
Janitsch, Johann Gottlieb - Sonate da Camera Vol. 1
Spannende Besetzungsvarianten im Schaffen eines preußischen Hofangestellten
Label/Verlag: Atma classique
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Einspielung besticht durch den hohen Repertoirewert der bisher nur wenig gespielten Kammermusikwerken Janitschs. Gleichwohl fehlt es der soliden musikalischen Interpretation an hörbarer Risikobereitschaft.
Johann Gottlieb Janitsch gehört zu den Musikern und Komponisten der späten Barockzeit, welche zwar im 18. Jahrhundert vom preußischen Hofe Friedrichs II. nicht wegzudenken sind, deren Werke jedoch kaum mehr Anklang in unserer Gegenwart finden. Während viele seiner Kollegen an der Königlichen Hofkapelle, wie beispielsweise Carl Philipp Emmanuel oder Johann Joachim Quantz, nachhaltigen Einfluss auf Theorie und Praxis ihrer Instrumente Klavier und Flöte zu verzeichnen haben, wird den kammermusikalischen Kompositionen des Kontraviolonisten Janitsch erst in neuester Zeit wieder zunehmend Beachtung geschenkt.
Da ist es nicht verwunderlich, dass es sich bei den Einspielungen von fünf der insgesamt 27 Sonate da camera für Quartettbesetzung um gleich vier Weltersteinspielungen durch das Ensemble Notturna handelt. Während dem noch bekanntesten Quartett in g-Moll im 'Adagio’ als musikalisches Zitat der lutheranische Choral 'O Haupt voll Blut und Wunden’ zugrunde liegt, bestechen die übrigen vier Sonaten weniger durch einen fassbaren, bestimmten musikalischen Inhalt, sondern vielmehr durch deren ungewöhnliche Besetzungen. Nach eigenem Zitat von Janitsch, welches im informativen Text des Booklet wiedergegeben wird, wollte der Komponist keine Besetzungsvariante innerhalb sechs Sonaten, denen eine Opuszahl gegeben wurde, wiederholt sehen.
Obwohl im g-Moll-Quartett die Oboe galant und weniger spektakulär mit Violine, Viola und Basso continuo gekoppelt wird, sticht besonders die Instrumentationswahl mit den drei „Alt-Stimmen“ Oboe d’amore und zwei Violen im Quartett E-Dur, op. 5B ins Auge. Ganz im Gegenteil zu den übrigen Werken dieser Aufnahme beeindruckt diese Sonate insgesamt doch deutlich weniger, und zwar aufgrund des nur zähen, schleppenden Bewegungsflusses der Melodie besonders im Schlusssatz. Ob dieser Höreindruck mehr ein Resultat des ungewöhnlich tiefen, dunklen Klanges ist oder es den Musikern eher an technischer Lockerheit fehlt, muss offen bleiben. Jedoch bestechen gerade alle anderen Quartette, insbesondere op. 4 für Traversflöte, zwei Oboen und Basso continuo, ausnahmslos durch ihre leichte und zu keiner Zeit aufdringliche Spritzigkeit. Dieses in der Mitte platzierte Quartett ist auch aus dem Grunde erwähnenswert, weil es trotz komplexer Rhythmik, kontrapunktischer Strukturen und dem insgesamt sehr empfindsamen Stil, ähnlich der allgemein galanten Kompositionsweise C. P. E. Bachs, sehr eingängige Melodielinien mit sich trägt. Auffällig ist hier genauso wie beim Quartett op. 5 A in a-Moll der sehr helle und spitze Traversflötenklang von Mika Puttermann, der sich durchaus dem Timbre einer Blockflöte annähert und zum anderen im deutlichen Kontrast zum trüben, aber gleichermaßen schmeichelnden Klang der Oboe d’amore, gespielt vom Leiter des Ensembles – Christopher Palameta –, steht.
Insgesamt entsteht ein äußerst differenziertes und aufgrund der unkonventionellen Besetzungsvarianten sehr spannendes Klangbild, welches dem überaus präsenten musikalischen Dialogspiel der Musiker des nordamerikanischen Alte-Musik-Ensemble Notturna innerhalb der stets gleichberechtigten Instrumentalstimmen zu verdanken ist. Trotzdem bleibt eine gewisse Distanz gegenüber der Interpretationen der empfindsamen Sonaten, weil das Ensemble im Ganzen in Hinblick auf Tempo, Artikulation und Dynamik sich nur wenig an die Grenzen der jeweiligen Instrumente und deren Spielbarkeit wagt. Damit entsteht ein schlichter, aber durchweg solider Höreindruck, welcher durch schnellere Presti und Vivace sowie durch die Gestaltung langer Töne durch die Technik des Messa di voce besonders bei dissonanter Stimmverflechtung noch mehr gesteigert werden könnte. Nichtsdestotrotz gilt es, diese noch wenig bekannten Werke des preußischen Komponisten deutlich zu würdigen, denn sie bereichern das Repertoire barocker Kammermusik für Streicher und Bläser um schöne Sonaten im gleichermaßen alt hergebrachten kontrapunktischen und zugleich galanten Stil.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Janitsch, Johann Gottlieb: Sonate da Camera Vol. 1 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Atma classique 1 07.05.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
722056259323 |
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