
Haydn, Joseph - Violinkonzerte Hob. VIIa:1 & 4
Luftig und leicht
Label/Verlag: Channel Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Rachel Podgers Einspielung zweier Violinkonzerte von Joseph Haydn erweist sich als Höhepunkt des zu Ende gehenden Haydn-Jahres.
Rachel Podgers Aufnahmen haben mir in den vergangenen Jahren viel Freude bereitet. Ihre mehrteilige Gesamteinspielung von Wolfgang Amadeus Mozarts Sonaten für Klavier und Violine gehört zum Besten, was in dieser Hinsicht überhaupt auf dem Markt zu haben ist, und nun schickt sich die britische Geigerin an, das diesjährige Joseph-Haydn-Jubiläum gehörig zu würdigen. Dazu hat sie sich die beiden Violinkonzerte G-Dur Hob. VIIa:4 und C-Dur Hob. VIIa:1 ausgesucht und sie – eine spannende und schöne Ergänzung – mit Mozarts Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 kombiniert, bei deren Wiedergabe ihr der Bratscher Pavlo Beznosiuk zur Seite tritt. Die Interpretation der Haydnschen Werke ist insofern außergewöhnlich, als die Konzerte – entstanden im Abstand von 15 Jahren – hier tatsächlich einmal völlig unterschiedlich klingen. Podgers Umsetzung zielt offensichtlich darauf, diese Unterschiede en detail herauszuarbeiten und damit zu zeigen, wie vielfältig Haydns Werke tatsächlich sind.
Die Aufnahmen geraten luftig und leicht: Podger präsentiert Haydns Musik mit jener Selbstverständlichkeit, die man von ihr gewohnt ist. Es ist der erzählerische Gestus, den die Geigerin hier einnimmt, die Impulse aufgreifend, die sie von einem glänzend disponierten Orchestra of the Age of Enlightenment immer wieder erhält. Das gemeinsame Musizieren verrät schon im Kopfsatz des Konzerts G-Dur Hob. VIIa.4 ein hohes Maß auf Abgestimmtheit untereinander, greifbar vor allem im Einsatz der Artikulation oder in Spannung und Entspannung von Endnoten innerhalb der Phrasen. Darüber hinaus färbt die Energie der Tutti-Einwürfe auf den Vortrag der Solistin ab, der harmonische Untergrund, den Podger für bestimmte Konfigurationen nutzt, bleibt ein lebendiges Gewebe, das sich auch dann verändert, wenn Haydn auf den Einsatz eines Grundpulses in den Bässen verzichtet. Im Kopfsatz des C-Dur-Konzert treibt die Geigerin das Geschehen mit verschwenderisch vielfältigem Tonfall an. Schon der Soloeinsatz zeigt, wie stark sie zur Differenzierung ihres Parts neigt und die thematischen Elemente im weiteren Satzverlauf immer anders darzustellen versucht.
In beiden Werken wird der jeweilige Mittelsatz zum Herzstück: Im G-Dur-Konzert findet Podger über einer elastischen Streicherbegleitung zu einer wundervoll ausgeformten Kantilene, die sie – in Wechselwirkung mit der Harmonik – ständig neu aufblühen lässt. Im C-Dur-Konzert dagegen setzt sie den Wirkungen des Zusammenspiels, so etwa in den von Pizzicati zart begleiteten Gesangspassagen einen gelegentlich schon rhapsodisch wirkenden Vortrag entgegen. Solche und ähnliche Momente führen dazu, dass Podgers Interpretation außergewöhnlich farbenreich gerät, wodurch vor allem die Finali der beiden Konzerte gewinnen. Die Geigerin lässt in der Tat vergessen, dass die Werke immer wieder als 'Nebenwerke' abqualifiziert werden und zeigt ganz unverblümt deren Stärken – eine Tendenz, die auch von ihren Kadenzen dezidiert unterstrichen wird. So erweist sich Podger als gleichsam ideale Interpretin für beide Kompositionen, und im bisherigen Reigen der Neueinspielung ist ihre Aufnahme für mich die gelungenste.
Mozarts Sinfonia concertante bietet dem solchermaßen verwöhnten Hörer andere, aber nicht weniger schöne Perspektiven an: Gelungen ist der Einstieg der Solisten, der wie aus weiter Ferne zu kommen scheint und sich erst allmählich aus dem Orchester herausschält, ein Augenblick, der im Beginn der Durchführung dann ein deklamatorisch und mit gestalterischen Freiheiten durchsetztes Pendant erhält. Dass Podger und Beznosiuk in ihrem Zusammenspiel hervorragend gegeneinander ausbalanciert sind, kommt auch dem Mittelsatz zugute. Er wirkt ausgesprochen ausdrucksvoll, ohne indes die Leichtigkeit im solistischen Spiel vermissen zu lassen – ein schöner Ansatz, der dem 'Adagio' nicht die Tiefe nimmt, es aber auch nicht schwerfällig grüblerisch wirken lässt. Dadurch gewinnt der von der Harmonik und dem sprachnah artikulierten Spiel nachdrücklich unterstrichene Ernst eine ganz andere Qualität. Der große Gestus, den beide Solisten in die sich aufschwingende Thematik des Finales legen, findet auf ideale Weise den Weg aus dieser Stimmung heraus, ohne in lärmendes Jubeln zu verfallen, und setzt ihm gelegentlich auch schwelgerisch ausgesungene Phrasen gegenüber.
Das Orchester agiert hierzu mit einer Tendenz zum geschlossenen Klangbild, bei dem etwa Holzbläser und Hörner nur zusätzliche Tupfer sind, ohne allzu stark hervorzustechen, was dem Werk eine sehr schöne Einheitlichkeit verleiht. Das ausgezeichnete Klangbild dieser SACD von Channel Classics tut hier wie auch im Fall der Haydn-Konzerte ein Übriges und führt den Hörer in den Klang hinein, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Ein klein wenig mehr Sorgfalt wäre allenfalls für das Booklet angemessen gewesen: Insgesamt könnten die Texte nämlich ein wenig ausführlicher sein, und dass die Satztitel zur Sinfonia concertante falsch sind, dürfte wohl auf die Unachtsamkeit eines Lektors zurückzuführen sein.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Haydn, Joseph: Violinkonzerte Hob. VIIa:1 & 4 |
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Label: Anzahl Medien: |
Channel Classics 1 |
Medium:
EAN: |
SACD
l723385293095 |
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Channel Classics Channel Classics Records is a quality record label based in Holland. Director, producer and recording engineer is C. Jared Sacks. Having grown up in Boston Massachusetts, schooled at Oberlin Conservatory and the Amsterdam Conservatory of music with 15 years experience playing French Horn, Jared decided to make his hobby of recording a profession in 1987. The label started in 1990 with the name Channel Classics coming from the street he lived on in Amsterdam. (Kanaalstraat).
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