
Liebeslieder zum Rosenroman aus dem Frankreich des 13. und 14. Jahrhunderts - Werke von Machaut, Anonym u.a
Klangliche und andere Vergnügen
Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vertonungen eines mittelalterlichen Liebesromans bieten Sabine Lutzenberger und ihr Ensemble Per-Sonat auf einer neuen CD - mit viel Liebe zum musikalischen Detail.
Die Phantasie ungemein anregend – oder ungemein nervtötend: Eine dieser beiden Reaktionen ruft mittelalterliche Musik fast immer hervor. Das kommt auf den jeweiligen persönlichen Geschmack an. Klar ist jedenfalls, dass es nicht von der Darbietung solcher Musik abhängen muss – allemal, wenn so bewanderte und zugleich liebevoll agierende Interpreten am Werk sind wie Sabine Lutzenberger und das Ensemble Per-Sonat auf ihrer neuen CD, erschienen beim Label Christophorus.
Stichwort liebevoll: Als thematischer roter Faden der vorgelegten Auswahl aus der französischen Musik des 13. und 14. Jahrhunderts fungiert der Bezug zum ‚Rosenroman‘, einer Dichtung aus dem 13. Jahrhundert, die im Geist der höfischen Literatur jener Zeit um Fragen von Liebe und Gesellschaft kreist. Als ‚Liebesroman‘ im heutigen Sinne kann man den allegorischen Text allerdings kaum bezeichnen. Die Lektüre der vertonten (und im Beiheft akkurat übersetzten) Texte, die sich mehr oder minder deutlich an den Rosenroman anlehnen, ist zweifellos eher ein intellektuelles als ein emotionales Vergnügen.
Nicht so die in der Tat suggestive Klanglichkeit dessen, was hier zu hören ist: Für die ist man bei Sabine Lutzenberger und Per-Sonat an der richtigen Adresse. Durchweg sattfarben, doch ausgewogen ist das Klangbild, behutsam, doch frei die Annäherung der Interpreten. Etwa, wenn sich in den gleichsam monodischen Werken der Troubadoure die Linien der Fiedeln verschlingen wie Arabesken in den mittelalterlichen Handschriften, den Grund bereitend für Lutzenbergers schlanke, vibratoarme, dabei ausdruckssensible und insbesondere in der Höhe leuchtkräftige Stimme. Diese zeigt sich durch kundige Begleitung bereichert, doch durchaus nicht auf sie angewiesen, wie das feinfühlig bezaubernde Solo im 'Chanson ferai' des Oede de la Couroierie erweist. Evoziert scheint kultivierte Unterhaltung im Kreis edler Ritter und Damen – durch einen nobel-zurückhaltenden, entschieden auf Homogenität und Klangschönheit haltenden Gestus.
Als genau richtig erweist sich dieser auch bei jenen Werken, die im Zentrum der Einspielung stehen: denen der Ars nova, prominent vertreten durch keinen Geringeren als Guillaume de Machaut, und der Ars subtilior, der die drei gebotenen Stücke aus dem sogenannten Zypern-Kodex zuzuordnen sind. Neben der fraglosen Meisterschaft des Erstgenannten mag gerade das Exzentrische, mitunter Manieristische letzterer Stücke den heutigen Hörer in den Bann ziehen: irisierende, fremd-vertraute Harmonik und vertrackte Rhythmik etwa in 'En un vergier'. Bewundernswert der lange Atem Lutzenbergers in den scheinbar endlosen, formal schlüssig und musikalisch makellos gestalteten Melismen im Zusammenspiel mit dem klanglich üppigen Geflecht der Instrumentalstimmen.
Kleinere Kritikpunkte betreffen die äußere Gestaltung: Die Track-Liste wartet mit nicht sogleich einleuchtenden zusätzlichen Überschriften zu den einzelnen Stücken auf, die Texte im Beiheft hätten an vereinzelten Stellen das prüfende Auge eines Korrektors vertragen können. Angesichts der vielen genannten Vorzüge fällt dergleichen jedoch kaum ins Gewicht.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Liebeslieder zum Rosenroman aus dem Frankreich des 13. und 14. Jahrhunderts: Werke von Machaut, Anonym u.a |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Christophorus 1 01.04.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
4010072773258 |
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