> > > Bartók, Béla: Herzog Blaubarts Burg
Montag, 20. März 2023

Bartók, Béla - Herzog Blaubarts Burg

Tönendes Grausen


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Vielleicht das grausigste Stück Musiktheater: Béla Bartóks 'Herzog Blaubarts Burg'.

Rezensent erinnert sich eines Auftritts von London Symphony im Wiener Musikverein Ende der neunziger Jahre. Das Programm zeigt sich konventionell und gefällig, für den Wiener Geschmack demnach sehr passend. Allein, der Beifall ist enden wollend, hart an der Grenze zur Demütigung: Zu deutlich waren technische und musikalische Begrenzungen des Orchesters hörbar geworden.

Dies ist lang her, und London Symphony Orchestra hat sich ‚gemausert’. Jüngst wählte es ein internationales Kritiker-Gremium unter die besten Orchester der Welt. Mag diese Einstufung allzu wohlwollend scheinen – der grelle Klang der Streicher ist gewöhnungsbedürftig bis heute, gemessen an mitteleuropäischen klanglichen Identitäten (Wien, Dresden etc.) –, mag Valery Gergievs rattenfängerisches Charisma seinen Teil zur jüngsten LSO-Euphorie beitragen, schließlich die Meinung, irgendeines der Orchester Londons ‚müsse’ Weltrang haben, denn London sei Musikkapitale – mögen allerlei außermusikalische Faktoren eine bedeutende Rolle spielen, so lässt sich nicht leugnen, dass London Symphony an musikalischer Substanz gewonnen hat. Diese Platte mit Bartóks grausiger Oper 'Herzog Blaubarts Burg’, beim hauseigenen Label LSO live erschienen, gibt einen überzeugenden Beleg für die künstlerischen Ambitionen des Ensembles.

Während des Ersten Weltkriegs entstanden, ist Bartóks 'Blaubart’ von einer Wucht, die ihresgleichen nicht findet – bei absichtsvoller Reduktion der Mittel, denn Bartók kommt mit zwei Gesangsrollen aus: Blaubart, dem Frauenvertilger, und Judith, die diesen zu ‚erlösen’ versucht, um schließlich selber zugrunde zu gehen. Neben Richard Straussens Kompositionen der Kriegszeit, darunter der monumental dimensionierten 'Frau ohne Schatten’, nimmt 'Blaubart’ sich teuflisch konzise aus. Am ehesten kommt Alban Bergs 'Wozzeck’ dem Einakter nahe – durch allumfassende Ökonomie und jedes Detail ergreifende formale Kontrolle, die wildester Empfindung gegenübersteht.

In Hinsicht auf ungebändigtes Ausdrucksvermögen scheint Gergiev für 'Blaubart’ prädestiniert. Auch weiß er sich zu zügeln: Als ununterbrochener Schreckensexzess müsste 'Blaubart’ jeden Hörer physisch überfordern. Gergiev nimmt Tempo, Dynamik und Ausdrucksdichte über weite Strecken zurück, um Paroxysmen umso nachdrücklicher zur Geltung zu bringen. Willard White gibt einen sonoren, ausgesprochen kultivierten Protagonisten, der alles grimmige Chargieren souverän verschmäht. Elena Zhidkova als Judith weiß sich auf Augenhöhe mit White: Selten kommt ein Tremolo in Sicht, die meiste Zeit erfreut die Zhidkova mit fokussiertem, sicher geführtem Sopran. Sie schließt sich Gergievs und Whites Ausdruckszurückhaltung an, wovon die Homogenität der Darstellung profitiert. Unter den nicht im Übermaß zahlreichen Aufnahmen des Werks ist diese Produktion ein der ersten.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Daniel Krause Kritik von Daniel Krause,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Bartók, Béla: Herzog Blaubarts Burg

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
1
01.09.2009
Medium:
EAN:

SACD
822231168522


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LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


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