> > > Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 3 in d-Moll
Montag, 20. März 2023

Mahler, Gustav - Sinfonie Nr. 3 in d-Moll

Teilweise unausgereift


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Gergievs Interpretation von Mahlers Dritter mit dem London Symphony Orchestra kann nur teilweise überzeugen.

Seit Valery Gergiev Anfang 2007 zum Chefdirigenten des London Symphony Orchestra ernannt wurde, hat er unter Hochdruck an seinem Mahler-Zyklus gearbeitet. In den letzten zwölf Monaten ist auf dem orchestereigenen Label ‘LSO live’ bereits ein Großteil der Sinfonien erschienen. Nur Mahlers Vierte, Fünfte und Neunte stehen noch aus.

Im Falle der Dritten wünscht man sich allerdings, Gergiev hätte sich mehr Zeit gelassen. Das London Symphony Orchestra und ihr russischer Chef bilden auf dem nun vorliegenden Live-Mitschnitt von September 2007 noch keine durchgängig ausgereifte Einheit des Denkens und Fühlens. Besonders der ausufernde Kopfsatz der höchst eigenwilligen Schöpfungsmythologie Mahlers weist Schwächen in Zusammenspiel und Artikulation auf. Nicht nur die ungenauen Repetitionen des Marsch-Themas lassen vage Zweifel aufkommen, ob Gergiev hier ein Orchester der Weltspitze dirigiert. Oder wären einfach nur mehr Proben notwendig gewesen? Im zweiten Satz wirken die Londoner glücklicherweise wie ausgewechselt. Überraschend, mit welch leichter Hand Gergiev den sorglos-innigen Tonfall des Menuetts heraufbeschwört. Hier wie auch im dritten Satz sind Gergievs mäßige Tempi im Sinne Mahlers. Das generell eher trockene, nüchterne Klangbild allerdings schadet dem Scherzando. Darüber hinaus befremdet Gergievs stark zurückgenommene Dynamik.

1999 hatte die schwedische Altistin Anna Larsson ihren großen Moment, als sie Mahlers Dritte mit den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado in London aufführte (DG, erschienen 2002). Ihr ‘O Mensch! Gib Acht!’ gehört bis heute zu den schönsten Geschenken der Mahler-Diskographie. Wie Larsson damals ihre kernige Stimme in edles Dunkel hüllte, wie sie den geheimnisvoll suggestiven Tonfall des Anfangs alsbald in pure menschliche Sehnsucht verwandelte, wie sich in ihrer Stimme gleichermaßen Trauer und Freude, Glück und Schmerz spiegelte – das muss man einfach gehört haben.

Und natürlich ist die Enttäuschung groß, wenn man sie in der acht Jahre späteren, abermals in London entstandenen Aufnahme mit Gergiev hört. Man ist enttäuscht von den Schärfen in ihrer Stimme, vom abgeflachten Timbre, vom brüchigen melodischen Duktus. Zum zweiten Mal hat Gergiev Pech bei seiner Sängerwahl. Während er in Mahlers Zweiter Sinfonie unpassender Weise mit zwei überreifen Opernstimmen aufwartet (LSO Live, 2009), weist die früher wunderbar geeignete Stimme Anna Larssons mittlerweile beträchtliche Altersspuren auf. Wie zur Wiedergutmachung bietet Gergiev dem Zuhörer einen geschmeidig-innigen, hauchwarmen Schlusssatz. Er zelebriert die schier endlos schwingenden Melodiebögen. Und beweist, dass er loszulassen vermag, ohne an Intensität zu verlieren.

Das andernorts bemängelte trockene Klangdesign leistet diesmal gute Dienste – selten hat man das Finale von Mahlers Dritter transparenter gehört.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Kritik von Felix Stephan,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Mahler, Gustav: Sinfonie Nr. 3 in d-Moll

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
2
01.11.2008
Medium:
EAN:

SACD
822231166023


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LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


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