
Gombert, Nicolas - Vokalwerke Vol. 3
Fließende Musik
Label/Verlag: ORF
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Solide Interpretation von Motetten des Renaissance-Komponisten Nicolas Gombert: Eine Einspielung mit dem Ensemble The Sound and the Fury.
Die Vokalformation The Sound and the Fury hat in Zusammenarbeit mit dem ORF unter dem Titel ‚Paradise regained‘ eine programmatisch und interpretatorisch interessante Reihe etabliert. Erschienen sind unter anderem bereits Platten mit Werken von Johannes Ockeghem und Jacob Obrecht. Die vorliegende Live-Aufnahme widmet sich als dritter Teil einer kleinen Serie dem franko-flämischen Komponisten Nicolas Gombert (ca. 1495-ca. 1560), der als Schüler Josquin Desprez‘ und Mitglied der Hofkapelle Kaiser Karls V. etliches Renommee genoss und ein Musiker von – im besten Wortsinn – europäischer Ausstrahlung war.
Gombert entwickelte Josquins elaborierten Stil weiter und fand zu einer noch größeren Dichte, zu einem noch enger gewobenen musikalischen Netz. Diese Qualität ist seinen beobachtenden Zeitgenossen durchaus aufgefallen. So notierte Hermann Finck in seiner ‚Practica Musica‘ 1556: ‚Unter den gegenwärtigen Neuerern zeigt Nicolaus Gombert, des seligen Josquin Schüler, allen Musikern die Richtung, ja sogar den Weg zum Erfinden von Stimmgeflechten und zur Schlichtheit im Ausdruck. Er komponiert völlig anders, als es zuvor geschah: denn er vermeidet Pausen, und sein Werk ist reich an Harmonien wie an Imitationen.‘ Und in der Tat ist diese Qualität auch dem Hörer der Gegenwart sofort auffällig: Hier kann von strukturell ambitioniertem Gewebe im besten Sinne gesprochen werden; die Sätze ruhen gewissermaßen in sich, und das Ziel der Musik ist niemals das Ende einer Entwicklung, sondern die sich allmählich entfaltende Struktur selbst. Das gilt natürlich für kontrapunktisch gearbeitete Musik generell – wird aber bei Gombert besonders ohrenfällig.
Solide Interpretation
Diese lineare Konsequenz verlangt von einem sehr schmal besetzten Vokalensemble ein Höchstmaß an intensiv geatmetem Bogen. Dazu sind die Sänger um Richard Wistreich, Thomas E. Bauer, John Potter, Klaus Wenk und David Erler ohne weiteres in der Lage. Die Namen der Vokalisten stehen für Erfahrung im Repertoire und interpretatorische Expertise. Sie singen in der vorliegenden Einspielung, die im Herbst 2008 live in der Kirche der Kartause Mauerbach entstand, diskret und sensibel intonierend, mit gut ausgehörten Schlüssen und in einem noblen Grundklang. Neben dem prägnanten Bass von Richard Wistreich fällt naturgemäß die andere Randstimme – der Altus David Erler – besonders ins Ohr. Seine Stimme klingt bei schlanker Führung gelegentlich etwas kehlig, überzeugt dann aber wiederum mit sehr leichten und intonationsstarken freien Einsätzen.
Alle Sänger phrasieren großflächig und werden der Musik damit gerecht, die Intonation ist relativ stabil und für eine Live-Aufnahme gut, weist aber doch einige ‚Dellen’ auf. Dieser Umstand und der in der Summe gute, aber doch zu direkte, keinerlei Fehler verzeihende und die einzelnen Stimmen allzu sehr herausstellende Klang verhindern eine bessere Positionierung im Repertoire. Das sehr überschaubare Booklet tut ein Übriges. Dennoch: Das interpretatorische Potenzial der Formation ist unbestritten, vielleicht mangelt es zumindest in der aktuellen Produktion an der letzten klanglichen Ausgewogenheit.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Gombert, Nicolas: Vokalwerke Vol. 3 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
ORF 1 15.09.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
9004629314532 |
![]() Cover vergössern |
ORF Wer hätte gedacht, dass sich die "ORF Edition Alte Musik" in wenigen Jahren zu einem international renommierten Label entwickelt. Mit vielen Plattenpreisen ausgezeichnet, umfasst die Edition nun hundert Titel. Künstler der Edition feiern mit Freunden und Gästen im Palmenhaus.
"Alte Musik - neu interpretiert"
Ziel dieser Edition ist es, musikalisches Neuland zugänglich zu machen (ich denke hier in erster Linie an die Unica-Reihe, in der bisher ungehobene Schätze veröffentlicht, werden oder die Serie "paradise regained - polyphonie der renaissance") und neben bereits renommierten Künstlern auch Newcomers der Szene zu präsentieren. Die Akzeptanz der Aufnahmen beim Publikum und der Presse ist hoch. Mit vielen internationalen Preisen - wie etwa dem begehrten "diapason d'or" in Frankreich oder den "5 stars" des Goldberg Magazine - ausgezeichnet, ist die Edition heute eines der weltweit führenden Labels für Alte Musik.
Für mich ist freilich dieses Jubiläum ein Anlass, auch über die Zukunft der Edition, ja die Zukunft der sogenannten "Alten Musik" generell nachzudenken. Die medialen Entwicklungen der jüngsten Zeit lassen Böses erahnen. Praktisch jedem wird Werkzeug in die Hand gegeben, um sich mittels Video oder Audio z. B. per Podcast zu verwirklichen. Eine Informations- und Datenflut bricht auf uns herein. Eine gigantische Welle, die wohl zum Großteil zu entsorgenden Müll mit sich schwemmt.
Bernhard Trebuch Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag ORF:
-
Gemäßigt modern: Die vorliegende Aufnahme bietet ein Spektrum österreichischer Chormusik von Anton Heiller und zweien seiner Schüler. Weiter...
(Diederich Lüken, )
-
Mit Gespür und Finesse: Musica Saeculorum unter Philipp von Steinaecker legt mit dieser Live-Aufnahme ein beglückendes Beispiel dafür vor, wie eine gelungene Interpretation von Händels 'Messiah' heute klingen kann. Weiter...
(Simon Haasis, )
-
Leider zu brav: Die ORF Edition Alte Musik präsentiert Georg Friedrich Händels 'Alexander's Feast', ausgeführt vom Ensemble Barucco und dem Kammerchor der Wiener Singakademie unter Heinz Ferlesch, aus dem Jahr 2009. Es wird zwar gut musiziert, aber leider viel zu brav. Weiter...
(Simon Haasis, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Matthias Lange:
-
Gediegen: Philippe Herreweghes gelegentliche Erkundungen im Reich der Bach-Kantate gefallen. Sie sind auf eine – im Sinne der Erkenntnisse historisch informierter Praxis – klassische Weise gediegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Später Kontrapunkt: Die Werner-Reihe schreitet voran – mit hoher Qualität in Komposition wie Interpretation. Es gelingt Lajos Rovatkay und seinen Ensembles mühelos, für diese wenig bekannte Musik zu interessieren, ja, zu begeistern. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Meister im kleinen Format: Masaaki Suzuki setzt seine systematischen Bach-Erkundungen im Reich des Chorals fort, mit einem ersten Teil des Orgel-Büchleins. Es ist eine mustergültige Präsentation auf einem der Musik ebenbürtigen Instrument. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Seele?: Elena Kuschnerova legt eine programmatisch fragwürdige, aber interpretatorisch überzeugende Aufnahme mit Klavierwerken von Alexander Lokshin und Sergej Prokofiev vor. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Gediegen: Philippe Herreweghes gelegentliche Erkundungen im Reich der Bach-Kantate gefallen. Sie sind auf eine – im Sinne der Erkenntnisse historisch informierter Praxis – klassische Weise gediegen. Weiter...
(Dr. Matthias Lange, )
-
Ausladend paraphrasiert: Vier Pianisten in perfekter Harmonie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Portrait

"Schumann ist so tiefgreifend, dass er den Herzensgrund erreicht."
Die Pianistin Jimin-Oh Havenith im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich