
Mendelssohn, Bartholdy Felix - Klavierkonzerte Nr. 1 & 2
Ein großer Wurf
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Martin Helmchen legt bei Pentatone eine ausgezeichnete Einspielung von Felix Mendelssohn-Bartholdys zwei Klavierkonzerten vor.
Zu den vielen hochkarätigen Neuerscheinungen dieses Jahres gehört auch die hier vorliegende des 28-jährigen deutschen Pianisten Martin Helmchen. Er hat die beiden Klavierkonzerte g-Moll op. 25 sowie d-Moll op. 40 und das 'Rondo brillant' op. 29 von Felix Mendelssohn-Bartholdy eingespielt. Zur Seite steht ihm das holländische Label Pentatone Classics. Helmchen musiziert hier gemeinsam mit dem Royal Flemish Philharmonic unter Philippe Herreweghe. Der 63-Jährige Herreweghe gilt unter Kennern als Spezialist für Alte Musik. Aber auch der Romantik Mendelssohns bekommt sein kraftvolles Dirigat. Wie ein Turbolader dreht das Orchester zu Beginn des g-Moll Opus auf, entrollt dem Solisten den roten Teppich. Helmchen tritt wagemutig hervor, macht seinem Ruf alle Ehre, indem er ungestüm und trotzdem treffsicher in die Vollen langt. Mendelssohn wir hier sehr ernst und zugleich dramatisch interpretiert und rückt damit in die Nähe Robert Schumanns.
Martin Helmchen spielt lyrisch in den Kadenzen, sinniert dabei und alterniert fabelhaft mit den Orchestersoli. Kultiviert ist sein Anschlag, so dass man ihn zu den Solisten Deutschlands mit großer Zukunft zählen darf. Wunderbar fällt der Hörer in die Kissen, wenn Helmchen das 'Andante' zelebriert. Unweigerlich fühlt der Hörer sich an Chopin erinnert. Dafür geht es umso forscher im Finalsatz 'Presto' zur Sache. Hier spürt der Solist mit tiefem Gefühl der Musik nach, die er mit strotzender Gebärde auslebt. Helmchen ist aber nicht einer, der das Werk als seine Virtuosenbühne missbraucht; das tut Mendelsohns g-Moll-Klavierkonzert gut und adelt den Interpreten. Das Orchester gefällt hier übrigens als fulminant aufbrausender Partner, agiert flexibel, intonationssicher und verfügt über das typisch flämisch weite Farbspektrum, was die im Februar 2010 eingespielte Aufnahme exakt widerspiegelt. Ein Lob an das Aufnahmeteam um Sebastian Stein, Jean-Marie Geijsen und Roger de Schot. Leider fehlt eine Übersetzung der Künstlerbiografien ins Deutsche und Französische.
Was für das erste Konzert gesagt wurde, gilt parallel für das zweite Klavierkonzert in d-Moll: Klaviertechnisch ist der Martin Helmchen auf dem Zenit seines Könnens. Das 'Allegro appassionato' des Konzerts Nr. 2 d-Moll op. 40 für Klavier und Orchester von Felix Mendelsohn-Bartholdy eröffnet dräuend, quasi mit einer Kadenz. Ein Schelm, wer verkennt, dass Mendelssohn hier nicht seine Eindrücke von Mozarts d-Moll-Konzert verarbeitet hat. Helmchen lässt die geballte Oktavenflut zu Beginn über die Tasten schwappen. Auch wenn Schumann dieses Werk nicht so schätzte, hat es seine Stärken. Es erzählt mehr märchenhaft eine Geschichte, und die geht ohne Satzpausen nahtlos ineinander über, so wie Mendelssohn es später auch bei seinem Violinkonzert e-Moll op. 64 handhabte. Eine Formirregularität, die Mendelssohn offenbar liebte, möglicherweise kompositorischer Reflex der zu Mendelssohns Zeiten üblichen Praxis, bei Klavierabenden die Stücke improvisierend miteinander zu verknüpfen, und immerhin hat sich das bis in Klavierabende von Friedrich Gulda hineingezogen, bei denen es der Künstler mithin so weit trieb, fast alle an einem Abend gespielten Werke ineinander gleiten zu lassen: absolute Kunst ohne störenden Applaus.
Ruhe und Besinnlichkeit transportiert Helmchen im 'Adagio.molto sostenuto', Herzblut und Temperament im 'Finale. Presto-Scherzando'. All dies ohne die Grenzen des guten Geschmacks zu brechen. Helmchen ist ein Solist von Format. Die in Harenbergs Konzertführer geführte Referenzaufnahme mit András Schiff und dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks könnte in der nächsten Auflage um diese Aufnahme ergänzt werden.
Eine glänzende Zugabe zu den beiden Mendelssohn’schen Klavierkonzerten und eine logische Repertoire-Ergänzung der SACD ist das ebenfalls auf der Platte enthaltene 'Rondo brillant' op. 29 von Mendelssohn. Hier zaubert der Solist noch einmal mit all seinen herausragenden Fähigkeiten: überlegene Musikalität, fundierte Anschlagskultur, saubere Pedaltechnik und glasklare Virtuosität. Fünfundfünfzig Minuten und zwei Sekunden Glück für den Gabentisch.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mendelssohn, Bartholdy Felix: Klavierkonzerte Nr. 1 & 2 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Pentatone Classics 1 24.09.2010 |
Medium:
EAN: |
SACD
827949036668 |
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