
Sibelius, Jean - Sinfonien Nr. 1 & 4
Janusköpfiger Abschluss
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Abschluss eines Sibelius-Zyklus mit Sir Colin Davis und dem LSO mit der Ersten und Vierten Sinfonie. Letztere hervorragend, erstere ziemlich zäh und kraftlos dargeboten: janusköpfige Angelegenheit!
Das Label LSO des London Symphony Orchestra hat nun auch einen kompletten Zyklus der sieben Sinfonien des wohl bedeutendsten finnischen Komponisten, von Jean Sibelius im Programm. Die vorliegende Produktion, auf der die erste und die vierte Sinfonie vereint sind, bildet dabei den Schlussstein. Ihr liegen Live-Mitschnitte aus dem Barbican vom September 2006 bzw. Juli 2008 zu Grunde; am Dirigentenpult des LSO stand – wie zuvor auch – Sir Colin Davis. Klangtechnisch stellen beide Mitschnitte zufrieden; die auf SACD vorliegende Produktion zeichnet sich durch einen gut differenzierten Orchesterklang und große dynamische Spannbreite aus. Vielleicht ist der Klang lediglich ein wenig zu trocken geraten, um vollends zu begeistern. Das Booklet bietet eine solide Einführung in drei Sprachen.
AUnterschiedliche Popularität
Im Konzertleben konnten sich eigentlich nur die ersten beiden Sinfonien von Sibelius etablieren. Das liegt natürlich nicht zuletzt an der Musik selbst, die im Falle der späteren Sinfonien nicht immer leicht zugänglich ist oder die Erwartungen an eine Sinfonie unterläuft. Ganz besonders trifft das auf die Vierte Sinfonie a-Moll op. 63 zu, die der an Kehlkopfkrebs erkrankte Komponist in düsterer Seelenlage zu Papier gebracht hat. Ein Sieg wird zwar in der Ersten Sinfonie e-Moll op. 39 auch keineswegs errungen, gegen die bisweilen orientierungslos durch den Tonraum irrenden Klänge der Vierten mit ihrem zum Teil gespenstisch-fahlen Licht wirkt das handfeste Pathos der Ersten aber doch deutlich griffiger und fasslicher.
Unterschiedliche Qualität
Was die interpretatorische Leistung der vorliegenden Produktion angeht, muss man ganz scharf trennen. Die Vierte Sinfonie ist Colin Davis und den Londonern wirklich herausragend gut gelungen; besser kann man die Verlassenheit und Einsamkeit, das tastende Suchen dieses faszinierenden wie schwierigen Werks wohl kaum darstellen. Dazu tragen wesentlich die trotz ruhiger Tempi nie nachlassende Innenspannung sowie der Mut, über weite Strecken eine außerordentlich geringe Dynamik, die von den Musikern in kultivierter Weise umgesetzt wird, zu kultivieren, wesentlich bei. Ein wirklich ergreifendes Erlebnis, das es mir mehrfach kalt über den Rücken hat laufen lassen. Was sich Sir Colin mit der Ersten aber gedacht hat, bleibt sein Geheimnis. Die Tempi sind in einer Art und Weise zäh, dass das Hören wahrlich kein Vergnügen ist, zumal noch nicht einmal der Satz Anwendung finden kann, in der Ruhe liege die Kraft: Davis versteht es nicht, Spannung aufzubauen geschweige denn zu halten. Das ist dann doch eine herbe Enttäuschung, zumal auch die Leistung des Orchesters einiges von ‚Dienst nach Vorschrift’ hat – wirklich ins Zeug scheint sich hier niemand gelegt zu haben.
Mögliche Werbung verpufft
Wer die Platte in erster Linie wegen der e-Moll-Sinfonie erwirbt, wird zweifelsohne enttäuscht sein. Schade finde ich es wegen der wirklich herausragend guten Deutung der Vierten, gerade weil dieses Werk deutlich mehr Beachtung verdiente; dieser Mitschnitt ist allerbeste Werbung für das vernachlässigte Werk. Die Sterne-Bewertung in Sachen Interpretation ist als Mittelwert der beiden Sinfonien (zwei bzw. vier Sterne) zu verstehen, im Bereich des Repertoirewerts zieht die flaue Deutung des eigentlichen Zugpferds jedoch das ganze Produkt nach unten. Ein unterm Strich ausgesprochen janusköpfiger Abschluss dieses Sibelius-Projekts.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Sibelius, Jean: Sinfonien Nr. 1 & 4 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
LSO Live 1 01.01.2009 |
Medium:
EAN: |
SACD
822231160120 |
![]() Cover vergössern |
LSO Live Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.
Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist. Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist. Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.
London Symphony Orchestra Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident. Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag LSO Live:
-
Wege nach Innen: Simon Rattle und die 2. Sinfonie von Rachmaninow in der ungekürzten Fassung. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Klassische Kopplung: Der Operndirigent Pappano als vorzüglicher Vaughan-Williams-Dirigent. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Auf dem richtigen Sitzplatz: Die vorliegende Produktion ist ein weiteres überzeugendes Plädoyer für die Akustik der Londoner Barbican Hall. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Christian Vitalis:
-
Bretonische Legende auf der Opernbühne: Ordentliche Aufnahme aus Liège der heute recht unbekannten Oper 'Le Roi d'Ys' von Édouard Lalo. Zwar nicht Referenzklasse-Niveau, angesichts der geringen Auswahl aber dennoch empfehlenswert, sofern man sich für die Oper interessiert. Weiter...
(Christian Vitalis, )
-
Homogener als erwartet: Eine Gegenüberstellung von Orgelwerken finnischer Komponisten und solchen von J. S. Bach und Buxtehude bietet Kari Vuola mit dieser Platte. Faktisch fallen die im Titel versprochenen Kontraste geringer aus als erwartet. Weiter...
(Christian Vitalis, )
-
Stille und Einkehr: Es sind hier drei Konzertstücke zu hören, deren Entdeckung eine lohnende Bereicherung ist. Der Japaner Toshio Hosokawa versteht sich auf Musik an der Grenze zur Stille. Gelungene Interpretationen aus Luxemburg. Weiter...
(Christian Vitalis, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Tanzende sowjetische Fußballer und Landarbeiter : Das Singapore Symphony Orchestra hat die berühmten Jazz-Suiten von Schostakowitsch eingespielt, kombiniert mit zwei Balletten, die das heldenhafte Leben der Menschen in der Sowjetunion zelebrieren. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
-
Mehr als vier Hände: Das Duo Genova-Dimitrov bietet an zwei Flügeln eine reiche Reinecke-Lese. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Später Brahms, frisch präsentiert: Michael Collins und Stephen Hough überzeugen als kammermusikalisches Duo. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich