
Telemann, Georg Philipp - Der aus der Löwengrube errettete Daniel
Apokrypher Telemann
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Telemann-Aufnahme ist orchestral sehr gut gelungen; im Vokalen aber gibt es zu große Unterschiede in der Qualität.
Es ist eine Schande, dass Georg Philipp Telemann noch längst nicht jenen Status erlangt hat, der ihm gebührt. Zu sehr lastet auf ihm der Ruf des Vielschreibers. Wäre es nicht an der Zeit, ihn als einen Komponisten neu zu schätzen, dem das Kompositionshandwerk ausgesprochen leicht von der Hand ging? Einen Komponisten, der in seiner stilistischen und Schaffensvielfalt beeindruckend ist und den es zu entdecken gilt? Das Oratorium 'Der aus der Löwengrube errettete Daniel’ gehört zu jenen Neuentdeckungen – zu Zeiten der Erstellung des Telemann-Werk-Verzeichnisses galt es als verschollen und seither ist es nur in mehreren Händel zugeschrieben Handschriften der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bekannt geworden. Zwei Choräle fehlen, Steffen Voss, der Editor der der CD-Produktion zugrunde liegenden Notenausgabe, hat auf Choralvertonungen Telemanns aus anderen Werken zurückgegriffen.
Das 1731 entstandene Werk befasst sich mit der berühmten biblischen Geschichte, die Telemann und sein Textdichter Albrecht Jacob Zell für das Michaelisfest musikalisch umsetzten. Das Oratorium gehört einem ganzen „Jahrgang“ von Oratorien an, die Telemann für die Saison 1730/31 schuf. Steffen Voss erläutert in seinem Begleittext ausführlich die Bedeutung sowohl der Kirchenmusik zu Michaelis als auch dieses auch für Telemann ganz besonderen Kirchenmusikjahrgangs. Telemann standen ein Orchester von 18 Mitgliedern sowie bis zu acht Vokalsolisten zur Verfügung, die auch Choraufgaben übernahmen. So war reiche Rollenverteilung und entsprechendes Dialogisieren auf das Beste gewährleistet.
Mit Michael Schneider und dem Ensemble La Stagione Frankfurt steht ein historisch informierter Klangkörper zur Verfügung, der nicht nur mit Telemanns Idiom bestens vertraut ist, sondern es in seiner ganzen Lebhaftigkeit transportieren kann. Die Orchesterleistung ist schneidig, brillant, wo erforderlich auch zurückgenommen, stets stilgemäß, auch nicht zu stark vorwärtstreibend (wunderbar angemessen etwa in Arbaces’ Arie 'Recke deines Zepters Spitze’).
Schneiders Solisten sind, das wird leider schnell offenbar, kein aufeinander eingespieltes Team. Ärger noch: Obwohl sie alle über entsprechende Spezialausbildung verfügen, entsteht nicht nur kein homogenes Ganzes, sondern es stellt sich immer wieder der Eindruck des Misslungenen ein. Einige Sänger sind international bereits durchaus renommiert, die Baritöne Stephan Schreckenberger und Ekkehard Abele etwa; Abele (als Darius) bringt auch gute, vielleicht etwas zu lyrisch angelegte Leistungen, doch neigt er ein wenig zu Manieriertheiten. Schreckenberger hingegen scheint von Zeit zu Zeit fast außer Stande, eine musikalische Phrase sinnvoll zu gestalten (die Arie 'Die glänzenden Helden’). Der Tenor Julian Prégardien tritt in die Fußstapfen seines berühmten Vaters, singt in dieser Aufnahme aber nur die kleine Rollen des Vertrauens – überhaupt haben die Tenöre (neben Prégardien auch Jörn Lindemann) wie auch der zweite Sopran (Annegret Kleindopf) in diesem Werk vor allem chorische Funktion.
Annemei Blessing-Leyhausen führt in der Partie der Freude ein vibratofreie, teilweise fast knabengleiche, dann aber wiederum auch durchaus weibliche Stimme, was der stilistischen Einheitlichkeit durchaus Abbruch tut. Laurie Reviol und Kai Wessel teilen sich die Altaufgaben. Laurie Reviol in der Rolle des Arbaces erweist sich als der historischer Informiertheit am fernsten – hier haben wir einen ausgewachsenen lyrischen Mezzosopran mit guter Tiefe, der an sich durchaus qualitätvoll ist, aber nach meiner Meinung für die ihr zugewiesene Rolle nur bedingt geeignet ist. Ganz anders der „VIP“ der Aufnahme: Kai Wessel bewältigt die anspruchsvolle Titelpartie weitgehend eloquent und koloraturengewandt, nicht so glatt wie manch anderer Altist und gelegentlich sogar durchaus problematisch, etwa in der hochgradig unbequemen „Auftrittsarie“ 'Brüllende Henker’. Auf der einen Seite also ein Altist, der ohne Netz und doppelten Boden alles riskiert, und fast vollständig erfolgreich ist, auf der anderen Seite um ihn herum mehrere im Vergleich zu „zahme“ Stimmen. Hierdurch funktioniert aber die ganze Dramaturgie des Werkes nicht – für die Interpretation insgesamt nur drei Sterne.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Telemann, Georg Philipp: Der aus der Löwengrube errettete Daniel |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.06.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
761203739721 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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