> > > Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 2 c - Moll ´Auferstehung´
Freitag, 31. März 2023

Mahler, Gustav - Sinfonie Nr. 2 c - Moll ´Auferstehung´

Zwiespältige 'Auferstehungs-Sinfonie'


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Trotz beeindruckender Leistung des Orchesters hinterlässst Gergievs Einspielung von Mahlers Zweiter letztendlich zwiespältige Gefühle, vor allem wegen Zlata Bulycheva und Elena Mosuc.

Mahlers Zweite möchte alles auf einmal sein: Sinfonie, Kantate, Oratorium und Erlösungsmysterium. Sowohl Beethovens Neunte als auch die Bestrebungen Richard Wagners, Kunst und Religion miteinander zu verschmelzen, sind die Vorbilder für dieses gigantische Unterfangen, das Mahler jahrelang in Atem hielt. Vor 21 Jahren hat Leonard Bernstein mit dem New York Philharmonic eine Interpretation der ‘Auferstehungssinfonie’ vorgelegt, die bis heute ihresgleichen sucht (DG, 1988). Eine Interpretation, die dieses Werk in all seinen klaffenden Widersprüchen und Ungeheuerlichkeiten begreift. Eine Interpretation, die Mahlers unbedingtes Streben nach individuellem Ausdruck auf geradezu manische Weise verinnerlicht.

Valery Gergiev dagegen geht den Weg, den die meisten Dirigenten wählen (LSO Live, 2009). Er entscheidet sich tendenziell für einheitliche Charakterzüge, er kittet Brüche, er glättet das heterogene Material – und er tut dies ohne Frage auf hohem Niveau. Das London Symphony Orchestra wirkt im ersten Satz wunderbar kompakt und präsentiert die Totenfeier dunkel grollend unter großem Spannungsbogen. Gergievs reichhaltige Opernerfahrung tritt in den souveränen dramatischen Zuspitzungen deutlich zutage.

Doch dies hat auch seine Kehrseite: Der derzeitige Chefdirigent des LSO inszeniert Mahlers Musik mit strenger Hand anstatt sie flexibel aus dem Moment heraus entstehen zu lassen. Die bestürzende Modernität dieser Musik bleibt auf der Strecke. Zuhörer, die dieses Werk gut kennen, erleben bei Gergiev keine Überraschungen. In den Sätzen 2 und 3 hält der Dirigent die Zügel recht straff. Das 'Andante', von Mahler als ‘sehr gemächlich’ bezeichnet, nimmt Gergiev untänzerisch gradlinig. Der typische Wienerische Tonfall, den Bernstein in seiner grazil federnden Interpretation so traumwandlerisch trifft, fehlt bei Gergiev vollkommen. Das Scherzose des dritten Satzes verwandelt Gergiev in ein überhetztes, sarkastisches Perpetuum Mobile.

Vielleicht ist dies Gergievs größte Schwäche: das Nicht-loslassen-können. Man vergleiche, wie Bernstein mittels ruhig dahinfließender Tempi die Wirkung der grellen Tutti-Einbrüche vervielfacht. Bis hierin kann man Gergiev wohlwollend zugute halten, dass er seine künstlerischen Entscheidungen, obgleich sie Mahlers Musik charakterlich reduzieren, mit dem LSO immerhin klanglich sehr ansprechend realisiert. Kein gutes Händchen hat der Dirigent allerdings bei der Wahl der Solostimmen bewiesen. Sowohl Zlata Bulychevas überreifer, matronenhafter Mezzosopran als auch Elena Mosucs scharfer, affektierter Sopran sind für Mahlers ‘Auferstehungssinfonie’ denkbar ungeeignet.

Einen besseren Gesamteindruck hinterlässt das Adagio aus der 10. Sinfonie, das mit der Zweiten gekoppelt ist – eine optimistisch gefärbte, aber keineswegs verklärende Interpretation mit den Londonern in Höchstform. Für eine Empfehlung reicht dies trotzdem nicht. Schuld daran ist u. a. Simon Rattles Referenzeinspielung mit den Berliner Philharmonikern aus dem Jahre 2000, die uns vorführt, um wie viel atmosphärischer, kraftvoller, beweglicher und kontrastreicher dieser Satz musiziert werden kann.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Kritik von Felix Stephan,


Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 2 c - Moll ´Auferstehung´

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
2
01.01.2009
Medium:
EAN:

SACD
822231166627


Cover vergössern

LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...

Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag LSO Live:

  • Zur Kritik... Wege nach Innen: Simon Rattle und die 2. Sinfonie von Rachmaninow in der ungekürzten Fassung. Weiter...
    (Michael Pitz-Grewenig, )
  • Zur Kritik... Klassische Kopplung: Der Operndirigent Pappano als vorzüglicher Vaughan-Williams-Dirigent. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Auf dem richtigen Sitzplatz: Die vorliegende Produktion ist ein weiteres überzeugendes Plädoyer für die Akustik der Londoner Barbican Hall. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
blättern

Alle Kritiken von LSO Live...

Weitere CD-Besprechungen von Felix Stephan:

  • Zur Kritik... Zwiespältiges Ergebnis: Korsticks vielgerühmter Beethoven-Zyklus geht in die voraussichtlich vorletzte Runde - mit zwiespältigem Ergebnis. Weiter...
    (Felix Stephan, )
  • Zur Kritik... Bewundernswert attraktiv: Tolles Konzept, gelungenes Layout, immense Informationsdichte, enorme Bandbreite: Trotz ein paar kleineren Schwächen im Detail ist Amons "Lexikon der musikalischen Form" zu empfehlen. Weiter...
    (Felix Stephan, )
  • Zur Kritik... Gepflegte Langeweile: Brav, vorhersehbar und teilweise unausgereift - so wirkt dieser Schubert-Live-Mitschnitt des Amerikaners Jonathan Biss aus der Londoner Wigmore Hall. Weiter...
    (Felix Stephan, )
blättern

Alle Kritiken von Felix Stephan...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Sergej Tanejew: Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello E-Dur op.20 - Finale. Allegro molto - Fuga - Moderato serafico

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Sponsored Links

Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich