
Dinescu, Violeta - Tabu
Zwischen Tag und Traum
Label/Verlag: gutingi
Detailinformationen zum besprochenen Titel
DasTrio Contraste stellt Werke der Komponistin Violeta Dinescu vor - Stücke, die viele spannende Eindrücke versprechen. Umgesetzt werden sie auf überzeugende Weise.
Die 1953 in Bukarest geborene Violeta Dinescu wagt anhand acht Kompositionen ein ‚Vortasten in seelische Regionen‘, Gegenden, welche wohl nur im Traum gefunden werden können und so realitätsfern sind, dass zunächst droht, sich in diesem Dschungelgeflecht aus Klängen und Eindrücken zu verirren und zu verfangen. Wer jedoch Zugang zu dieser Art von Musik findet, für den erweist sie sich als Portal zu einer anderen Welt.
Der Begriff ‚Tabu‘ spielt vor allem in archaischen Gesellschaften eine große Rolle, und diese Parallele zu indigenen Völkern ist ganz bewusst gelegt. Der Ausbruch aus den klassischen Kompositionsregeln hat etwas Wildes und Rohes, gar Unheimliches an sich. Jedoch hält in den ‚Naturreligionen‘ jeder Tabubruch einen heiligen Moment inne, welcher in seiner Numinosität abschreckend und anziehend, abstoßend und faszinierend zugleich ist. Dieses Spannungsfeld zeigt sich ganz deutlich in Dinescus Musik. Ihr Ausdruck für Unaussprechliches zieht den Hörer in Bann, starke innere Unruhe, ja sogar Wut mit sich ziehend. Entspannung bleibt völlig ausgeschlossen.
Vor allem das Stück 'Tabu' hält einige Überraschungen bereit. Es beginnt mit einem zarten, frühlingshaften Thema zwischen 'Carmina Burana' und rumänischem Volksgut und verliert sich anschließend in Trommeln und dem Trompeten vermeintlicher Elefanten. Herauszugreifen ist auch 'Lun-Ju' für Schlagzeug und Synthesizer, ein Stück, das einem Traum gleicht, genauer: einem Albtraum. Äußerst beunruhigende und unheimliche Klangeindrücke, die vor allem durch den verzerrten Orgelklang des Synthesizers entstehen, provozieren ein starkes Déjà-vu verdrängter Albträume, dass von einem ‚Hörvergnügen‘ nicht die Rede sein kann. Das Eingangsstück 'Auf der Suche nach Mozart' lässt zunächst eine Rückbesinnung auf die Klassik vermuten; letztere ist aber nur mit sehr viel Phantasie auszumachen. Winzige Fragmente wie z. B. aus 'Der Hölle Rache' nennt Egbert Hiller im Booklet ‚mozärtliche Klangmomente‘, mehr jedoch ist es nicht. Dieses äußerst komplexe Tongeflecht führt den Hörer tatsächlich auf die Suche nach Mozart, wirklich finden kann man ihn nicht (und soll es vermutlich auch nicht).
Das Trio Contraste schafft es, die verschiedenen Techniken, welche die unterschiedlichen Stücke fordern, perfekt in Klang umzusetzen. Mag auch diese Art von Musik für Profis wie S. Petrescu (Klavier), I. B. Stefanescu (Flöte) und D. Roman (Schlagzeug) keine Schwierigkeiten in tonaler Hinsicht aufweisen – rhythmisch stellt sie eine große Herausforderung dar, und auch diesbezüglich agiert das Ensemble exzellent. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese CD für Liebhaber zeitgenössischer Musik Komposition Interessantes bereithält, das Gelegenheit dazu bietet, in neue musikalische Sphären eintauchen lassen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Dinescu, Violeta: Tabu |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
gutingi 1 23.11.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
4012652024330 |
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