
Wilhelm Friedemann Bach: Concerti & Trios - W. F. Bach-Serie, Vol. 4
Früchte der Freiheit
Label/Verlag: Carus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sowohl in interpretatorischer Hinsicht wie auch in der gelungenen Wahl des musikalischen Programms überzeugt die vorliegende Aufnahme.
Zu Ehren des 300. Geburtstags von Wilhelm Friedemann Bach tritt das CD-Label des Carus-Verlags in diesem Jahr gleich mit mehreren Tonträgerveröffentlichungen von Werken des ältesten Bach-Sohnes positiv in Erscheinung. Zuletzt erschien der zweite Teil einer Aufnahmereihe geistlicher Vokalwerke. Bei vorliegender Einspielung wird der Fokus auf kammermusikalische Werke für Cembalo und Streichinstrumente gerichtet.
Wie bereits nach dem spannenden musikalischen Programm der Vorläufer zu erwarten, handelt es sich auch bei drei der vier hier aufgenommenen Concerti und Trios um Weltersteinspielungen. Die Aufnahme begleitet die neue kritische Edition von gesammelten Werken W. F. Bachs im Carus-Verlag. So ist die Veröffentlichung der beiden Cembalokonzerte in D-Dur und g-Moll zum Entstehungszeitpunkt der CD noch in Vorbereitung. Sowohl das Konzert in g-Moll wie auch das Trio H-Dur für Violine und Cembalo sind nach heutigem Forschungsstand Werke von zweifelhafter Authentizität. Dem Booklet-Autor Peter Wollny gelingt es – zumindest für das Cembalokonzert – die stilistischen Zweifel an der Authentizität zu entkräften, während sich das Trio gerade auch nach genauerer analytischer Betrachtung nicht so recht in das Gesamtwerk des Bach-Sohnes einordnen lassen will. Der für Wilhelm Friedemann Bach ungewöhnlich heitere Stil des dreisätzigen Trios ist für den Hörer bereits nach wenigen Takten des 'Larghetto', vor allem aber auch in den nachfolgenden schnellen Sätzen, sehr offensichtlich. Im Vergleich zu den anderen Kompositionen ist das Trio verblüffend klar strukturiert; eindeutige vorklassische Momente erinnern somit vielmehr an einen der späteren Bach-Söhne.
Höhepunkt Cembalokonzert D-Dur
Ein Höhepunkt dieser Einspielung ist das Cembalokonzert in D-Dur mit dem jungen Solisten Sebastian Wienand sowie Mitgliedern des Freiburger Barockorchesters. Das nicht wenig überraschend komplexe Werk erfordert eine außerordentlich selbstbewusste Interpretation – gerade auch von den begleitenden Streichern. Offenen Phrasen und kleinste motivische Elemente durchziehen alle Stimmen, unter denen ausgerechnet Bratsche (Werner Saller) und Violone (Frank Coppieters) durch ihren forschen Klang auffallen. Selbst die beiden Violinstimmen sind so eigenständig konzipiert, dass die erste Violine in der Interpretation von Anne Katharina Schreiber häufig nicht nur durch melodische Elemente, sondern vor allem durch einen vergleichsweis dunklen, rauen, dabei aber sehr fordernden Klang in Erscheinung treten kann. Aufgrund des komplexen Klanggewebes in den Streichern tritt der Cembalist leider an recht vielen Stellen deutlich in den Hintergrund, lenkt so aber gleichzeitig das Ohr des Hörers auf die beeindruckende Gesamtkonzeption des Werkes.
Der Eindruck einer ‚aufgeweichten‘, bröckelnden Trennwand zwischen Solist und Orchester wird im zweiten Cembalokonzert in g-Moll bestätigt. Zwar beeindruckt in erster Linie Wienand auch hier durch sein technisch blitzsauberes, durchsichtiges Spiel. Ungeheure Klangexplosionen lenken aber immer wieder den musikalischen Fokus weg vom Soloinstrument hin zum Gesamtkomplex der Musizierenden – Solokonzert meint hier eben nicht die ständige Exponierung eines Einzelnen, sondern nur momentanes Hervortreten ins Rampenlicht. Auffällig ist im 'Adagio' die lange Dauer von knapp zehn Minuten als Ruhepol zwischen den beiden schnellen Rahmensätzen. Das abschließende 'Vivace' überrascht mit unvorhersehbaren musikalischen Entwicklungen, welche die Formulierung ‚mit einem zwar weiterhin ernsten, aber mitreißenden Elan‘ nicht recht treffend wirken lässt. Mitreißende melodische Wendungen vermitteln dank der kraftvollen, ausgereiften Interpretation aller Beteiligten eine überaus positive, übersprühende Energie. Das energiegeladene Spiel der Interpreten in Kombination mit den anspruchsvollen und noch weitestgehend unbekannten Werken sorgt für eine außerordentlich gute Bilanz bei der Bewertung dieser empfehlenswerten Aufnahme.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Wilhelm Friedemann Bach: Concerti & Trios: W. F. Bach-Serie, Vol. 4 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Carus 1 25.11.2010 068:50 2010 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4009350833579 8335700 |
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"Wilhelm Friedemann Bach galt als einer der größten Orgel- und Klaviervirtuosen seiner Zeit. Die Grundlagen für diesen Ruf schuf er bereits in jungen Jahren, vornehmlich während seiner Amtszeit als Organist der Dresdner Sophienkirche. In den 1740er Jahren sind zudem mehrere öffentliche Auftritte W. F. Bachs als Cembalovirtuose in Leipzig nachgewiesen, während in Dresden seine Teilnahme an musikalischen Soireen in Adelshäusern und vielleicht auch bei Hofe anzunehmen ist. Kompositorische Erträge dieser Auftritte sind seine brillanten Cembalokonzerte, von denen das in g-Moll hier erstmals eingespielt wurde. Eine Sonate und ein Trio ergänzen die immer noch recht lückenhafte Diskographie des ältesten Bach-Sohnes." |
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Carus Der Name Carus steht weltweit als ein Synonym für höchsten Anspruch und Qualität auf dem Gebiet geistlicher Chormusik. Dies betrifft nicht nur unsere zuverlässigen Noteneditionen vieler zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke. Es ist uns ein besonderes Anliegen, gerade diese Werke - oft als Weltersteinspielungen - auch in exemplarischen Interpretationen durch hochrangige Interpreten und Ensembles auf CD vorzulegen. Der weltweite Erfolg unseres Labels führte zur Erweiterung unseres Katalogs: Neben der Chormusik, die weiterhin den Schwerpunkt des Labels bildet, haben gerade in den letzten Jahren einige Aufnahmen barocker Instrumentalwerke internationale Beachtung gefunden. Unsere Zusammenarbeit mit erstklassigen Interpreten führte zu einer hohen Klangkultur, die mit der Verleihung vieler internationaler Preise honoriert wurde (Diapason d'Or, Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Gramophone - Editor's choice). Mehr Info... |
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