
Dufourt, Hugues - L´Afrique d´apres Tiepolo
Musikalische Bildbetrachtungen
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das ensemble recherche bringt Hugues Dufourts musikalische Annäherung an die Malerei Giovanni Battista Tiepolos zu Gehör und überzeugt damit auf ganzer Linie.
Es gehört zu den großen Werken der späten Barockmalerei: das monumentale Deckengemälde, mit dem der Italiener Giovanni Battista Tiepolo in den Jahren 1752 und 1753 das Gewölbe über der großen, von Balthasar Neumann gestalteten Ehrentreppe in der Residenz zu Würzburg ausgemalt hat. Tiepolos allegorische Darstellungen der Weltteile Afrika und Asien haben den französische Komponisten Hugues Dufourt (*1943) zu zwei seiner stärksten Ensemblewerke angeregt, die nun, interpretiert vom ensemble recherche, bei Kairos auf CD erschienen sind. 'L’Afrique d’après Tiepolo' (2004/05) und 'L’Asie d’après Tiepolo' (2008/09) sind einerseits Meisterwerke des Umgangs mit Klangfarben, stellen andererseits aber auch prägnante Lehrstücke dazu dar, wie das Verhältnis zwischen Malerei und Musik fruchtbar genutzt werden kann. Denn Dufourt hat kein Interesse daran, die rätselhaften Bildinhalte illustrativ umzusetzen; seine Aufmerksamkeit gilt vielmehr dem, was ihn an den Gemälden frappiert: nämlich bestimmten, zum Zweck spezifischer Raum- oder Bewegungswirkungen eingesetzten bildnerischen Elementen, für die er nach musikalischen Äquivalenzen sucht.
Die Ableitung struktureller musikalischer Ideen aus den Momenten einer Bildanalyse führt in 'L’Afrique' zu dem Ansatz, durch Einsatz von Klangfarben den Eindruck von Bewegung und Veränderung zu erzeugen. Das Weiterreichen von Farb- und Klangqualitäten beginnt mit glockenartig angeschlagenen Klavierklängen, denen sich zunächst Schlagzeugklänge zugesellen, bevor sich ein weites Panorama subtil instrumentierter Klangvarianten öffnet. Das unaufhörliche, ruhige Dahinschreiten der Musik erfolgt in kammermusikalischer Diktion, verbunden mit der variablen Dichte beweglich anmutender, ineinander gleitender Klänge. Dieser stetige Eindruck allmählichen Fortschreitens wird vom Ensemble durch zarte Zeichnung der Texturen erzielt, die Klänge erscheinen plastisch und innerhalb der sich wandelnden Instrumentation ausgewogen, die Langsamkeit der Musik wird konzentriert ausgefüllt. In 'L’Asie' dagegen dominiert die Arbeit mit verschiedenen Geschwindigkeiten, die Dufourt aus den Bewegungsachsen- und -elementen des Freskos ableitet. Eingebettet in die reiche Farbpalette von Schlaginstrumenten werden über zwei Drittel der Werklänge hinweg die rauen Geräuschklänge zum beherrschenden, durch ihre dynamischen Verläufe Bewegungen suggerierenden Moment.
Mit dem ensemble recherche, das jedes der Werke im Rahmen der Wittener Tage für neue Kammermusik uraufgeführt hat, hat man auf die Interpreten der ersten Stunde zurückgegriffen, die sich hier von ihrer allerbesten Seite zeigen. Es ist beachtlich, mit welch hohem Grad an Präzision die Musiker den klanglichen Erfordernissen beider Partituren folgen. Dabei heben sie einerseits die musikalischen Kontraste zwischen den Kompositionen hervor, unterstreichen andererseits aber auch – besonders in der ruhigen Schlussphase von 'L’Asie' – Gemeinsamkeiten der Werke. Angesichts des geschlossenen Gesamtergebnisses ist es daher auch verständlich, dass man sich bei der Produktion auf die beiden Tiepolo-Stücke beschränkt und nicht noch eine weitere Ensemblekomposition hinzugefügt hat, für die auf jeden Fall ausreichend Platz auf dem Tonträger gewesen wäre. Gelungen ist schließlich auch das Booklet, das neben einer Einführung Dufourts – sie verrät viel von der Faszination, die Tiepolos Gemälde auf den Komponisten ausüben – einen analytisch geprägten Essay von Martin Kaltenecker, einem ausgewiesenen Spezialisten für die Musik des Franzosen, enthält.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Dufourt, Hugues: L´Afrique d´apres Tiepolo |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Kairos 1 18.06.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
9120010281693 |
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