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Sonntag, 24. September 2023

Spohr, Louis - Die letzten Dinge

Aufwendige Überschätzung


Label/Verlag: Kaleidos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Es fällt aus dem üblichen Rahmen und singt sich gut: Louis Spohrs Oratorium 'Die letzten Dinge' ist bei Laienchören zunehmend beliebt, hat aber seine Tücken.

Louis Spohr war zu Lebzeiten hochgeachtet. Neben Paganini war er der bedeutendste Geiger, als Dirigent stand er im Ruf der Musikpflege und Förderung junger Komponisten; namhafte Größen durchliefen seine Violinschule, seine Kompositionen waren Anregung und Wegweiser für die nachfolgende Generation. Dennoch war er nach seinem Tod 1859 schnell vergessen. Das lag zum Teil daran, dass er in den letzten Lebensjahren Werke schuf, die der an sich so selbstkritische Künstler nie hätte veröffentlichen sollen.

Erst 2009 zum großen Jubiläum wurden einige seiner großartigen Werke neu ediert, aufgeführt und damit wiederentdeckt. Dazu zählt das Apokalypsen-Oratorium 'Die letzten Dinge'. Louis Spohr komponierte es zwischen 1825 und 1826 in seiner Zeit als Generalmusikdirektor in Kassel. Auch damals durchaus auf Wirkung bedacht wurde die Uraufführung regelrecht inszeniert. Am Karfreitag im Jahr 1826 unter einem mit Silberfolie überzogenem Kreuz, das von 600 Glaslampen erleuchtet wurde, erzielte Spohr eine Wirkung, die keiner der 2000 Zuhörer mehr vergessen sollte. Noch erfolgreicher war Spohr mit diesem Werk in England. Auf einer seiner letzten Reisen stellte er fest, dass nahezu jeder musikinteressierte Haushalt einen Klavierauszug seines Oratoriums habe.

Als Textgrundlage diente ihm ein Entwurf seines Freundes und Herzoglich Sächsischen Weimarischen Hofrates Friedrich Rochlitz, der dramaturgisch geschickt Auszüge aus der Johannes-Offenbarung zusammenstellte, um das Weltgericht zu beschreiben. Spohr kleidete den Text in eine Musik, die an Haydn wie an Mendelssohn erinnert und geradezu fesselnd und aufwühlend die Dramatik der Todesvisionen vor Augen führt. Am Ende des Kampfes zwischen Gott und dem Teufel erzielte Spohr durch eine geschickte Instrumentierung apotheotisches Hochgefühl in großartiger Klangfülle.

Die Gefahr, bei Aufführungen dabei Maß und Ziel zu verlieren, ist sehr groß. Das zeigt der Vergleich der mittlerweile erhältlichen Einspielungen. Daran muss sich der Osnabrücker Kirchenmusikdirektor Carsten Zürndorf messen lassen. Zum 150. Todestag 2009 führte er Spohrs 'Die letzten Dinge' mit seiner Marienkantorei Osnabrück auf. Der Mitschnitt, der in einer aufwendig gestalteten Produktion vorliegt, ist überraschend gelungen, was die Tonqualität betrifft. Die Anwesenheit des Publikums ist nicht zu hören. Aber ebenso deutlich fallen die Schwächen auf. Zürndorf ist bemüht, aber er durchdringt nicht die Musik. Seine Tempi sind zu schleppend, zu wenig dynamisch, sodass der in seinem Gesamtklang an sich schon sehr vibratoreiche Chor massig und schwer wirkt und dennoch im großen Orchesterklang der Capella Classica oft genug untergeht. Hinzu kommt Zürndorfs offensichtliche Vorliebe für die Überzeichnung von Sforzati. Er übersieht dabei, dass Spohr alleine durch seine musikalischen Sinneinheiten stark genug akzentuiert und eher zur Verhaltenheit veranlasst, um große Melodiebögen zu wahren und lyrische Passagen auszugestalten. Dieser Schwerpunkte überbetonenden Interpretation unterliegen auch die Solisten, die jeder für sich ihre Partie meistern, jedoch vom Timbre her nicht in der Lage sind, sich zu einem einheitlichen Solistenchor zu verbinden.

Carsten Zündorf gibt im Booklet eine gute Einführung in das Werk. Anschließend folgen Bildern des Graphikers und Malers Uwe Appold zu einzelnen Bibelstellen. Auch der Text zum Oratorium ist im zweisprachigen Booklet abgedruckt. Kosten wurden nicht gescheut, um den Eindruck einer außergewöhnlichen Aufführung zu erwecken.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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    Spohr, Louis: Die letzten Dinge

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Kaleidos
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Kaleidos

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