> > > Mahler, Gustav: Symphonie Nr. 8
Montag, 20. März 2023

Mahler, Gustav - Symphonie Nr. 8

Hochgeputschtes sinfonisches Monster


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Gergiev gelingt eine emphatische Wiedergabe dieses Monumentalwerkes. Leider gelingt manches im heftigsten Getöse nicht mit der erforderlichen Transparenz.

Gustav Mahlers Achte Sinfonie gilt als spätromantisches Monumentalwerk. Im idealistischen Überschwang spannt es den Bogen vom mittelalterlichen Pfingsthymnus „Veni creatur spiritus“ zur Schlussszene „Faust zweiter Teil“, der Botschaft der ewigen Liebe. Wie leicht kann ein Dirigent bei diesen hymnischen Krächen in die Grube fallen, wenn er sich nur auf das äußere Funktionieren der sinfonischen Geschehnisse beschränkt, ohne die Brüchigkeit der Beschwörungen herauszufiltern. So gesehen gerät die live mitgeschnittene Aufnahme mit dem London Symphony Orchestra (LSO) unter der Stabführung von Valery Gergiev sicher musikalisch respektabel, wird befeuert mit lodernder Leidenschaft befeuert, wirkt aber aufnahmetechnisch anfechtbar.

Nicht einfach für die Tontechnik, der Umgang mit dieser Massierung von Mitwirkenden – auch wenn es nicht über 1000 Leute sind wie bei der Uraufführung unter der Leitung des Komponisten in der Neuen Musik-Festhalle in München. Da sind einmal die extrem hoch geputschten Bereiche der Fortissimi, die unter Gergiev recht farblos wirken und ins Bombastische ausarten. Was verlangte Gustav Mahler, der das Werk ja als sein opus summum hielt, von seinen Interpreten? Immer wieder Transparenz, farbliche Differenzierung und dynamische Feinsteuerung. Um dieser Forderung gerecht zu werden, um die klangliche Größe einigermaßen kontrastreich in die Rillen zu bannen, bedarf es großer Sorgfalt bei der Aufstellung des instrumentalen Apparates, der Chöre und Solisten. Eine zufrieden stellende Aufnahme des Riesenwerks lässt sich live wohl nie erreichen. Es scheint, dass unter Gergiev der sinfonische Koloss zu wenig klanglich präsent aufgenommen wurde, so dass die pathetischen Feierlichkeiten, die Akklamationen der beiden Chöre und die Antworten durch Pauken, Trompeten und Posaunen, aus einem eher grobrasterig plakativen Klangpanorama heraustönen. Sicher behält Gergiev  das Geschehen souverän im Griff. Auch wenn die Eruptionen mit geballter Stärke aus den Lautsprechern tönen (dringend empfohlen sei ein Abhören im Surround-Format), lässt sich im ersten Teil beim Pfingsthymnus auch ein subtiles Spiel der Farben ausmachen. Schlüssige Tempi führen im zweiten Teil zu beeindruckenden Klangresultaten. Dabei bilden geschmeidig ausgeformte Übergänge die integrative Klammer für die Konzeption der Drei-Bilder-Folge.

Als interpretatorische Positiva bleiben der große Bogen, den Gergiev zur monumental getürmten Schlussszene spannt sowie das wohl proportionierte Tempogefüge. Die versammelten Chöre beweisen Durchschlagskraft, zeigen Macht und Volumen. Das Oktett der Solisten geizt nicht mit der Farbigkeit seiner Stimmen. Vieles gelingt ausdrucksstark, ebenso die Wahrnehmung in den höheren Registern. So behaupten sich die Solisten gegen die überdimensional besetzten Chöre bei durchwegs passabler Artikulation, was auch für extreme Stimmlagen gilt.

Das London Symphony Orchestra stellt das instrumentale Brio mit beachtlicher Virtuosität zur Schau. Die Kraftakte der Streicher imponieren. Übersichtlicher gestaffelt könnte das schwere Blech, ebenso die Holzbläser, allerdings die Kommentare prägnanter formulieren.

Ans Herz wachsen wird einem Mahlers Achte wohl kaum. Mit Spannung erwartet man allerdings die von David Zinman und dem Zürcher Tonhalle Orchester im Februar im Kultur- und Kongresszentrum (KKL) in Luzern unter Studiobedingungen realisierte Aufnahme, die den Abschluss von Zinmans Mahler-Zyklus bilden wird. Denn hier wurde mit Akribie eine klangliche Staffelung realisiert, die eine vorbildliche Transparenz erwarten lässt. Einiges von dem ließ sich schon in den vorausgegangenen beiden Live-Aufführungen in Luzern erahnen. Man darf also in Sachen Mahler Acht gespannt sein.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Kritik von Prof. Egon Bezold,


Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Mahler, Gustav: Symphonie Nr. 8

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
1
01.04.2009
Medium:
EAN:

SACD
822231166924


Cover vergössern

LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...

Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag LSO Live:

  • Zur Kritik... Wege nach Innen: Simon Rattle und die 2. Sinfonie von Rachmaninow in der ungekürzten Fassung. Weiter...
    (Michael Pitz-Grewenig, )
  • Zur Kritik... Klassische Kopplung: Der Operndirigent Pappano als vorzüglicher Vaughan-Williams-Dirigent. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Auf dem richtigen Sitzplatz: Die vorliegende Produktion ist ein weiteres überzeugendes Plädoyer für die Akustik der Londoner Barbican Hall. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von LSO Live...

Weitere CD-Besprechungen von Prof. Egon Bezold:

  • Zur Kritik... Konzertante Begegnungen mit der Oboe: Die Koreanerin Yeon-Hee Kwak lässt alles mühelos und erscheinen, was die Oboe so schwierig macht. Sie zeigt bei Bohuslav Martinú und Holligers 'Sonata für Oboe solo' einen kernigen, in den Kantilenen gut schattierten Ton. Weiter...
    (Prof. Egon Bezold, )
  • Zur Kritik... Lustvoll aufdrehende Motorik: Lustvoll aufdrehende Motorik macht die Orchestersprache des Schweizers Frank Martin zum Ohrenschmaus. Suggestiv vermittelt der niederländische Bariton Thomas Oliemans Martins Monologe aus 'Jedermann. Weiter...
    (Prof. Egon Bezold, )
  • Zur Kritik... Wundersame Blüten: Wer nach griffigen geheimnisumwitterten Klängen sucht, die sich mitdenken, auch mitfühlen lassen, kommt in Larchers Quartett-Komposition „Madhares“ in jedem Fall auf seine Kosten. Weiter...
    (Prof. Egon Bezold, )
blättern

Alle Kritiken von Prof. Egon Bezold...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

  • Zur Kritik... Routiniert: Weder von der Aufnahmetechnik noch von der Wiedergabe wird diese Einspielung zwei Klaviertriowerken Carl Reineckes gerecht. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Lesenswerter Beitrag: Ein spannender Sammelband zum Thema Musik und Lebensphilosophie. Weiter...
    (Michael Pitz-Grewenig, )
  • Zur Kritik... Nüchterner Balakirew: Die Niederrheinischen Sinfoniker unter Mihkel Kütson und die Pianistin Dinara Klinton haben Musik von Milij Balakirew aufgenommen. Weiter...
    (Dr. Jan Kampmeier, )
blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Henri Bertini: Nonetto op.107 in D major - Allegro vivace

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich