
ensemble für frühe musik augsburg spielt - Werke Oswalds von Wolkenstein
Ich, Wolkenstein.
Label/Verlag: Christophorus
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mittelalter-Faszinierten sei diese Produktion mit Nachdruck empfohlen.
Unser Bild vom 15. Jahrhundert ist durch die niederländische Vokalpolyphonie nach Art Guillaume Dufays, Johannes Ockeghems und Josquin Desprezs bestimmt. Dass dieses Jahrhundert zugleich die letzten, längst anachronistischen, ‚Minnesänger’ hervorbringt, gerät allzu oft aus dem Blick. Ob Oswald von Wolkenstein, der Südtiroler Haudegen, Querulant, fahrende Sänger und politische Aktivist, im eigentlichen Sinne noch als ‚Minnesänger’ durchgeht, ist zugegebenermaßen umstritten. Seine Vita jedenfalls weckt Interesse: Dieter Kühn hat eine erfolgreiche, romannahe Biographie des Sängers vorgelegt (‚Ich, Wolkenstein’).
Auch Wolkensteins Lieder geben, dem Anschein nach, Auskunft über persönliche Belange, dies nicht in rhetorisch entindividualisierter Form, wie mittelalterlicher Minnesang, vielmehr im Bewusstsein persönlicher Würde und Kraft, cum ira et studio. Nimmt man die Ecken und Kanten der Vita und des Persönlichkeitsbildes hinzu, auch das Verschrobene der physischen Erscheinung, wird man Wolkenstein als veritablen ‚Charakterkopf’ ansehen müssen, der – unabhängig von der literarischen Leistung, die hinter manchem der Troubadoure und Minnesänger zurückbleibt – bis heute einen dankbaren Gegenstand geschichtlichen und menschlichen Interesses abgibt.
Christophorus aus Heidelberg, hat Aufnahmen des Ensembles für frühe Musik Augsburg (1987) herausgebracht. Sie wollen eine Gesamtschau des Schaffens Oswald von Wolkensteins liefern, mit Sologesang ('Es fuegt sich’, 'Frölich zärtlich’, 'Wer die ougen will verschüren’), Mehrstimmigem ('Ain graserin’, 'Kom liebster man’) und Instrumentalstücken ('Ich klag’, 'Los frau und hör des hornes schall’, 'Qui contre fortune’). Dabei kommen manche unvertrauten Klänge zu Gehör, mit Pommern, ‚Mittelalter-Laute’, Chitarra Sarazenica, Schalmei und Fidel. Als Sänger wie Instrumentalisten firmieren Sabine Lutzenberger, Heinz Schwamm, Wolfgang Zahn, Hans Ganser und Rainer Herpichböhm. Sie sind dem Ensemble für frühe Musik im wesentlichen bis heute verbunden: Eindrucksvoller Beleg kontinuierlicher (und kommerziell erfolgreicher) musikalischer Arbeit.
Vorliegende Aufnahmen datieren also aus den achtziger Jahren. ‚Taufrisch’ sind sie demgemäß nicht. Diesen Umstand gegen Label und Interpreten geltend machen zu wollen, grenzte allerdings an Hypokrisie: Es herrscht kein Überfluss an ‚seriösen’ Wolkenstein-Einspielungen, jenseits von Schulfunk und Mittelaltermärkten. Auch dürfte die Wissenschaft seither keine grundstürzenden Auffassungsunterschiede erzwungen haben, und die Klang-Qualität (Ton-Ingenieur: Dietmar Vogg) ist auch nach heutigem Standard goutierbar. Das Beiheft ist nicht im Übermaß üppig geraten, aber die Liedtexte wurden vollständig abgedruckt. Mit einem Wort: Wer sich spätzeitlichen Minnesang vom ‚Herbst des Mittelalters’ erschließen will, in kompetenten Interpretationen, möge nicht zögern, diese Produktion zu erwerben.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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ensemble für frühe musik augsburg spielt: Werke Oswalds von Wolkenstein |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Christophorus 1 01.01.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
4010072773043 |
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Christophorus Christophorus ist das älteste deutsche Plattenlabel mit dem Schwerpunkt "Geistliche Musik". Es wurde 1935 gegründet, um religiöse Inhalte mittels Schallplatten und Bücher auch während des Nazi-Regimes zu verbreiten. Heute - mehr als 75 Jahre später - stehen spirituelle Themen weiterhin im Mittelpunkt des Labels, mit besonderem Interesse für unbekannte Werke und historische Interpretation. Gregorianische Gesänge, geistliche Vokalmusik, Musik der christlichen Kirchen und die Gesänge aus Taizé sind im Katalog ebenso vertreten wie Musik des Mittelalters und der Renaissance. Mit diesem Repertoire gilt Christophorus heute als eines der wichtigsten unabhängigen Labels auf dem internationalen Klassikmarkt. Mehr Info... |
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