
Bach, Carl Philipp Emanuel - Lukas-Passion
Ein weiteres Puzzlestück
Label/Verlag: Glor classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Abgesehen von wenigen interpretatorischen Schwächen werden die Eigenheiten von C.P.E. Bachs Musik von Joshard Daus und seinen Musikern in dieser Ersteinspielung wunderbar zum Klingen gebracht.
Nach und nach, Stück für Stück wird ihnen Leben eingehaucht, den lange als verschollen verbuchten Werken der Berliner Sing-Akademie, die 1999 in Kiew entdeckt worden waren und nun wieder ‚zu Hause‘ sind. Aus den weit über 5000 Partituren hat sich Joshard Daus, der ehemalige Direktor der Berliner Sing-Akademie, die Lukas-Passion aus dem Jahr 1787 von Bachs zweitältestem Sohn Carl Philipp Emanuel (1714–1788) herausgefischt und diese zusammen mit Gesangssolisten und der von ihm gegründeten EuropaChorAkademie in Begleitung der Mendelssohn Symphonia aufgeführt. In Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk ist sie als Weltersteinspielung bei GLOR Classics auf CD erschienen. Mit dabei: eine Bonus-DVD für diejenigen, die Daus und seine Klangkörper ,live und in Farbe‘ erleben wollen.
Typisch
Fans des ,Hamburger‘ Bachs dürfen sich bei seiner letzten Passion auf genau das freuen, was sie bei anderen Kirchenmusikwerken von ihm kennen und lieben: wunderschön gesangliche Melodien in den Arien und Chören, einfache, aber effektvolle harmonische Abläufe sowie innige Streicherbegleitungen, kurz: den galanten, empfindsamen Stil seiner Zeit, aber mit seiner unverwechselbaren, vollendeten Handschrift. In den elegischen Chorälen dagegen verweist Carl Philipp Emanuel auf seine Kinderstube in der Leipziger Thomaskantorei. Auf all diese Elemente muss man auch bei dieser Aufnahme nicht verzichten.
Solide
Bringen wir zuerst die kleinen Schwächen hinter uns: So liefert beispielsweise niemand aus dem Solistenensemble eine erkennbare Vision für seine Gesangsstücke, nicht einmal Claudia Barainsky, die trotz ihrer himmlischen Sopranstimme in der bestrickenden Arie ('Dein Heil, o Christ, nicht zu verscherzen‘) seltsam eng in der Brust wirkt. Und der mit einer muskulösen Bassstimme ausgestattete Karsten Mewes besingt nur mit halbem Herzen die Güte Gottes. Einzig der als Countertenor konzipierte Evangelist Daniel Gloger verkürzt die recht langen Rezitative mit einer lebendigen, deutlich artikulierten Erzählweise und einer präzisen Intonation. Die an sich bezaubernden Chorstücke wirken nicht hundertprozentig konzentriert und die Textverständlichkeit leidet, wie so oft bei Nicht-Muttersprachlern.
Aber sonst: Das musikalische Niveau der EuropaChorAkademie ist hoch und ihr Klang aufgrund der durchweg jungen, international bunten Besetzung frisch und angenehm. Die Balance zwischen dem motivierten Orchester und den Vokalisten ist ausgewogen, das Klangbild durchaus satt und präsent. Auch wenn die Phrasierungen in den Chorälen mitunter arg eigenwillig geraten sind, merkt man Daus erstens die Begeisterung für dieses Werk an und ist ihm zweitens eine überwiegend solide, gut durchhörbare Interpretation gelungen. Entsprechend dazu ist auch der Einführungstext im insgesamt geschmackvoll gestalteten Beiheft: Dem Autor fließen biografische und werkbezogene Details kurzweilig aus der Feder und entstanden ist ein plastisches Bild von der musikhistorischen Landschaft zu Bachs Zeit.
Unterm Strich also: Bekäme Carl Philipp Emanuel die CD in die Hände, er wäre bestimmt stolz – auf sich und auf die Beteiligten.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach, Carl Philipp Emanuel: Lukas-Passion |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Glor classics 1 28.11.2008 |
Medium:
EAN: |
CD
4260158915076 |
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