
Mahler, Gustav - Symphonie Nr. 8
Hochgeputschtes sinfonisches Monster
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Gergiev gelingt eine emphatische Wiedergabe dieses Monumentalwerkes. Leider gelingt manches im heftigsten Getöse nicht mit der erforderlichen Transparenz.
Gustav Mahlers Achte Sinfonie gilt als spätromantisches Monumentalwerk. Im idealistischen Überschwang spannt es den Bogen vom mittelalterlichen Pfingsthymnus „Veni creatur spiritus“ zur Schlussszene „Faust zweiter Teil“, der Botschaft der ewigen Liebe. Wie leicht kann ein Dirigent bei diesen hymnischen Krächen in die Grube fallen, wenn er sich nur auf das äußere Funktionieren der sinfonischen Geschehnisse beschränkt, ohne die Brüchigkeit der Beschwörungen herauszufiltern. So gesehen gerät die live mitgeschnittene Aufnahme mit dem London Symphony Orchestra (LSO) unter der Stabführung von Valery Gergiev sicher musikalisch respektabel, wird befeuert mit lodernder Leidenschaft befeuert, wirkt aber aufnahmetechnisch anfechtbar.
Nicht einfach für die Tontechnik, der Umgang mit dieser Massierung von Mitwirkenden – auch wenn es nicht über 1000 Leute sind wie bei der Uraufführung unter der Leitung des Komponisten in der Neuen Musik-Festhalle in München. Da sind einmal die extrem hoch geputschten Bereiche der Fortissimi, die unter Gergiev recht farblos wirken und ins Bombastische ausarten. Was verlangte Gustav Mahler, der das Werk ja als sein opus summum hielt, von seinen Interpreten? Immer wieder Transparenz, farbliche Differenzierung und dynamische Feinsteuerung. Um dieser Forderung gerecht zu werden, um die klangliche Größe einigermaßen kontrastreich in die Rillen zu bannen, bedarf es großer Sorgfalt bei der Aufstellung des instrumentalen Apparates, der Chöre und Solisten. Eine zufrieden stellende Aufnahme des Riesenwerks lässt sich live wohl nie erreichen. Es scheint, dass unter Gergiev der sinfonische Koloss zu wenig klanglich präsent aufgenommen wurde, so dass die pathetischen Feierlichkeiten, die Akklamationen der beiden Chöre und die Antworten durch Pauken, Trompeten und Posaunen, aus einem eher grobrasterig plakativen Klangpanorama heraustönen. Sicher behält Gergiev das Geschehen souverän im Griff. Auch wenn die Eruptionen mit geballter Stärke aus den Lautsprechern tönen (dringend empfohlen sei ein Abhören im Surround-Format), lässt sich im ersten Teil beim Pfingsthymnus auch ein subtiles Spiel der Farben ausmachen. Schlüssige Tempi führen im zweiten Teil zu beeindruckenden Klangresultaten. Dabei bilden geschmeidig ausgeformte Übergänge die integrative Klammer für die Konzeption der Drei-Bilder-Folge.
Als interpretatorische Positiva bleiben der große Bogen, den Gergiev zur monumental getürmten Schlussszene spannt sowie das wohl proportionierte Tempogefüge. Die versammelten Chöre beweisen Durchschlagskraft, zeigen Macht und Volumen. Das Oktett der Solisten geizt nicht mit der Farbigkeit seiner Stimmen. Vieles gelingt ausdrucksstark, ebenso die Wahrnehmung in den höheren Registern. So behaupten sich die Solisten gegen die überdimensional besetzten Chöre bei durchwegs passabler Artikulation, was auch für extreme Stimmlagen gilt.
Das London Symphony Orchestra stellt das instrumentale Brio mit beachtlicher Virtuosität zur Schau. Die Kraftakte der Streicher imponieren. Übersichtlicher gestaffelt könnte das schwere Blech, ebenso die Holzbläser, allerdings die Kommentare prägnanter formulieren.
Ans Herz wachsen wird einem Mahlers Achte wohl kaum. Mit Spannung erwartet man allerdings die von David Zinman und dem Zürcher Tonhalle Orchester im Februar im Kultur- und Kongresszentrum (KKL) in Luzern unter Studiobedingungen realisierte Aufnahme, die den Abschluss von Zinmans Mahler-Zyklus bilden wird. Denn hier wurde mit Akribie eine klangliche Staffelung realisiert, die eine vorbildliche Transparenz erwarten lässt. Einiges von dem ließ sich schon in den vorausgegangenen beiden Live-Aufführungen in Luzern erahnen. Man darf also in Sachen Mahler Acht gespannt sein.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mahler, Gustav: Symphonie Nr. 8 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
LSO Live 1 01.04.2009 |
Medium:
EAN: |
SACD
822231166924 |
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