
Mahler, Gustav - Sinfonie Nr. 2 c - Moll ´Auferstehung´
Zwiespältige 'Auferstehungs-Sinfonie'
Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Trotz beeindruckender Leistung des Orchesters hinterlässst Gergievs Einspielung von Mahlers Zweiter letztendlich zwiespältige Gefühle, vor allem wegen Zlata Bulycheva und Elena Mosuc.
Mahlers Zweite möchte alles auf einmal sein: Sinfonie, Kantate, Oratorium und Erlösungsmysterium. Sowohl Beethovens Neunte als auch die Bestrebungen Richard Wagners, Kunst und Religion miteinander zu verschmelzen, sind die Vorbilder für dieses gigantische Unterfangen, das Mahler jahrelang in Atem hielt. Vor 21 Jahren hat Leonard Bernstein mit dem New York Philharmonic eine Interpretation der ‘Auferstehungssinfonie’ vorgelegt, die bis heute ihresgleichen sucht (DG, 1988). Eine Interpretation, die dieses Werk in all seinen klaffenden Widersprüchen und Ungeheuerlichkeiten begreift. Eine Interpretation, die Mahlers unbedingtes Streben nach individuellem Ausdruck auf geradezu manische Weise verinnerlicht.
Valery Gergiev dagegen geht den Weg, den die meisten Dirigenten wählen (LSO Live, 2009). Er entscheidet sich tendenziell für einheitliche Charakterzüge, er kittet Brüche, er glättet das heterogene Material – und er tut dies ohne Frage auf hohem Niveau. Das London Symphony Orchestra wirkt im ersten Satz wunderbar kompakt und präsentiert die Totenfeier dunkel grollend unter großem Spannungsbogen. Gergievs reichhaltige Opernerfahrung tritt in den souveränen dramatischen Zuspitzungen deutlich zutage.
Doch dies hat auch seine Kehrseite: Der derzeitige Chefdirigent des LSO inszeniert Mahlers Musik mit strenger Hand anstatt sie flexibel aus dem Moment heraus entstehen zu lassen. Die bestürzende Modernität dieser Musik bleibt auf der Strecke. Zuhörer, die dieses Werk gut kennen, erleben bei Gergiev keine Überraschungen. In den Sätzen 2 und 3 hält der Dirigent die Zügel recht straff. Das 'Andante', von Mahler als ‘sehr gemächlich’ bezeichnet, nimmt Gergiev untänzerisch gradlinig. Der typische Wienerische Tonfall, den Bernstein in seiner grazil federnden Interpretation so traumwandlerisch trifft, fehlt bei Gergiev vollkommen. Das Scherzose des dritten Satzes verwandelt Gergiev in ein überhetztes, sarkastisches Perpetuum Mobile.
Vielleicht ist dies Gergievs größte Schwäche: das Nicht-loslassen-können. Man vergleiche, wie Bernstein mittels ruhig dahinfließender Tempi die Wirkung der grellen Tutti-Einbrüche vervielfacht. Bis hierin kann man Gergiev wohlwollend zugute halten, dass er seine künstlerischen Entscheidungen, obgleich sie Mahlers Musik charakterlich reduzieren, mit dem LSO immerhin klanglich sehr ansprechend realisiert. Kein gutes Händchen hat der Dirigent allerdings bei der Wahl der Solostimmen bewiesen. Sowohl Zlata Bulychevas überreifer, matronenhafter Mezzosopran als auch Elena Mosucs scharfer, affektierter Sopran sind für Mahlers ‘Auferstehungssinfonie’ denkbar ungeeignet.
Einen besseren Gesamteindruck hinterlässt das Adagio aus der 10. Sinfonie, das mit der Zweiten gekoppelt ist – eine optimistisch gefärbte, aber keineswegs verklärende Interpretation mit den Londonern in Höchstform. Für eine Empfehlung reicht dies trotzdem nicht. Schuld daran ist u. a. Simon Rattles Referenzeinspielung mit den Berliner Philharmonikern aus dem Jahre 2000, die uns vorführt, um wie viel atmosphärischer, kraftvoller, beweglicher und kontrastreicher dieser Satz musiziert werden kann.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 2 c - Moll ´Auferstehung´ |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
LSO Live 2 01.01.2009 |
Medium:
EAN: |
SACD
822231166627 |
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London Symphony Orchestra Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident. Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln. Mehr Info... |
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