> > > Donizetti, Gaetano: Lucrezia Borgia
Samstag, 1. April 2023

Donizetti, Gaetano - Lucrezia Borgia

'Lucrezia Borgia' aus Bergamo


Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Leider bleibt die Produktion von 'Lucrezia Borgia' des Donizetti-Festivals in Bergamo in Klischees stecken und übertrifft berühmte Vorbilder nicht.

Donizettis schaurig-schöne Giftmischer-Oper 'Lucrezia Borgia‘ (Mailand 1833) ist Belcanto-Fans vor allem deswegen ein Begriff, weil es davon eine grandiose Aufnahme gibt, die zum allerbesten der gesamten Donizetti-Diskographie zählt. Die Rede ist von der RCA Einspielung aus dem Jahr 1966, mit der die Plattenkarriere der blutjungen Montserrat Caballé als Titelheldin auf höchstem künstlerischem Niveau begann. Die Einspielung ist – auch wegen Shirely Verrett in der Hosenrolle des Maffio Orsini und dem unvergleichlichen Alfredo Kraus als Borgia-Sohn Gennaro – eine Referenzaufnahme. Sie wurde auch 1979 nicht übertroffen von der Sutherland/Horn Einspielung, die bei Decca erschienen ist. Zwar hat Sutherland intelligenterweise versucht, der Rolle eigene Züge zu geben, aber diese schwebende Weichheit des Klangs, mit dem Caballé speziell ihre Auftrittsszene ('Tranquillo ei posa') gestaltet, stand der Australierin nicht zur Verfügung. Als Virtuosen-Spektakel bietet Sutherland aber mit der Horne dennoch eine interessante Alternative zur RCA Einspielung und hat mit Giacomo Aragall einen prachtvollen Gennaro zur Seite.

Nach vielen Live-Mitschnitten, die im Laufe der Jahre bei kleineren Labels erschienen sind (mit den großen B-Diven der italienischen Opernszene), kommt nun bei Naxos im Rahmen der aktuellen Belcanto-Serie eine funkelnagelneue 'Lucrezia’ auf den Weltmarkt, ein Mitschnitt des Donizetti-Festivals in Bergamo vom November/Dezember 2007, mit dem dortigen Festival-Orchester und -Chor unter Leitung von Tiziano Severini und mit Dimitra Theodossiou in der Titelrolle. Eine Produktion, die parallel zu Bühnenauftritten von Edita Gruberova als Lucrezia in München entstand, die inzwischen auf DVD vorliegen . –Was zu Vergleichen in alle Richtungen einlädt.

Grundsätzlich war ich schon deshalb neugierig auf diese Naxos-Aufnahme, weil nach Jahrzehnten mit der alten Caballé Einspielung frischer Wind in Sachen 'Lucrezia’ willkommen gewesen wäre, um die herrliche Partitur einmal in einer neuen Interpretation zu erleben, die dem Werk vielleicht neue Seiten abgewinnt, wie das Gruberova (vor allem wegen Pavol Breslik als Gennaro) in der Regie von Christoph Loy auf der Bühne/DVD schafft. Von solch frischem interpretatorischem Wind ist die Bergamo-Produktion allerdings weit entfernt. Zwar ist die Aufnahmequalität hervorragend, auch klingen Orchester und Chor in der Eröffnungsszene schwungvoll und draufgängerisch (besonders Nidia Palacios als Orsini), aber von dem Moment an, da Lucrezia Borgia selbst auftritt, erlahmte das Interesse an der neuen CD mehr und mehr. Denn Theodossiou klingt einfach wie der Versuch einer Kopie der Caballé (mit etwas dramatischerer Stimme), eine Kopie, die zu keiner eigenen Lesart findet und vor allem stimmlich nicht an das übermächtige Original herankommt. Die erwähnte berühmte Auftrittsszene, in der Lucrezia aus der Gondel steigt und den schlafenden Gennaro sieht ('Com’è bello‘) ist zwar mit vielen Pianissimi und Rubati ausgestattet, sie entfaltet aber leider kaum Zauber. Und als reine Virtuosennummer hat das Sutherland effektvoller gesungen. Im Grunde gilt das für alle weiteren Szenen und besonders die Showstopper Schluss mit Rondo: Theodossiou ist sicher eine interessante Besetzung für die Lucrezia auf der Bühne, auf Tonträger ist die Konkurrenz, gerade bei diesem Stück, so groß, dass ich ihre Interpretation nicht empfehlen kann. Das gilt auch für den Tenor Roberto De Biasio, der schlanke, angenehme Töne produziert (von einigen Edel-Knödeln abgesehen), aber im Vergleich zu Alfredo Kraus einfach keine Chance hat. Da auch das Orchester auf der alten RCA Einspielung differenzierter klingt und die ganze Aufnahme seit langem als Budgetausgabe erhältlich ist, bleibt sie – auch unter ökonomischen Gesichtspunkten – das Beste, was man derzeit kaufen kann.

Wer schon alle 'Lucrezias’ hat (auch die diversen Live-Mitschnitte aus Italien), und wer einfach nur eine neue Fassung sucht, dem sei doch eher die DVD mit Gruberova empfohlen, weil sie interpretatorisch spannendere Wege geht. (Das sage ich als Nicht-Fan von Gruberovas Belcanto-Auffassung!) Die Einspielung aus Bergamo ist insgesamt nicht schlecht – sie ist aber auch nicht gut genug, um größeres Interesse zu erregen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Donizetti, Gaetano: Lucrezia Borgia

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Naxos
2
04.01.2010
Medium:
EAN:

CD
730099025775


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Naxos

Als der Unternehmer Klaus Heymann 1982 für seine Frau, die Geigerin Takako Nishizaki in Hongkong das Plattenlabel Marco Polo gründete, war dies der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Fünf Jahre später rief Heymann das Label NAXOS ins Leben, das in der Klassikwelt längst zur festen Größe geworden ist und es bis heute versteht, hohe Qualität zu günstigen Preisen anzubieten. Der einzigartige und sich ständig erweiternde Katalog des Labels umfasst mittlerweile über 8.000 CDs mit mehr als 130.000 Titeln - von Kostbarkeiten der Alten Musik über sämtliche berühmten "Klassiker" bis hin zu Schlüsselwerken des 21. Jahrhunderts. Dabei wird der Klassik-Neuling ebenso fündig wie der Klassikliebhaber oder -sammler. International bekannte Künstler wie das Kodály Quartet, die Geigerin Tianwa Yang, der Pianist Eldar Nebolsin und die Dirigenten Marin Alsop, Antoni Wit, Leonard Slatkin und Jun Märkl werden von NAXOS betreut. Darüber hinaus setzt NAXOS modernste Aufnahmetechniken ein, um höchste Klangqualität bei seinen Produktionen zu erreichen und ist Vorreiter in der Produktion von hochauflösenden Blu-ray Audios - Grund genug für das renommierte britische Fachmagazin "Gramophone", NAXOS zum "Label of the Year" 2005 zu küren. Auch im digitalen Bereich nimmt NAXOS eine Vorreiterrolle ein: Bereits seit 2004 bietet das Label mit der NAXOS MUSIC LIBRARY ein eigenes Streamingportal mit inzwischen über 1 Million Titel an und unterhält mit ClassicsOnline zudem einen eigenen Download-Shop.


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