
Nobil Donna, Suzie LeBlanc singt - Werke von Sances, Kapsberger, Landi u.a.
Ein Blick von Übersee
Label/Verlag: Atma classique
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vokal- und Instrumentalmusik des italienischen Frühbarock: Eine ebenso inspirierte wie inspirierende Platte mit Suzie LeBlanc und dem Ensemble La Nef.
Die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts mit den pulsierenden musikalischen Zentren in Italien gehören zweifellos zu den kreativsten und dynamischsten Epochen der Musikgeschichte. Etliches, was abendländische Musik in der Folge für Jahrhunderte determinierte, nahm hier seinen Anfang. Zu den wichtigen römischen Orten dieser Zeit zählten die noblen Kardinalshaushalte, in denen Musiker, Maler und andere Geistesgrößen günstige Bedingungen für fruchtbare kreative Tätigkeit fanden. Auch die Familie Barberini unterhielt einen solchen Palast, maßgeblich bestimmt von Maffeo – der als Urban VIII. von 1623 bis 1644 zudem auf dem Papstthron saß – und dessen Neffen Francesco, Taddeo und Antonio Barberini.
Einen interessanten Blick auf diesen kulturhistorischen Ort und dessen näheres und weiteres Umfeld werfen die kanadische Sopranistin Suzie LeBlanc und das ebenfalls in Kanada beheimatete Ensemble La Nef unter der Leitung Alexander Weimanns auf einer Platte, die unter dem Titel ‚Nobil Donna’ bei ATMA Classique erschienen ist. Die Gestaltung des Programms ist effektvoll und kurzweilig geraten: Die üppigen Qualitäten von Giovanni Girolamo Kapsberger (ca. 1580-1651), Girolamo Frescobaldi (1583-1643) oder Stefano Landi (1586-1639) sind hinlänglich bekannt. Hinzu treten Arbeiten von Giovanni-Felice Sances (1600-1679) oder Marco Marazzoli (ca. 1602-1662), deren kompositorische Frische und künstlerische Potenz schon eher überraschen. Im Wechsel von vokal-instrumentalen und rein instrumentalen Sätzen entsteht ein kontrastreiches und farbiges Bild der musikalischen Höhe jener Zeit. Die Tonsetzer sind sämtlich Vertreter des neuen, von Claudio Monteverdi entscheidend geprägten Stils oder ihre Arbeiten zeigen doch zumindest eine intensive Auseinandersetzung mit den Errungenschaften dieses grundsätzlichen ästhetischen und expressiven Wandels.
Beglückende Interpretation
Suzie LeBlanc ist aus einer Reihe hochkarätiger Vokalproduktionen der kanadischen Alte-Musik-Szene bestens bekannt und nutzt die mit der vorliegenden Platte verbundenen Möglichkeiten optimal: Ihre grundsätzlich klare, leichte Stimme erweist sich als extrem modulationsfähig bis hin zu einem wirklich vollen, sinnlichen Klang, der so gar nichts Anämisches hat. Ihre Mittel setzt LeBlanc sehr bewusst ein, Linien werden kontrolliert aufgebaut und unterliegen auf Grund der frappierenden Technik nie dem Diktat des Möglichen, sondern sind unmittelbares Ergebnis des deutlichen Gestaltungswillens der Sopranistin. Die zeigt sich in den teils artistischen Monodien sehr beweglich und zugleich intonatorisch perfekt. Mit erblühenden Tönen spielt LeBlanc wunderbar, in allen Lagen ausgeglichen. Suzie LeBlanc für dieses Repertoire als ideale Besetzung zu bezeichnen, erfordert keinen Mut: Zu deutlich sind ihre Qualitäten, zu überzeugend gelingt die individuelle, dabei nie verengte oder überzeichnete Interpretation der kompositorischen Kleinode.
Mit dem Ensemble La Nef tritt ein kongenialer Klangkörper hinzu: Chloe Meyers an der Violine, Amanda Keesmaat am Violoncello und Matthew Jennejohn mit Zink und Blockflöte sind versierte Melodiker, Sylvain Bergeron an Theorbe und Barockgitarre, Christa Patton an der Tripelharfe und Alexander Weimann an Orgel und Cembalo sorgen für einen variabel registrierten Basso continuo. Die solistische Instrumentalbesetzung findet zu einer hervorragenden Ensemblekultur zusammen, agiert spielfreudig und artikuliert so dezidiert und variabel, wie es die delikaten Kompositionen erfordern. Immer wieder bricht sich eine tolle rhythmisch-tänzerische Komponente Bahn. Aber auch die Begleitsphäre wird kundig durchmessen, mit gezügelter Virtuosität. Das Klangbild zeigt sich für diese Musik bestens präpariert – mit sehr guter Tiefenstaffelung, plastisch ausgebaut und mit durchhörbaren Strukturen. Das Tableau der Tempi ist reich gegliedert, die Extreme meidend aber doch deutliche Akzente setzend.
Suzie LeBlanc und La Nef ist mit großer Expertise und frischem Ansatz eine runde Platte gelungen: Gestaltungswillen, reflektierte Programmgestaltung und tolles künstlerisches Potenzial verbinden sich glücklich. Das ermöglicht den Hörern einen interessanten Blick auf einen kulturhistorisch bemerkenswerten Ort. Zugleich ist die Platte einmal mehr ein Beweis für die enorme Qualität der Alten Musik in Kanada. Und – nicht zuletzt – präsentiert sich Suzie LeBlanc mit einem tollen Solo-Album.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Nobil Donna, Suzie LeBlanc singt: Werke von Sances, Kapsberger, Landi u.a. |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Atma classique 1 15.09.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
722056260527 |
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Atma classique Das Label ATMA - Seele oder Lebensgeist auf Sanskrit - wurde 1995 gegründet und bietet inzwischen mehr als 200 Aufnahmen von mittelalterlicher bis zu zeitgenössischer Musik mit einem besonderen Schwerpunkt im Barock. Für ihre Aufnahmen umgibt sich Johanne Goyette, Direktorin und zugleich Toningenieurin der Firma, gerne mit wagemutigen Künstlern, um in ihrem Studio Unerhörtes (und Ungehörtes) zu schaffen.
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