
MacMillan, James - St. John Passion
Johannespassion 2008
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der Uraufführungsmitschnitt von James MacMillans 'St. John Passion' mit dem London Symphony Orchestra und Chorus unter Colin Davis dürfte auf längere Zeit interpretatorisch und atmosphärisch schwer zu überbieten sein.
Am 27. April 2008 wurde in der Londoner Barbican Hall die 'St. John Passion' des schottischen Komponisten James MacMillan (geboren 1959) mit dem London Symphony Orchestra und Chorus unter Colin Davis uraufgeführt. Beim orchestereigenen Label LSO Live ist nun der Mitschnitt dieses Konzert auf zwei SACDs erschienen. Wer sich jenseits des barocken Zentralgestirns Johann Sebastian Bach für Passionsvertonungen der Gegenwart interessiert oder ein Liebhaber der Werke MacMillans ist, für den dürfte die Aufnahme Pflicht sein. Aber auch sonst mag diese britische Johannespassion einen hohen Reiz ausüben, denn vom Anspruch her steht sie wohl in einer Reihe mit den Passionsmusiken von Krzysztof Penderecki, Arvo Pärt und Sofia Gubaidulina. Die Frage, ob es sich tatsächlich um einen ‚Meilenstein der zeitgenössischen Musik’ handelt, wie es der Erzbischhof von Canterbury, Rowan Williams, im Vorwort des Booklets behauptet, muss man jedoch nicht unbedingt beantworten, weil erstens solche Superlative niemandem etwas bringen, und zweitens MacMillans kompositorischer Stil dafür, bei aller Individualität und Meisterschaft besonders in der Behandlung des Chors und der Orchestrierung, zu gemäßigt klingt.
Zum Werk: MacMillan, der gemeinsam mit seiner Frau dem Orden der Dominikaner angehört, hat seine 90 Minuten dauernde 'St. John Passion' in neun den Abschnitten der Passionsgeschichte entsprechende Teile und einen rein orchestralen Epilog aufgeteilt. Die Jesusfigur wird von einem Bariton – hier der souverän mit großer Stimme agierende Christopher Maltman – gesungen. Die restlichen Rollen sind auf zwei Chöre verteilt, einen Kammerchor, der die Rolle des Evangelisten übernimmt, und einen großen (ca. 80 Stimmen), auf den alle anderen Rollen fallen. Da das Oratorium durchweg eng am Text entlang komponiert ist, Arien oder sonstige Einschübe also fehlen, bekommt man die meiste Zeit beide Chöre im Wechselspiel zu hören. Auf a-capella-Passagen trifft man wegen der relativ konstanten Beteiligung des Orchesters dennoch eher selten. Ist der eingängig gestaltete Part des Erzählerchores mehr an einer harmonisch schwebenden Choralmelodik orientiert, so kommt es im großen Chor oft zu dissonanten Ausbrüchen, die im Verbund mit dem groß besetzten Orchester (Orgel, Glocken) auch hinsichtlich der Lautstärke in extreme Bereiche vordringen. Trotz dieser sehr wuchtigen Momente wirkt die atmosphärisch höchst dichte 'St. John Passion' aufgrund des konstant bedächtigen Tempos und der luftigen Textur aber nie überladen oder übertrieben pathetisch.
Hinsichtlich der Interpretation dürfte diese tontechnisch vollauf gelungene Einspielung, nicht nur, weil es sich bislang um die einzige handelt, für längere Zeit die Referenz darstellen Denn die Hochform, zu der das emotional intensiv musizierende London Symphony Orchestra und der Chorus hier unter Colin Davis, dem das Werk gewidmet ist, aufläuft, ist schwer zu überbieten. Alleine der massierte Klang der klaren Blechbläser in Kombination mit dem stimmgewaltigen Chor sorgt wiederholt für ein wohliges Schaudern. Dass MacMillans Stil eine gewisse Tendenz zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, insbesondere zu Wagner und dem frühen Schönberg, aufweist, passt zu Davis’ Dirigat, das auf große Bögen und Expressivität abzielt.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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MacMillan, James: St. John Passion |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
LSO Live 2 01.03.2009 |
Medium:
EAN: |
SACD
822231167129 |
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