
Verdi, Giuseppe - Messa da requiem
Gemischte Gefühle
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sir Colin Davis’ Einspielung von Verdis Requiem ist guter Durchschnitt - und bleibt damit hinter den Erwartungen zurück.
Heutzutage eine Neueinspielung von Verdis Requiem auf den Markt zu bringen, ist ein mutiger Schritt. An guten bis überragenden Aufnahmen herrscht wahrlich kein Mangel, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Insofern muss sich jeder neue Versuch an den alten Größen messen lassen oder aber eine völlig neue Herangehensweise offenbaren, die in sich schlüssig ist und derart noch in keiner anderen Aufnahme zu erleben war. Das zu bewerkstelligen, ist freilich noch schwieriger. Sir Colin Davis und das London Symphony Orchestra und Chorus haben es in diesem Live-Mitschnitt dennoch versucht – nicht immer mit Erfolg.
Mit Colin Davis als Dirigent durfte man Hoffnungen verbinden, gilt er doch u.a. als Wiederentdecker der Werke von Berlioz, insbesondere von dessen kolossaler Totenmesse, von der sich Verdi beispielsweise die Ferntrompeten des 'Tuba mirum’ abgeguckt hat. Hier hat er sich als wahrer Zeremonienmeister der infernalischen Klangmassen erwiesen, die er wie kein zweiter heraufbeschwören konnte. Auch Verdis Requiem lebt vom Spektakel – aber eben nicht nur. Insofern würde man das Werk in Davis’ Händen im Grunde gut aufgehoben wissen. Dass dies letztlich doch nicht in voller Gültigkeit zutrifft, liegt vor allem an der Diskrepanz von Intention und Ausführung. Man bemerkt deutlich das Bemühen, besonders dem 'Dies irae' und dem 'Tuba mirum' die nötige dämonische Abgründigkeit zu entlocken, doch dieser Effekt will sich nicht recht einstellen.
Was Chor und Orchester aufbieten, wirkt insgesamt zu forciert und gewollt; eine geistige Durchdringung, die die erschütternde Durchschlagskraft dieses zentralen Abschnitts erst richtig zum Leben erweckt, findet sich leider nicht. Bei aller technischen Perfektion fehlt doch insgesamt der letzte interpretatorische Funke, der überspringen müsste, um die Aufnahme bei dieser Konkurrenz herauszuheben. Dazu leistet auch die Tontechnik ihren Beitrag: Das ganze Werk erscheint merkwürdig flach und trocken eingefangen. Da wird man durch die großspurige Ankündigung der LSO Live-Reihe mit ‚sensationeller Klangqualität und maßgeblicher Interpretation‘ doch etwas in die Irre geführt. Leider ist auch die Balance zwischen Chor und Orchester nicht immer optimal, insbesondere das Blech übertönt trotz der 'tutta forza‘-Anweisung die Sängerinnen und Sänger über die Maßen, die ansonsten mit stimmlicher Präsenz und Lebendigkeit für sich einzunehmen wissen.
Tadellos agieren jedoch die Solisten, unter denen besonders Stuart Neill mit seinem zugleich geschmeidigen wie stählernen Tenor herausragt. John Relyeas Bass ist agil und spricht mit sonorem Klang an, jedoch könnte er im 'Lux aeterna’ als Gegenpart zur leuchtenden, durch sechsfach geteilte Violinen flirrend umspielten Gesangslinie von Karen Cargill (Mezzosopran) mit seinen düsteren 'Requiem’-Einwürfen unerbittlicher und härter auftreten. Das 'Libera me’ – einer der großartigsten Sätze für Sopran, Chor und Orchester überhaupt – erfordert besonders von der Solistin herausragendes Können in Bezug auf stimmlichen Ambitus und überzeugende Gestaltung, was Christine Brewer in diesem Fall zwar zufriedenstellend, aber nicht überragend gelingt. Es scheint, als beschränke sie sich auf eine möglichst getreue Wiedergabe des Notentextes mit all seinen Angaben in Bezug auf Dynamik und Artikulation, ohne eigene Akzente zu setzen. Sie wird eher von ihrem Part dominiert als umgekehrt. Erst in der finalen Klangeruption mit dem dreigestrichenen C des Soprans erscheint die apokalyptische Vision in ihrer ganzen Gewalt, die man sich schon viel früher gewünscht hätte. Schade, dass es dazu so viel Vorlauf gebraucht hat. So bleibt letztlich der Eindruck einer grundsoliden Einspielung ohne eigene Handschrift.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Verdi, Giuseppe: Messa da requiem |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
LSO Live 2 01.10.2009 |
Medium:
EAN: |
SACD
822231168324 |
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LSO Live Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.
Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist. Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist. Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.
London Symphony Orchestra Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident. Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln. Mehr Info... |
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