
Shchedrin, Rodion - Der verzauberte Wanderer
Düstere Stimmung
Label/Verlag: Mariinsky
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Rodion Schtschedrins ‘Der verzauberte Wanderer’ überträgt die Tradition der russischen Oper in eine zeitgemäße, aber nicht avantgardistische Form. Die Sänger des Mariinskij Theaters glänzen.
‘Der verzauberte Wanderer’, in anderer Übersetzung auch ‘Der verzauberte Pilger’ ist der Titel einer Erzählung von Nikolaj Leskow aus dem Jahre 1873. Der Komponist Rodion Schtschedrin vertonte das Werk 2002. Herausgekommen ist eine Oper, die von einer sehr düsteren, eigenartigen Stimmung getragen wird. Zu hören ist sie jetzt in einer Produktion des Petersburger Mariinskij Theaters, erschienen auf dem Hauseigenen Label. Die Partitur sieht nur drei Solosänger vor, die aber jeweils mehrere Rollen übernehmen. Der Tenor ist gleich mit fünf Partien bedacht, hat dafür jedoch keine Hauptrolle. Jewgenij Akimow ist zwar bei uns, ähnlich wie seine Kollegen Sergej Aleksaschkin (Bass) und Kristina Kapustinskaja (Mezzosopran), nicht berühmt geworden, dennoch gehören die drei zu den hervorragenden Stimmen des Mariinskij Theaters und meistern ihre Rollen mit Bravour.
Düster klingt diese Musik über weite Strecken, meist in langsamer Bewegung fließend. Die Stimmen stehen absolut im Mittelpunkt, das Orchester wird meist sehr sparsam eingesetzt. Selbst in den orchestralen Zwischenspielen stellt sich ein typischer Orchesterklang nicht ein. Dabei bleibt die Musik vergleichsweise konventionell, weit entfernt von der Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Lang gehaltene Töne begegnen an vielen Stellen, doch immer wieder wird die ruhige Struktur aufgebrochen durch hektische oder sehr laute Episoden. Die klangtechnische Dynamik der Aufnahme erweist sich hier als enorm. Die Sänger sind im Klangbild sehr präsent und gut verständlich, doch besonders der Tenor Akimow klingt immer ein wenig wie aus der Ferne.
‘Der verzauberte Wanderer’ ist nicht die erste Arbeit Schtschedrins nach einer Vorlage von Leskow. 1988 benannte der Komponist seine ‘Russische Liturgie’ nach der Erzählung ‘Der versiegelte Engel. Hier wird ein Chor mit einer einzelnen (Hirten-)Flöte kontrastiert, die ein sehr prägnantes rhythmisches Motiv spielt. Dieses Motiv findet sich auch hier wieder, bereits ziemlich zu Beginn von der Oboe vorgetragen, dann nochmals im Schlussduett und im Nachspiel. Fast 90 Minuten lang ist Schtschedrins Musik recht herb, bevor dann dann am Schluss der tragischen Handlung eine geradezu süßliche Färbung eintritt – ein ziemlich beeindruckender Effekt.
Die Produktion bietet zwei völlig anders geartete Zugaben. Auszüge aus dem Ballett ‘Das bucklige Pferdchen’ stehen als Beispiel für Schtschedrins Frühwerke und zeigen in ihrem heiteren Charakter einen sehr konventionellen Kompositionsstil. Mit ‘Ausgelassene Gassenhauer’ übersetzt das Beiheft den Titel den Titel von Schtschedrins erstem Konzert für Orchester. Man findet es sonst auch unter dem Titel ‘Freche Orchesterscherze’. Genau danach klingt es auch, obwohl die andere Übersetzung näher am Original ist. Die Interpretation dieses Konzerts durch das Orchester des Mariinskij Theaters unter Valery Gergiev ist leider ziemlich farblos im Vergleich zur viel lebhafteren Einspielung durch das Russische Nationalorchester unter Mikhail Pletnev. Zu brav spielen hier die Petersburger, bringen den Witz nicht richtig zur Geltung. Hier erweist sich auch das Klangbild der als SACD veröffentlichten Platte als nicht plastisch genug. Die zahlreichen Orchestersoli kommen nicht genügend zur Geltung.
Zum Beiheft: Enthalten sind sehr ausführliche Texte zu den drei Werken sowie zu den Interpreten. Das Libretto (vom Komponisten) ist auf russisch und englisch enthalten. Als Kuriosum ist die englische Anleitung ‘reading the russian libretto’ zu bewerten. Wer die kyrillischen Zeichen, die Aussprache und Wortbetonung nicht kennt, wird auch mit solch einer Hilfestellung kaum in der Lage sein, dem Text auf russisch zu folgen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Shchedrin, Rodion: Der verzauberte Wanderer |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Mariinsky 2 01.04.2010 |
Medium:
EAN: |
SACD
822231850427 |
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Mariinsky Das Mariinsky-Theater gehört zu den renommiertesten Opernhäusern der Welt. Zu Sowjetzeiten in Kirow Theater unbenannt, trägt es seit 1992 wieder seinen ursprünglichen Namen. Seit 1996 ist Valery Gergiev dem Haus als künstlerischer Leiter und Intendant verbunden. Auf dem hauseigenen Label werden die herausragende künstlerische Leistung dieses traditionsreichen Hauses dokumentiert. Das Repertoire umfasst neben Oper auch das große symphonische und konzertante Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts. Mehr Info... |
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