
Antonio Cifra - Lauretanische Vespern
Eine Vesper aus Loreto
Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Frühbarocke Vesper: Antonio Cifras Lauretanische Vesper in einer Aufnahme mit dem von Wilfried Rombach geleiteten Ensemble Officium.
Zwar scheint Claudio Monteverdis großartige Marienvesper die liturgische Musik in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts für die heutige Wahrnehmung zu überstrahlen, doch wurde in Italien allenthalben auf hohem Niveau im neuen Stil komponiert. So zeigt es das Beispiel von Antonio Cifra: Der wurde 1584 geboren, absolvierte wichtige Teile seiner musikalischen Ausbildung in Rom und profilierte sich dort seit 1605 in verschiedenen Positionen, bevor er im Jahr 1609 im Pilgerort Loreto die Position des Kapellmeisters übernahm. Hier wirkte Cifra unterbrochen von einigen Rom-Aufenthalten bis zu seinem Tod im Jahr 1629. Aus eben jenem Jahr datiert der Druck, aus dem sich die auf der vorliegenden Platte vorgestellte Lauretanische Vesper speist.
Es sind dies teils vielstimmige Psalmen, die Cifra kompositionstechnisch auf der Höhe der Zeit zeigen, mit schöner linearer Invention, darin gar nicht allzu weit von den Venezianern Monteverdi und Giovanni Rovetta oder dem römischen Kollegen Domenico Mazzocchi entfernt. Es sind repräsentative, gefällige Sätze, die Klangsinn und Affektsicherheit verraten, ohne dass Cifra – wie es Monteverdi in so reichem Maß tat – die ganz kniffligen und vertrackten strukturellen Reizpunkte zu setzen in der Lage wäre. Vor allem die instrumentalen Anteile sind weit weniger charakteristisch ausgebaut als bei den großen Zeitgenossen, sie funktionieren eher als Klangverstärker denn als Träger einer eigenständigen Idiomatik. Im zwölfstimmigen Magnificat, das die Vesper und damit das Programm der Platte beschließt, werden die Qualitäten Cifras gebündelt – damit ein schönes Beispiel für die souveräne Kompositionspraxis des italienischen Frühbarock gebend.
Gute Umsetzung
Die Vokalisten des von Wilfried Rombach geleiteten ensemble officium etablieren einen feinen Ensembleklang: Alle Stimmen hinterlassen einen fundierten Eindruck, verfügen über eine passable Stimmtechnik. In den durchbrochenen Passagen zeichnen die Stimmen klar, in den Tutti-Stellen sind sie zu größerer Klangentfaltung fähig. Über sehr weite Strecken werden die vokalen Aufgaben ohne Qualitätsverluste bewältigt, einzig in einigen bewegten Figuren in den Psalmen 'Beatus vir' und 'Nisi Dominus' offenbaren sich einige individuelle Schwächen. Im Ensembleklang ist die Intonation sehr stabil, in der quasi-solistischen Interaktion gibt es gelegentlich kleinere Wackler. Gegliedert werden die mehrstimmigen Sätze durch gregorianische Antiphonen, die von einer sehr homogenen, als klanglich entferntes Register in gliederndem Kontrast zu den Kompositionen Cifras stehenden Schola fein intoniert werden. Ein konzentrierter Basso continuo ergänzt den Vokalklang harmonisch, vor allem die Truhenorgel verströmt ihr ansprechendes Volumen auf gelungene Weise.
Das Klangbild ist für die relativ große Besetzung überzeugend komponiert und mit einem schönen Raumanteil versehen, wenngleich die Vokalisten vor allem in ihren solistischen Passagen aber auch in den Ensembles etwas zu pauschal und zu wenig plastisch dargestellt scheinen. In dieser großen Fläche kommt dann die eigentlich kleinteilige artikulatorische Arbeit nicht immer zu ihrem vollen Recht. Auch eine Spur mehr dynamischer Mut und entschiedene Differenz wären in der Abfolge der Sätze vorstellbar gewesen.
Dennoch: Rombach setzt auf das sichere Klang- und Affektgespür Cifras – und dessen Musik ‚funktioniert’ tadellos, das lässt sich nicht bestreiten. Konsequent wird die Ensembleidee in den Vordergrund gerückt, in der Summe mit homogenen Ergebnissen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Antonio Cifra: Lauretanische Vespern |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Christophorus 1 01.09.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
4010072773210 |
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