
Mendoza, Elena - Kammermusik
Was wirklich ist
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Elena Mendoza erschafft in ihren filigran gearbeiteten Werken einen erstaunlichen Dialog der Wirklichkeiten.
Die junge spanische Komponistin Elena Mendoza betrachtet ihre Musik als ein ‚fortwährendes Infragestellen von Wirklichkeiten’. Ihre Tonsprache spielt mit den Wahrnehmungen, entwirft neue Erkenntniswelten und spielt solange mit ihnen, bis nichts mehr so ist, wie es vorher war. Was vordergründig nett und harmlos wirkt, erweist sich bei näherem Hinsehen als ein Abgrund voller Widersprüche und Irritationen. Und dennoch: Elena Mendozas Musik entzieht sich dem Hörer nicht, sie bleibt fasslich, ohne einen hermetischen Antwortenkatalog auf seine Fragen zu entwerfen. Bei Kairos ist nun eine Zusammenstellung mit einigen ihrer neueren Werke erschienen.
Im Prozess des Entwerfens und Hinterfragens von Wirklichkeiten spielt das dialogische Moment eine große Rolle. In 'Contra-dicción' für zwei Bratschen sitzt das Publikum zwischen den räumlich getrennten Spielern und erlebt hautnah das Zwiegespräch unterschiedlich gezeichneter musikalischer Gestalten. Ähnlich dialektisch geht Mendoza in 'Lo que nunca dijo nadie' für Violine und Gitarre vor. Das Stück basiert auf einem Text des spanischen Dichters Ángel González, der sich mit dem Unaussprechlichen beschäftigt. Klang und Sprache werden hier zu einer Einheit integriert, zum einen durch ein reiches Vokabular instrumentaler Gesten, zum anderen durch die gesprochene Sprache, wenn beide Musiker den Text, in Silben getrennt, in ihr Spiel einbeziehen.
Dieser Einbezug von vokalem Material in das Klanggefüge gelingt noch überzeugender in 'Akt Zeichnung' für Bariton und kleines Ensemble. Das Ensemble ist wie ein Spiegel der Gesangsstimme, geflüsterte und gesprochene Wortfetzen finden Echo und Klangraum in den Stimmaktionen der Instrumentalisten. Doch auch der Instrumentalklang wird sprachlich ausgeleuchtet, wenn der Sprachrhythmus durch Klangaktionen des Ensembles verdoppelt oder weitergeführt wird. Mit dem wortgewandten Bariton Guillermo Anzorena und dem ensemble mosaik unter der Leitung von Enno Poppe gelingt hier eine hochvirtuose, mitreißende Interpretation à bout de souffle.
Elena Mendoza erweist sich in ihren Kompositionen als Meisterin kleiner Übergänge. Musikalische Texturen werden unmerklich ineinander gefügt und wandeln ihre Gestalt, wodurch die Musik eine äußerst charakteristische Zeichnung erhält. Dieser gleichsam musikdramatische Impetus lässt sich in vielen Werken nachspüren, so im 'Breviario de espejismos' für Gitarre solo, einem Beitrag für das Goya-Projekt Jürgen Rucks, oder in der Komposition 'Diptico', die sich auf die Techniken der Ars Nova bezieht. Kleinste rhythmische und thematische Klanggestalten treten in einen Dialog und entwickeln sich auf ganz unvorhersehbare Art und Weise zu neuen Wesen.
Bei aller Komplexität in der formalen Anlage und bei allem klanglichen Reichtum bleibt die Musik immer filigran und durchhörbar. Elena Mendoza schafft eine breite Palette von tonalen und Geräuschklängen, die sie sehr bewusst, beinahe schon pointillistisch, ohne jede Redundanz einsetzt, immer in der Absicht, musikalische Figuren deutlicher zu charakterisieren oder eben auch ihre Identität zu verschleiern. Solch ein Changieren klanglicher Charaktere erlebt der Hörer auch im Klavierquartett „Nebelsplitter“, eine Arbeit, die in direktem Zusammenhang mit Mendozas jüngstem Werk für das Musiktheater, 'Niebla', steht.
So bietet diese Zusammenstellung in idiomatischen Interpretationen ein schönes Portrait des musikalischen Gedankenbaus von Elena Mendoza, mit all seinen zahlreichen Wirklichkeiten und Unwirklichkeiten.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mendoza, Elena: Kammermusik |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Kairos 1 13.03.2009 062:08 2008 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
9120010281457 KAI 0012882 |
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