Mephisto-Walzer Nr. 1'. Perlend und klar, wie besessen rast Nobuyuki Tsujii durch die Register des Klavieres, repetierend als gäbe es kein Morgen. Jede Steigerung lässt noch staunender lauschen, und als schon schier das ganze Klavier klingt, schwebt noch von irgendwo ein Stimme mehr herein. Das Finale der CD bildet die Zweite Ungarische Rhapsodie von Liszt, und hier offenbart der Pianist abermals seine große technische Expertise und den Überblick für die große Form. Obertonreich im Klang wirken die Triller paralysierend. Der Schluss mündet in einem rauschenden Klangteppich, den Nobuyuki Tsujii mit intensiver Pedalarbeit erzeugt. Hier sei noch einmal bemerkt, dass der blinde Pianist zum Zeitpunkt der Aufnahme (Rachmaninow 2008, Liszt 2007) keine 20 Jahre alt war – eine beachtliche Leistung und interpretatorische Reife. Rachmaninows Zweites Klavierkonzert ist großartig klar und farbig gelungen, Yutaka Sado eröffnet dem Zuhörer die Dichte des Orchestersatzes. Zusammen mit den drei Stücken von Franz Liszt zeigt sich Nobuyuki Tsujii als reifer Pianist, gewandt und voller Kraft lässt er atemberaubende Spannung entstehen. Das CD-Booklet bietet Information zu Werken und Interpreten (nur in Englisch) und ist optisch recht schlicht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Rachmaninoff, Sergei: Klavierkonzert Nr.2 in c-Moll, op.18 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Challenge Classics 1 01.12.2010 59:50 2008 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
608917237122 CC72371 |
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"Enorm talentiert: Der blinde Pianist Nobuyuki Tsujii Der 21-jährige japanische Pianist Nobuyuki Tsujii wurde 2009 mit der Goldmedaille des van Cliburn Wettbewerbs geehrt. Von Geburt an ohne Augenlicht, muss Tsujii sich sein Repertoire allein nach dem Gehör erarbeiten. Gemeinsam mit seinem Landsmann Yutaka Sado und dem DSO Berlin legt er nun eine atemberaubende Aufnahme von Rachmaninoffs 2. Klavierkonzert vor, ergänzt durch drei Klavierstücke von Franz Liszt." |
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