> > > Sibelius, Jean: Sinfonien Nr. 1 & 4
Freitag, 31. März 2023

Sibelius, Jean - Sinfonien Nr. 1 & 4

Janusköpfiger Abschluss


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Abschluss eines Sibelius-Zyklus mit Sir Colin Davis und dem LSO mit der Ersten und Vierten Sinfonie. Letztere hervorragend, erstere ziemlich zäh und kraftlos dargeboten: janusköpfige Angelegenheit!

Das Label LSO des London Symphony Orchestra hat nun auch einen kompletten Zyklus der sieben Sinfonien des wohl bedeutendsten finnischen Komponisten, von Jean Sibelius im Programm. Die vorliegende Produktion, auf der die erste und die vierte Sinfonie vereint sind, bildet dabei den Schlussstein. Ihr liegen Live-Mitschnitte aus dem Barbican vom September 2006 bzw. Juli 2008 zu Grunde; am Dirigentenpult des LSO stand – wie zuvor auch – Sir Colin Davis. Klangtechnisch stellen beide Mitschnitte zufrieden; die auf SACD vorliegende Produktion zeichnet sich durch einen gut differenzierten Orchesterklang und große dynamische Spannbreite aus. Vielleicht ist der Klang lediglich ein wenig zu trocken geraten, um vollends zu begeistern. Das Booklet bietet eine solide Einführung in drei Sprachen.

AUnterschiedliche Popularität

Im Konzertleben konnten sich eigentlich nur die ersten beiden Sinfonien von Sibelius etablieren. Das liegt natürlich nicht zuletzt an der Musik selbst, die im Falle der späteren Sinfonien nicht immer leicht zugänglich ist oder die Erwartungen an eine Sinfonie unterläuft. Ganz besonders trifft das auf die Vierte Sinfonie a-Moll op. 63 zu, die der an Kehlkopfkrebs erkrankte Komponist in düsterer Seelenlage zu Papier gebracht hat. Ein Sieg wird zwar in der Ersten Sinfonie e-Moll op. 39 auch keineswegs errungen, gegen die bisweilen orientierungslos durch den Tonraum irrenden Klänge der Vierten mit ihrem zum Teil gespenstisch-fahlen Licht wirkt das handfeste Pathos der Ersten aber doch deutlich griffiger und fasslicher.

Unterschiedliche Qualität

Was die interpretatorische Leistung der vorliegenden Produktion angeht, muss man ganz scharf trennen. Die Vierte Sinfonie ist Colin Davis und den Londonern wirklich herausragend gut gelungen; besser kann man die Verlassenheit und Einsamkeit, das tastende Suchen dieses faszinierenden wie schwierigen Werks wohl kaum darstellen. Dazu tragen wesentlich die trotz ruhiger Tempi nie nachlassende Innenspannung sowie der Mut, über weite Strecken eine außerordentlich geringe Dynamik, die von den Musikern in kultivierter Weise umgesetzt wird, zu kultivieren, wesentlich bei. Ein wirklich ergreifendes Erlebnis, das es mir mehrfach kalt über den Rücken hat laufen lassen. Was sich Sir Colin mit der Ersten aber gedacht hat, bleibt sein Geheimnis. Die Tempi sind in einer Art und Weise zäh, dass das Hören wahrlich kein Vergnügen ist, zumal noch nicht einmal der Satz Anwendung finden kann, in der Ruhe liege die Kraft: Davis versteht es nicht, Spannung aufzubauen geschweige denn zu halten. Das ist dann doch eine herbe Enttäuschung, zumal auch die Leistung des Orchesters einiges von ‚Dienst nach Vorschrift’ hat – wirklich ins Zeug scheint sich hier niemand gelegt zu haben.

Mögliche Werbung verpufft

Wer die Platte in erster Linie wegen der e-Moll-Sinfonie erwirbt, wird zweifelsohne enttäuscht sein. Schade finde ich es wegen der wirklich herausragend guten Deutung der Vierten, gerade weil dieses Werk deutlich mehr Beachtung verdiente; dieser Mitschnitt ist allerbeste Werbung für das vernachlässigte Werk. Die Sterne-Bewertung in Sachen Interpretation ist als Mittelwert der beiden Sinfonien (zwei bzw. vier Sterne) zu verstehen, im Bereich des Repertoirewerts zieht die flaue Deutung des eigentlichen Zugpferds jedoch das ganze Produkt nach unten. Ein unterm Strich ausgesprochen janusköpfiger Abschluss dieses Sibelius-Projekts.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Sibelius, Jean: Sinfonien Nr. 1 & 4

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
1
01.01.2009
Medium:
EAN:

SACD
822231160120


Cover vergössern

LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...

Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag LSO Live:

  • Zur Kritik... Wege nach Innen: Simon Rattle und die 2. Sinfonie von Rachmaninow in der ungekürzten Fassung. Weiter...
    (Michael Pitz-Grewenig, )
  • Zur Kritik... Klassische Kopplung: Der Operndirigent Pappano als vorzüglicher Vaughan-Williams-Dirigent. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Auf dem richtigen Sitzplatz: Die vorliegende Produktion ist ein weiteres überzeugendes Plädoyer für die Akustik der Londoner Barbican Hall. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von LSO Live...

Weitere CD-Besprechungen von Christian Vitalis:

  • Zur Kritik... Bretonische Legende auf der Opernbühne: Ordentliche Aufnahme aus Liège der heute recht unbekannten Oper 'Le Roi d'Ys' von Édouard Lalo. Zwar nicht Referenzklasse-Niveau, angesichts der geringen Auswahl aber dennoch empfehlenswert, sofern man sich für die Oper interessiert. Weiter...
    (Christian Vitalis, )
  • Zur Kritik... Homogener als erwartet: Eine Gegenüberstellung von Orgelwerken finnischer Komponisten und solchen von J. S. Bach und Buxtehude bietet Kari Vuola mit dieser Platte. Faktisch fallen die im Titel versprochenen Kontraste geringer aus als erwartet. Weiter...
    (Christian Vitalis, )
  • Zur Kritik... Stille und Einkehr: Es sind hier drei Konzertstücke zu hören, deren Entdeckung eine lohnende Bereicherung ist. Der Japaner Toshio Hosokawa versteht sich auf Musik an der Grenze zur Stille. Gelungene Interpretationen aus Luxemburg. Weiter...
    (Christian Vitalis, )
blättern

Alle Kritiken von Christian Vitalis...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich