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Montag, 2. Oktober 2023

Bach, Johann Sebastian - Original works and transcriptions

Koroliov spielt Bach - original und transkribiert


Label/Verlag: Tacet
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Neben Originalwerken gibt es auf Evgeni Koroliovs neuer Bach-CD auch Transkriptionen, teilweise auch für Klavier zu vier Händen zu hören. Das Ergebnis überrascht nicht, denn wieder einmal gelingt ihm mit seiner Bach-Interpretation ein großer Wurf.

Johann Sebastian Bachs Klaviermusik bildet in der Diskographie Evgeni Koroliovs einen klaren Schwerpunkt. So handelt es sich bei neun von bislang fünfundzwanzig erschienenen Aufnahmen des 1949 in Russland geborenen und heute in Hamburg lebenden und lehrenden Pianisten um Aufnahmen von Werken Johann Sebastian Bachs, darunter das ‚Wohltemperierte Klavier‘, die ‚Goldbergvariationen‘ und seine vielfach gelobte Einspielung der 'Kunst der Fuge'. Insbesondere durch diese Einspielungen gilt Koroliov als äußerst interessanter Bach-Interpret und wurde für seine Konzerte und Aufnahmen vielfach gelobt und ausgezeichnet. Die Tatsache, dass er innerhalb der Musikszene jedoch ein sehr viel geringeres Echo erfährt als so mancher anderer (von den Major-Labels gepushter) Shootingstar, wirkt, gemessen an seinen wirklich herausragenden Interpretationen, hingegen eher unverhältnismäßig. Andererseits ist das vielleicht auch auf die Bescheidenheit des Interpreten zurückzuführen, der statt überflüssiger Manierismen allein das Klavier für sich sprechen oder vielmehr singen lässt. Ein hohes Maß an Natürlichkeit ist die Folge. Folglich dürfen die Erwartungen groß sein, wenn eine neue Aufnahme von Koroliov erscheint, insbesondere, wenn es sich um Werke von Bach handelt.

Neben dem sechsstimmigen Ricercar aus dem ‚Musikalischen Opfer‘ und ausgewählten Sätzen der auch als ‚Orgelmesse‘ bekannten Choralbearbeitungen aus dem dritten Teil der ‚Clavierübung‘, finden sich auf dieser CD auch Bearbeitungen Bachscher Werke. Bei den für Klavier zu vier Händen eingerichteten Transkriptionen des ungarischen Komponist György Kurtág handelt es sich um sechs unterschiedliche Werke, teilweise für die Orgel, teilweise aber auch für Orchester geschrieben. Die berühmte Passacaglia und Fuge in c-Moll (BWV 582) wurde von Koroliov selbst für Klavierduo eingerichtet und mit dem großen Präludium und Fuge a-Moll (BWV 543) findet sich auch eine Bach-Bearbeitung von Franz Liszt auf der CD. Folglich gestaltet sich die CD recht abwechslungsreich, denn die verschiedenen Transkriptionen klingen – auch im Kontrast zu den Originalwerken – durchaus unterschiedlich.

Eröffnet wird die CD durch das sechsstimmige 'Ricercar aus dem ‚Musikalischen Opfer‘. Koroliov überzeugt – wie schon in seinen früheren Bach-Einspielungen, insbesondere der 'Kunst der Fuge' – durch ein hörbar hohes Maß an Transparenz der einzelnen Stimmen. Die von ihm bis ins Detail durchdachte polyphone Struktur des sechsstimmigen Kontrapunktes vermittelt er vor allem durch seinen bis ins Feinste nuancierten Anschlag. Koroliov nutzt dazu die Möglichkeiten des modernen Flügels, wodurch es ihm gelingt die oft komplexe Vielstimmigkeit äußerst differenziert darzustellen. Dem Hörer ermöglicht das dem Interpreten problemlos zu folgen.

Im Duo mit seiner Frau

Die folgenden Arrangements von György Kurtág sind für Klavier zu vier Händen eingerichtet. Koroliov spielt hier gemeinsam mit seiner Frau Ljupka Had~igeorgieva, mit der er seit den 1970er Jahren – der Zeit seines Studiums am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium – als Duo Koroliov auftritt. In der Einrichtung für Klavier zu vier Händen werden von Kurtág insbesondere bei den Transkriptionen der Orgelwerke auf beeindruckende Weise mit den Klängen gespielt. Kurtág überträgt dabei die Klangvorstellung der Orgelregister auf das Klavier indem er in den Choralvorspielen 'O Lamm Gottes unschuldig' (Track 2) und 'Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr' über dem Cantus Firmus eine im vierfachen Piano ‚kaum hörbare‘ Duodezime (Oktave + Quinte) erklingen lässt und somit faktisch den Klang eines mit einem 8-Fuß-Register kombinierten Quint-Registers (2 2/3 Fuß) imitiert. Mit der Einrichtung der eröffnenden Sonatine aus der Kantate 'Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit' (auch bekannt unter dem Namen ‚Actus tragicus‘, BWV 106) findet sich auch ein Kantatensatz unter den Kurtág-Arrangements. Ein wenig unspektakulärer ist hingegen die Einrichtung des alleine stehenden Kopfsatzes der ersten Triosonate (BWV 525). Wenn auch hier den jeweiligen Stimmen ihr eigener Charakter durch eine Registrierung in verschiedene Lagen des Flügels verliehen wird, so erscheint der Satz zwischen der vorangehenden Sonate und der nachfolgenden Passacaglia auch etwas losgelöst. Trotz des hervorragenden Spiels wäre eine gute Orgel- oder Ensembleaufnahme dennoch vorzuziehen. Bei der Einspielung der großen Passacaglia und Fuge in c-Moll (BWV 582) in der Fassung für Klavier zu vier Händen greift Evgeni Koroliov nicht auf die bereits vorhandene Bearbeitung von Max Reger zurück, sondern richtet das Werk selbst neu ein. Dabei nutzt Koroliov ebenso wie Kurtág die Möglichkeit des vierhändigen Spiels für ein differenziertes Abbilden mehrerer Stimmen in unterschiedlichen Registern der Orgel bzw. Lagen auf dem Konzertflügel. Das vierhändige Spiel des Duos lässt dabei keine Wünsche offen und gestaltet die einzelnen Passagen der Passacaglia wie auch der Fuge äußerst spannend. Das Tempo der Passacaglia ist nicht – wie auf so manchen Orgelaufnahmen – zu langsam gewählt und auch das Tutti am Ende verliert sich nicht in einem dröhnenden Forte, keine gezwungene Dekadenz, vielmehr größtmögliche Natürlichkeit – auch von Anstrengung ist da nichts zu hören.

Die folgenden Choralbearbeitungen bilden nach dem vierhändigen Monumentalwerk einen willkommenen Ruhepol. Koroliov hat elf aus den einundzwanzig Choralbearbeitungen des dritten Teils der Clavierübung von Bach ausgewählt, welche ohne weitere Bearbeitung im Original auch manualiter (zweihändig) auf dem Klavier (statt Orgel) gespielt werden können. Mit 'Aus tiefer Not schrei ich zu dir' (Track 18) erklingt nun in schlankerer Gestalt und auch deutlich langsamer – introvertierter als zuvor – ein bereits aus den Kurtág-Transkriptionen bekanntes Choralvorspiel (Track 4), an dem im Direktvergleich gut nachvollzogen werden kann, wie Kurtág bei der Einrichtung für vierhändiges Klavier vorgegangen ist. Eine Transkription des abermals ursprünglich für Orgel komponierten Präludium und Fuge a-Moll von Franz Liszt schließt die CD. Das toccatenartige Präludium und die im Klavier durch Oktavierungen später vollgriffigere Fuge verlangen einen virtuosen Interpreten. Und auch hier bleibt Koroliov nichts schuldig und überzeugt auf ganzer Linie.

Das Herzblut, das Evgeni Koroliov in sein Klavierspiel legt, erreicht den Hörer unmittelbar. Seine Interpretationen packen den Hörer, ergreifen ihn, (be)rühren ihn. Koroliovs neue Bach-Einspielung ist daher uneingeschränkt zu empfehlen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Peter Büssers Kritik von Peter Büssers,


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    Bach, Johann Sebastian: Original works and transcriptions

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Tacet
1
17.11.2010
Medium:
EAN:

CD
4009850019206


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Tacet

Das Wort TACET kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "er/sie/es schweigt". Es steht in den Noten, wenn ein Musiker für ein ganzes Stück nichts zu spielen hat. In einem solchen Fall steht in den Noten "TACET". Ein paradoxer Name für eine Plattenfirma?

Der Produzent des Labels, Andreas Spreer, liebt das Paradox. Im April 1989 gründete der Diplom-Tonmeister die Musikfirma TACET in Stuttgart/Germany. Seither produziert TACET Musik für höchste Ansprüche auf den verschiedensten Tonträgern (CD, LP, SACD, DVD-Audio, Blu-ray). Von Beginn an erhielten die Aufnahmen herausragende Rezensionen und höchste Auszeichnungen (u. a. mehrere Jahrespreise der deutschen Schallplattenkritik, Cannes Classical Award, Echo, Diapason d'or, Grammy-Nominierung und viele mehr; stöbern Sie ein wenig in den Kritiken auf den Produktseiten), aber was noch wichtiger ist, sie erfreuen sich größter Beliebtheit beim Publikum. Dabei ist noch kein Ende abzusehen: Die Zahl der TACET-Fans wächst immer weiter. Woher kommt dieser langandauernde große Erfolg?

Vielleicht liegt es daran: TACET arbeitet konsequent an der Synthese von zwei Ebenen, die häufig als sehr unterschiedlich oder sogar gegensätzlich angesehen werden: dem musikalischen Gehalt und der aufnahmetechnischen Qualität.

Als Begriff, der sowohl die musikalischen als auch die aufnahmetechnischen Vorzüge der TACET-Aufnahmen umfasst, bietet sich das Wort "Klang" an. Klang entsteht in einem Instrument, der Musiker bringt ihn daraus hervor, doch ob gewollt oder nicht - die nachfolgenden Apparaturen und Personen beeinflussen den Klang auch. Wenn alle Beteiligten, Musiker, Instrumente, Raum, Aufnahmegeräte und "Tonbearbeiter" gut zusammenpassen bzw. zusammenarbeiten, wächst in der Mitte zwischen ihnen wie von selbst etwas Neues empor, das dem Wesen einer Kompositon sehr nahe kommt. Davon handelt unser Slogan "Der TACET-Klang - sinnlich und subtil".

"This is one of the best sounding records you'll ever hear" schrieb das US-Magazin "Fanfare" über die TACET-LP L207 "oreloB". György Ligeti äußerte über die Kunst der Fuge "... doch wenn ich nur ein Werk auf die "einsame Insel" mitnehmen darf, so wähle ich Koroliovs Bach, denn diese Platte würde ich, einsam verhungernd und verdurstend, doch bis zum letzten Atemzug immer wieder hören.". "Entscheidend aber ist die Gemeinsamkeit des Geistes. Die Auryn-Leute beseelt die gleiche Kunstgesinnung..." (Rheinische Post). Stöbern Sie ein wenig in den Kritiken auf den Produktseiten oder noch besser hören Sie sich TACET-Aufnahmen an und überprüfen, was die Kritiker schreiben.

Bei uns darf Musik all das anrühren und ausdrücken, was das Leben ausmacht. Sie erlaubt dem Hörer Gefühle zu empfinden, ohne sentimental zu werden. Sie kann witzig sein und zum Lachen bringen. Sie kann auf ehrliche Weise "romantisch" sein, ohne den Hörer in einen Kaufhausmief von Wohlfühlklängen zu versenken. Sie darf in unendlichen Variationen geistreich sein. Sie darf zum Denken und zum Erkennen anregen, ohne musikalische Vorbildung zu erfordern. Sie darf effektvoll sein und um die Ohren fliegen, wenn es dem Wesen der Werke entspricht. Sie kann Revolutionen im Kopf auslösen, ohne ein einziges Wort. Sie kann widersprechen und korrigieren. Musik kann Verzweiflung wecken, aber auch trösten. Und und und. Die vollständige Liste wäre endlos.

Der TACET-Inhaber und -Gründer Andreas Spreer erhielt u. a. die Ehrenurkunde des Preises der deutschen Schallplattenkritik.


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